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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 88/05
vom
12. Mai 2005
in dem Rechtsstreit
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Mai 2005 durch den Vizepräsidenten
des
Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel
und
die
Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub
beschlossen:
Der Antrag, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung
der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zu gewähren, und der Antrag auf vorläufige Einstellung der
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Merzig
vom 23. Mai 2003 sowie aus dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. März 2005 werden auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert beträgt 12.500 €.
Gründe:
I.
Gegen das ihm am 4. März 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts hat
der Beklagte mit einem am 19. April 2005 eingegangenen Schriftsatz Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zugleich hat er gegen die Versäumung der
Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu
- soweit für die Entscheidung über den Antrag von Belang - ausgeführt:
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In dem Büro des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten versehe die Anmeldung zunächst jedes eingegangene Schriftstück mit einem Posteingangsstempel. Sie gebe sämtliche mit dem Eingangsstempel versehene Post an die Bürovorsteherin bzw. an deren Vertreterin. Die Bürovorsteherin sehe sämtliche Schriftstücke nach einer eventuellen Frist durch. Die Fristen würden in einem zentralen Fristenkalender notiert. Zur Fristenkontrolle
lege die Bürovorsteherin bzw. deren Vertreterin für jeden Rechtsanwalt für die
jeweils folgende Woche einen sogenannten Fristzettel vor. Darin seien sämtliche Fristen nach der zeitlichen Reihenfolge vermerkt. Am Montag einer jeden
Woche schreibe die Bürovorsteherin bzw. eine Mitarbeiterin für jeden Rechtsanwalt einzeln auf einem Formular die Fristen für die folgende Woche heraus.
Sie versehe diese Fristen im Fristenkalender mit einem Haken. Die ausgefüllten Formulare würden an demselben Tag den Rechtsanwälten und der jeweils
für den Rechtsanwalt zuständigen Sekretärin vorgelegt.
In dem vorliegenden Fall unterblieb die Eintragung der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde. Dies fiel dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am 16. März 2005 auf. Er wies daher seine
Sekretärin mündlich an, die Akten sofort der Bürovorsteherin mit der Weisung
weiterzugeben, die Nichtzulassungsbeschwerdefrist und die Begründungsfrist
in den Fristenkalender einzutragen. Dieser Weisung ist die Sekretärin nicht
nachgekommen. Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten
hat sich die Akten am 6. April 2005 vorlegen lassen und bemerkt, daß die Frist
verstrichen war.
Der Beklagte meint, seinen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten
treffe kein Verschulden an der Fristversäumung.
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II.
1. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu versagen. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß er ohne Verschulden gehindert war,
die Notfrist von einem Monat zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde
einzuhalten (§ 233 ZPO). Es ist nicht ausgeräumt, daß dem zweitinstanzlichen
Prozeßbevollmächtigten des Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist, welches dieser sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.
a) Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß durch die
in dem Büro seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten geltende
"Dienstanweisung zur Fristenkontrolle" ausreichend Vorsorge gegen Fristversäumungen getroffen sei. Die Anweisung läßt nicht erkennen, daß der das
Mandat bearbeitende Rechtsanwalt selbst bei der Zustellung gerichtlicher Entscheidungen, mit der der Lauf einer Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird, den
Zustellungszeitpunkt festhalten und durch die Eintragung in einen Fristenkalender eine rechtzeitige Wiedervorlage sicherstellen muß (vgl. BVerfG, NJW
1995, 711). Ihr ist auch nicht zu entnehmen, daß die Eintragung des
Fristendes in den Fristenkalender dadurch gesichert ist, daß der Rechtsanwalt
das Empfangsbekenntnis über die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung
erst unterzeichnen und zurückgeben darf, wenn die zur Wahrung der Rechtsmittelfrist erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden (vgl. BGH, Beschl. v.
