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8.5 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZR 88/05
  4. vom
  5. 12. Mai 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Mai 2005 durch den Vizepräsidenten
  9. des
  10. Bundesgerichtshofes
  11. Dr. Wenzel
  12. und
  13. die
  14. Richter
  15. Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub
  16. beschlossen:
  17. Der Antrag, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung
  18. der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen
  19. Stand zu gewähren, und der Antrag auf vorläufige Einstellung der
  20. Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Merzig
  21. vom 23. Mai 2003 sowie aus dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. März 2005 werden auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
  22. Der Gegenstandswert beträgt 12.500 €.
  23. Gründe:
  24. I.
  25. Gegen das ihm am 4. März 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts hat
  26. der Beklagte mit einem am 19. April 2005 eingegangenen Schriftsatz Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zugleich hat er gegen die Versäumung der
  27. Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu
  28. - soweit für die Entscheidung über den Antrag von Belang - ausgeführt:
  29. -3-
  30. In dem Büro des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten versehe die Anmeldung zunächst jedes eingegangene Schriftstück mit einem Posteingangsstempel. Sie gebe sämtliche mit dem Eingangsstempel versehene Post an die Bürovorsteherin bzw. an deren Vertreterin. Die Bürovorsteherin sehe sämtliche Schriftstücke nach einer eventuellen Frist durch. Die Fristen würden in einem zentralen Fristenkalender notiert. Zur Fristenkontrolle
  31. lege die Bürovorsteherin bzw. deren Vertreterin für jeden Rechtsanwalt für die
  32. jeweils folgende Woche einen sogenannten Fristzettel vor. Darin seien sämtliche Fristen nach der zeitlichen Reihenfolge vermerkt. Am Montag einer jeden
  33. Woche schreibe die Bürovorsteherin bzw. eine Mitarbeiterin für jeden Rechtsanwalt einzeln auf einem Formular die Fristen für die folgende Woche heraus.
  34. Sie versehe diese Fristen im Fristenkalender mit einem Haken. Die ausgefüllten Formulare würden an demselben Tag den Rechtsanwälten und der jeweils
  35. für den Rechtsanwalt zuständigen Sekretärin vorgelegt.
  36. In dem vorliegenden Fall unterblieb die Eintragung der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde. Dies fiel dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am 16. März 2005 auf. Er wies daher seine
  37. Sekretärin mündlich an, die Akten sofort der Bürovorsteherin mit der Weisung
  38. weiterzugeben, die Nichtzulassungsbeschwerdefrist und die Begründungsfrist
  39. in den Fristenkalender einzutragen. Dieser Weisung ist die Sekretärin nicht
  40. nachgekommen. Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten
  41. hat sich die Akten am 6. April 2005 vorlegen lassen und bemerkt, daß die Frist
  42. verstrichen war.
  43. Der Beklagte meint, seinen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten
  44. treffe kein Verschulden an der Fristversäumung.
  45. -4-
  46. II.
  47. 1. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu versagen. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß er ohne Verschulden gehindert war,
  48. die Notfrist von einem Monat zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde
  49. einzuhalten (§ 233 ZPO). Es ist nicht ausgeräumt, daß dem zweitinstanzlichen
  50. Prozeßbevollmächtigten des Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist, welches dieser sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.
  51. a) Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß durch die
  52. in dem Büro seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten geltende
  53. "Dienstanweisung zur Fristenkontrolle" ausreichend Vorsorge gegen Fristversäumungen getroffen sei. Die Anweisung läßt nicht erkennen, daß der das
  54. Mandat bearbeitende Rechtsanwalt selbst bei der Zustellung gerichtlicher Entscheidungen, mit der der Lauf einer Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird, den
  55. Zustellungszeitpunkt festhalten und durch die Eintragung in einen Fristenkalender eine rechtzeitige Wiedervorlage sicherstellen muß (vgl. BVerfG, NJW
  56. 1995, 711). Ihr ist auch nicht zu entnehmen, daß die Eintragung des
  57. Fristendes in den Fristenkalender dadurch gesichert ist, daß der Rechtsanwalt
  58. das Empfangsbekenntnis über die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung
  59. erst unterzeichnen und zurückgeben darf, wenn die zur Wahrung der Rechtsmittelfrist erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden (vgl. BGH, Beschl. v.
