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7.9 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. RiZ (R) 4/00
  3. Beschluss
  4. vom
  5. 12. Dezember 2001
  6. in dem Prüfungsverfahren
  7. Antragsteller und Revisionskläger,
  8. gegen
  9. Antragsgegner und Revisionsbeklagter,
  10. wegen Anfechtung einer Untersuchungsanordnung
  11. -2-
  12. Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat am 12. Dezember
  13. 2001
  14. durch
  15. den
  16. Prof. Dr. Erdmann,
  17. die
  18. Vorsitzenden
  19. Richter
  20. am
  21. Richter
  22. am
  23. Bundesgerichtshof
  24. Bundesgerichtshof
  25. Dr. Siol
  26. und
  27. Dr. Boetticher, die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanoviæ und den
  28. Richter am Bundesgerichtshof Dr. Büscher
  29. beschlossen:
  30. Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Niedersächsischen Dienstgerichtshofs für Richter vom 20. September 2000
  31. - DGH 1/97 - wird als unzulässig verworfen.
  32. Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
  33. Gründe:
  34. Die Revision ist unzulässig, weil dem Antragsteller die zur Vornahme
  35. einer wirksamen Prozeßhandlung erforderliche Prozeßfähigkeit fehlt.
  36. 1. Der am
  37. gericht
  38. geborene Antragsteller war Richter am Amts. Das Niedersächsische Dienstgericht für Richter hat durch
  39. Urteil vom 14. Juli 1994 die Zulässigkeit der Versetzung des Antragstellers in
  40. den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit festgestellt. Dieses Urteil ist nunmehr
  41. rechtskräftig, nachdem die Berufung des Antragstellers beim Niedersächsischen Dienstgerichtshof für Richter und seine Revision beim Dienstgericht des
  42. Bundes erfolglos geblieben sind (vgl. Senatsentscheidung vom heutigen Tage
  43. -3-
  44. - RiZ (R) 3/00). Die Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand ist erfolgt,
  45. weil bei ihm eine schwerwiegende schizoide Persönlichkeitsstörung vorliegt,
  46. die zumindest seit April 1993 einen die Dienstunfähigkeit begründenden
  47. Schweregrad erreicht hat.
  48. Im Verlauf jenes Verfahrens hat bei dem Antragsteller eine querulatorische Entwicklung mit paranoiden Zügen stattgefunden, die letztlich zu seiner
  49. Prozeßunfähigkeit geführt hat. Für das Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand ist dem Antragsteller daher durch Beschluß des Amtsgerichts Hannover
  50. vom 26. Januar 1999 - 61 XVIII B 1588 - gemäß § 79 Abs. 2 NdsRiG ein Richter als Betreuer bestellt worden; durch Beschluß vom 14. Februar 2001 hat das
  51. Amtsgericht die Fortdauer der Betreuung für die Revisionsinstanz angeordnet.
  52. 2. Im vorliegenden Verfahren wendet sich der Antragsteller gegen die
  53. Anordnung des Antragsgegners vom 11. Dezember 1992, die Zweifel an seiner
  54. Dienstfähigkeit durch eine amtsärztliche Untersuchung prüfen zu lassen. Gegen diese Anordnung war er zunächst - erfolglos - im Verwaltungsrechtsweg
  55. vorgegangen; seine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Februar 1996 - 2 L 5597/93 - ist
  56. vom Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß vom 19. Dezember 1996 2 B 91/96 - als unbegründet zurückgewiesen worden.
  57. In dem am 3. Februar 1997 beim Niedersächsischen Dienstgerichtshof
  58. für Richter anhängig gewordenen Prüfungsverfahren macht der Antragsteller
  59. nunmehr geltend, die Anordnung des Antragsgegners habe ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt.
  60. Der Niedersächsische Dienstgerichtshof für Richter hat den Antrag
  61. durch das angefochtene Urteil als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung
  62. -4-
  63. hat er im wesentlichen ausgeführt: Die Unzulässigkeit ergebe sich zum einen
  64. daraus, daß der Antragsteller bei Einreichung seines Antrags wegen krankhafter Querulanz prozeßunfähig gewesen sei und dieser Zustand seither fortbestehe; zum anderen sei der Antrag nicht innerhalb der Jahresfrist nach § 74
  65. NdsRiG i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO gestellt und deshalb verfristet; schließlich
  66. fehle es auch mindestens seit dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller wegen
  67. Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, am
  68. Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1975 - RiZ (R) 3/74,
  69. DRiZ 1976, 149 f.). Darüber hinaus hätte der Antrag aber auch in der Sache
  70. keinen Erfolg haben können, weil die angegriffene Anordnung des Antragsgegners vom 11. Dezember 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheids
  71. vom 18. Januar 1993 den Antragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt habe.