11. März 1980, X ZB 4/80, NJW 1980, 1846; Senat, Beschl. v. 13. Februar
2003, V ZR 422/00, NJW 2003, 1528). Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung,
weil der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten eine Einzelanweisung erteilt hat, diese allein ungenügend war und der Mangel organisato-
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weisung erteilt hat, diese allein ungenügend war und der Mangel organisatorisch nicht aufgefangen wurde.
b) Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend
ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätten (Senat, Beschl. v. 23. Oktober
2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369). Aber ein Rechtsanwalt, der seine Bürokraft mündlich anweist, eine Rechtsmittelfrist einzutragen, genügt seiner
Sorgfaltspflicht nur dann, wenn in seiner Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sind, daß eine korrekte Fristeintragung
auch tatsächlich erfolgt (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1991, VII ZB 4/91, NJW
1992, 574; Beschl. v. 5. November 2002, VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436)
und die Notierung auf ihre Richtigkeit überprüft wird (vgl. BGH, Beschluß vom
13. April 2005 - VIII ZB 77/04, Umdruck S. 4 m.w.N.). Daß in dem Büro des
zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten solche Vorkehrungen getroffen waren, hat der Beklagte nicht dargelegt. Im übrigen war hier die mündliche Anweisung nicht hinreichend geeignet, die Fristversäumung zu verhindern. Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat nicht etwa die für die
Eintragung der Frist in den Terminkalender zuständige Bürovorsteherin angewiesen, sondern lediglich seine Sekretärin beauftragt, der Bürovorsteherin die
Akten zum Zweck der Fristennotierung weiterzugeben. Damit erhöhte - und
verwirklichte - sich das Risiko, daß die Eintragung in den Fristenkalender unterblieb. Daß ein solches Risiko in dem Büro des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten grundsätzlich erkannt und Vorkehrungen zu seiner Vermeidung getroffen waren, zeigt die allgemeine Dienstanweisung. Darin
heißt es (Nr. 3) u.a.: "Kommt das Mandat direkt zum Anwalt, meldet dieser den
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Fristablauf an die Bürovorsteherin zur Eintragung im Fristenkalender". Hätte
sich der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in dem vergleichbaren Fall, daß
ihm ein noch nicht in dem Fristenkalender vermerkter Fristablauf bekannt wird,
entsprechend der Regelung in der Dienstanweisung verhalten und den Fristablauf an die Bürovorsteherin zur Eintragung gemeldet, wäre die Eintragung der
Frist in hohem Maß sichergestellt gewesen. Daß er nicht so gehandelt hat, begründet ebenfalls den Vorwurf der Pflichtwidrigkeit. Den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten entlastet nicht, daß er seine Sekretärin zu der sofortigen
Weitergabe der Akten an die Bürovorsteherin angewiesen hat. Zwar kann das
Verlangen nach der umgehenden Ausführung einer Einzelweisung der Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der Schaffung von ausreichenden
Vorkehrungen gegen das Vergessen mündlicher Anweisungen genügen (BGH,
Beschl. v. 22. Juni 2004, VI ZB 10/04, NJW-RR 2004, 1361, 1362); auch darf
der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige
Bürokraft seine Weisungen befolgen und nicht eigenmächtig ohne erneute
Nachfragen von ihnen abweichen wird (Senat, Beschl. v. 31. Mai 2000, V ZB
57/99, NJW-RR 2001, 209 m.w.N.). Aber das setzt neben der klaren und präzisen Fassung der Einzelanweisung voraus, daß ihre Ausführung durch den
Weisungsempfänger selbst unmittelbar zu dem verlangten Ergebnis, hier der
Fristeintragung, führt. Die Zwischenschaltung dritter Personen, die lediglich als
Übermittler der anwaltlichen Weisung tätig werden, stellt ihre Befolgung und
damit die Fristwahrung nicht ausreichend sicher und bedarf der Kontrolle. Diese ist hier jedoch nicht glaubhaft gemacht worden.
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2. Erweist sich das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten somit als
unbegründet, hat die verspätet eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mangels Zulässigkeit keine Aussicht auf Erfolg. Das hat zur Folge, daß die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht angeordnet werden darf
(BGHZ 8, 47, 49).
Wenzel
Krüger
Schmidt-Räntsch
Lemke
Czub