  60. 11. März 1980, X ZB 4/80, NJW 1980, 1846; Senat, Beschl. v. 13. Februar
  61. 2003, V ZR 422/00, NJW 2003, 1528). Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung,
  62. weil der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten eine Einzelanweisung erteilt hat, diese allein ungenügend war und der Mangel organisato-
  63. -5-
  64. weisung erteilt hat, diese allein ungenügend war und der Mangel organisatorisch nicht aufgefangen wurde.
  65. b) Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend
  66. ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätten (Senat, Beschl. v. 23. Oktober
  67. 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369). Aber ein Rechtsanwalt, der seine Bürokraft mündlich anweist, eine Rechtsmittelfrist einzutragen, genügt seiner
  68. Sorgfaltspflicht nur dann, wenn in seiner Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sind, daß eine korrekte Fristeintragung
  69. auch tatsächlich erfolgt (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1991, VII ZB 4/91, NJW
  70. 1992, 574; Beschl. v. 5. November 2002, VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436)
  71. und die Notierung auf ihre Richtigkeit überprüft wird (vgl. BGH, Beschluß vom
  72. 13. April 2005 - VIII ZB 77/04, Umdruck S. 4 m.w.N.). Daß in dem Büro des
  73. zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten solche Vorkehrungen getroffen waren, hat der Beklagte nicht dargelegt. Im übrigen war hier die mündliche Anweisung nicht hinreichend geeignet, die Fristversäumung zu verhindern. Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat nicht etwa die für die
  74. Eintragung der Frist in den Terminkalender zuständige Bürovorsteherin angewiesen, sondern lediglich seine Sekretärin beauftragt, der Bürovorsteherin die
  75. Akten zum Zweck der Fristennotierung weiterzugeben. Damit erhöhte - und
  76. verwirklichte - sich das Risiko, daß die Eintragung in den Fristenkalender unterblieb. Daß ein solches Risiko in dem Büro des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten grundsätzlich erkannt und Vorkehrungen zu seiner Vermeidung getroffen waren, zeigt die allgemeine Dienstanweisung. Darin
  77. heißt es (Nr. 3) u.a.: "Kommt das Mandat direkt zum Anwalt, meldet dieser den
  78. -6-
  79. Fristablauf an die Bürovorsteherin zur Eintragung im Fristenkalender". Hätte
  80. sich der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in dem vergleichbaren Fall, daß
  81. ihm ein noch nicht in dem Fristenkalender vermerkter Fristablauf bekannt wird,
  82. entsprechend der Regelung in der Dienstanweisung verhalten und den Fristablauf an die Bürovorsteherin zur Eintragung gemeldet, wäre die Eintragung der
  83. Frist in hohem Maß sichergestellt gewesen. Daß er nicht so gehandelt hat, begründet ebenfalls den Vorwurf der Pflichtwidrigkeit. Den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten entlastet nicht, daß er seine Sekretärin zu der sofortigen
  84. Weitergabe der Akten an die Bürovorsteherin angewiesen hat. Zwar kann das
  85. Verlangen nach der umgehenden Ausführung einer Einzelweisung der Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der Schaffung von ausreichenden
  86. Vorkehrungen gegen das Vergessen mündlicher Anweisungen genügen (BGH,
  87. Beschl. v. 22. Juni 2004, VI ZB 10/04, NJW-RR 2004, 1361, 1362); auch darf
  88. der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige
  89. Bürokraft seine Weisungen befolgen und nicht eigenmächtig ohne erneute
  90. Nachfragen von ihnen abweichen wird (Senat, Beschl. v. 31. Mai 2000, V ZB
  91. 57/99, NJW-RR 2001, 209 m.w.N.). Aber das setzt neben der klaren und präzisen Fassung der Einzelanweisung voraus, daß ihre Ausführung durch den
  92. Weisungsempfänger selbst unmittelbar zu dem verlangten Ergebnis, hier der
  93. Fristeintragung, führt. Die Zwischenschaltung dritter Personen, die lediglich als
  94. Übermittler der anwaltlichen Weisung tätig werden, stellt ihre Befolgung und
  95. damit die Fristwahrung nicht ausreichend sicher und bedarf der Kontrolle. Diese ist hier jedoch nicht glaubhaft gemacht worden.
  96. -7-
  97. 2. Erweist sich das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten somit als
  98. unbegründet, hat die verspätet eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mangels Zulässigkeit keine Aussicht auf Erfolg. Das hat zur Folge, daß die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht angeordnet werden darf
  99. (BGHZ 8, 47, 49).
  100. Wenzel
  101. Krüger
  102. Schmidt-Räntsch
  103. Lemke
  104. Czub