  72. 3. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Antragstellers ist als
  73. unzulässig zu verwerfen (§ 144 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 74 NdsRiG), weil dem
  74. Antragsteller, der sich aufgrund einer schwerwiegenden schizoiden Persönlichkeitsstörung nicht nur vorübergehend in einem die freie Willensbestimmung
  75. ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, die
  76. zur wirksamen Einlegung der Revision erforderliche Prozeßfähigkeit fehlt (§ 74
  77. NdsRiG i.V.m. § 62 VwGO, § 104 Nr. 2 BGB).
  78. Dies ergibt sich aus den im Verfahren über die Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand beziehungsweise im Betreuungsverfahren eingeholten, überzeugenden Gutachten, die der Senat im Wege des Freibeweises als
  79. Bestandteile der Akten RiZ (R) 3/00 berücksichtigt hat. Der Sachverständige
  80. Dr. G.
  81. , ein Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie, kommt
  82. in seinem fachpsychiatrischen Gutachten vom 23. April 1997 zu der Diagnose,
  83. -5-
  84. daß der Antragsteller an einer schwerwiegenden schizoiden Persönlichkeitsstörung und einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung mit narzißtischen und
  85. paranoiden Zügen leide. Der Sachverständige O.
  86. gelangt in seinem ner-
  87. venärztlichen Gutachten vom 25. November 1998 zu dem Ergebnis, daß bei
  88. dem Antragsteller eine querulatorische Entwicklung mit paranoiden Zügen festzustellen sei.
  89. Beide Gutachten sind auch aussagekräftig für das vorliegende Verfahren, dessen Gegenstand vom Lebenssachverhalt her eng mit dem Verfahren
  90. über die Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zusammenhängt.
  91. Die Diagnose der beiden Sachverständigen ist für den Senat im übrigen
  92. aufgrund des Inhalts der zahlreichen Schriftsätze des Antragstellers in beiden
  93. bei ihm anhängigen Verfahren nachvollziehbar. Aus ihnen wird - worauf auch
  94. der Niedersächsische Dienstgerichtshof für Richter in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen hat - deutlich, daß der Antragsteller, soweit
  95. es um seine Dienstfähigkeitsbeurteilung im weitesten Sinne geht, ein Verhalten
  96. an den Tag legt, welches für Fälle krankhafter Querulanz kennzeichnend ist: er
  97. vertritt seinen Standpunkt ungeordnet und distanzlos, wobei er sein Vorbringen
  98. laufend wiederholt und maßlose Beschuldigungen gegen Personen erhebt, mit
  99. denen er im Zusammenhang mit seinen zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen in Berührung gekommen ist.
  100. Der Senat ist an einer Verwerfung der Revision nicht deshalb gehindert,
  101. weil es zunächst der Bestellung eines Prozeßpflegers für den prozeßunfähigen
  102. Antragsteller nach § 74 NdsRiG i.V.m. § 62 Abs. 4 VwGO, § 57 Abs. 1 ZPO
  103. bedurft hätte. Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Zwar
  104. ist diese ihrem Wortlaut nach nur für die beklagte Partei geltende Regelung
  105. -6-
  106. nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in bestimmten Fällen auch auf einen prozeßunfähigen Kläger anzuwenden (vgl. BVerwGE 23,
  107. 15, 17; Kopp/Schenke, VwGO 12. Aufl., § 62 Rdnr. 12 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 59. Aufl., § 57 Rdnr. 13). Jedoch
  108. kommt dies nicht für aussichtslose Klagen in Betracht, sondern nur dann, wenn
  109. ohne die Bestellung eines Pflegers Rechte des Antragstellers unzumutbar gefährdet würden (vgl. OVG Koblenz, Beschluß vom 10. Februar 1998 - 7 E
  110. 10175/98 -, NVwZ-RR 1998, 693, 694). Dies ist hier nicht der Fall, denn das
  111. Klagebegehren des Antragstellers erweist sich - wie der Niedersächsische
  112. Dienstgerichtshof in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat - unabhängig von der Frage der Prozeßfähigkeit aus weiteren Gründen als aussichtslos.
  113. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m.
  114. § 154 Abs. 2 VwGO.
  115. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren entsprechend § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 8.000 DM festgesetzt.
  116. Erdmann
  117. Siol
  118. Solin-Stojanoviæ
  119. Boetticher
  120. Büscher