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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. IV ZR 124/00
  4. URTEIL
  5. Verkündet am:
  6. 12. Dezember 2001
  7. Fritz
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. _____________________
  16. VVG § 166
  17. Ergibt die Auslegung des in einer Abtretungsanzeige enthaltenen Widerrufs der Bezugsberechtigung, daß das Bezugsrecht nur insoweit widerrufen wird, als es den
  18. Rechten des Sicherungsnehmers entgegensteht, tritt es nur in dem durch den Sicherungszweck bestimmten Umfang hinter die Rechte des Sicherungsnehmers zurück
  19. und bleibt im übrigen voll wirksam. Beim Tod des Versicherungsnehmers erwirbt der
  20. Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung, soweit er die gesicherte Forderung übersteigt, unmittelbar ohne eine weitere Rechtshandlung des Sicherungsnehmers (Bestätigung von BGH, Urteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91 VersR 1993, 553).
  21. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2001 - IV ZR 124/00 - OLG Bamberg
  22. LG Schweinfurt
  23. -2-
  24. -3-
  25. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
  26. die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom
  27. 12. Dezember 2001
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. März
  30. 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die
  31. Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt vom 31. August 1999
  32. hinsichtlich der Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden ist.
  33. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Die Beklagte zu 1) wird
  34. verurteilt, an den Kläger 65.674 DM nebst 4% Zinsen
  35. seit 14. Oktober 1998 zu zahlen.
  36. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien wie
  37. folgt:
  38. Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte
  39. zu 1) je zur Hälfte. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) zur
  40. -4-
  41. Hälfte. Im übrigen tragen der Kläger und die Beklagte
  42. zu 1) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  43. Von Rechts wegen
  44. Tatbestand:
  45. Der Kläger meint, er habe als Bezugsberechtigter aus der Lebensversicherung des verstorbenen Versicherungsnehmers P. B. Anspruch
  46. auf einen Teil der Versicherungsleistung in Höhe von 65.674 DM gegen
  47. die Beklagte zu 1) als Versicherer und gegen die Beklagte zu 2) als
  48. Empfängerin der Versicherungsleistung.
  49. Im Versicherungsantrag vom 5. Juli 1987 ist der Kläger als widerruflich Bezugsberechtigter für den Todesfall benannt. Die Beklagte zu 1)
  50. nahm den Antrag mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1987 an und
  51. bestätigte mit Schreiben vom 16. Juli 1987 an den Versicherungsnehmer
  52. das Bezugsrecht des Klägers. Ob der Versicherungsnehmer den am
  53. 16. Juli 1987 ausgefertigten Versicherungsschein, eine Prämienanforderung und zwei Mahnungen erhalten hat und ob das Lastschriftverfahren
  54. vereinbart war, ist streitig. Da keine Prämien eingingen, schrieb die Beklagte zu 1) dem Versicherungsnehmer am 1. Dezember 1987, sie habe
  55. den Vertrag aufgelöst. Am 1. Februar 1988 suchte ihr Agent B. den Versicherungsnehmer auf. Dieser unterzeichnete einen "Bestandserhaltungsbericht", mit dem der Beginn der Versicherung und der Beitragszahlung auf den 1. Januar 1988 verlegt wurde. Die Beklagte zu 1) stellte
  56. -5-
  57. am 26. Februar 1988 einen Nachtrag zum Versicherungsschein aus, in
  58. dem als Änderungszeitpunkt der 1. Januar 1988 vermerkt ist. Mit Schreiben vom selben Tage bat sie den Versicherungsnehmer um die vollständige und genaue Festlegung eines Bezugsrechts, was bei seinem Vertrag noch nicht der Fall sei, und fügte eine vorbereitete Erklärung über
  59. die sofortige Änderung des Bezugsrechts bei. Der Versicherungsnehmer
  60. reagierte darauf nicht.
  61. Am 22. Januar 1990 trat der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus der Lebensversicherung zur Sicherheit an die Beklagte zu 2) ab
  62. unter Widerruf einer etwa bestehenden Bezugsberechtigung für die
  63. Dauer der Abtretung. Die zweite Seite der Abtretungsurkunde enthält die
  64. Abtretungsanzeige an die Beklagte zu 1). Darin heißt es, für die Dauer
  65. dieser Abtretung werde ein Bezugsrecht insoweit widerrufen, als es den
  66. Rechten der Bank entgegenstehe. Die Beklagte zu 1) hat diese Urkunde
  67. am 31. Januar 1990 erhalten. Am 12. April 1990 schrieb sie dem Versicherungsnehmer, er habe noch nicht mitgeteilt, wer bezugsberechtigt
  68. sein solle, er könne trotz bestehender Abtretung ein Bezugsrecht festlegen. Eine Antwort blieb aus.
  69. Nach dem Tod des Versicherungsnehmers am 18. April 1997
  70. zahlte die Beklagte zu 1) die volle Versicherungsleistung in Höhe von
  71. 68.995 DM an die Beklagte zu 2) aus. Nach Abzug des Schuldsaldos
  72. leitete sie den von ihr nicht benötigten Betrag von 65.674 DM an den
  73. Nachlaßpfleger für die damals noch unbekannten Erben des Versicherungsnehmers weiter.
  74. -6-
  75. Der Kläger meint, in diesem Umfang habe der Anspruch auf die
  76. Versicherungsleistung ihm aufgrund eines wirksam eingeräumten und insoweit auch nicht widerrufenen Bezugsrechts zugestanden. Mit seiner
  77. Revision verfolgt er den in den Vorinstanzen abgewiesenen Anspruch
  78. gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner weiter.
  79. Entscheidungsgründe:
  80. Die Revision des Klägers führt zur antragsgemäßen Verurteilung
  81. der Beklagten zu 1). Der Anspruch auf die Versicherungsleistung stand
  82. mit Eintritt des Versicherungsfalls dem Kläger als Bezugsberechtigten
  83. zu, soweit er den Schuldsaldo des Versicherungsnehmers bei der Beklagten zu 2) überstieg. Die Beklagte zu 1) hat nicht mit befreiender Wirkung an die Beklagte zu 2) gezahlt. Gegen diese hat der Kläger keinen
  84. Anspruch.
  85. 1. Dem Kläger ist mit Abschluß des Versicherungsvertrags ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden. Dabei kann offen bleiben,
  86. ob es bereits im Juli 1987 zum Abschluß eines Vertrages gekommen und
  87. ob er wegen Nichtzahlung der Erstprämie durch die Rücktrittsfiktion des
  88. § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG beendet worden ist. Jedenfalls ist, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, im Februar 1988 ein Vertrag
  89. nach Maßgabe des ursprünglichen Antrags bzw. Vertrags geschlossen
  90. worden. Änderungen gab es nur bei der Laufzeit und in geringem Umfang bei der Prämie. Anders war das Verhalten der Beklagten zu 1) erkennbar nicht gemeint und anders konnte es vom Versicherungsnehmer
  91. -7-
  92. auch nicht verstanden werden. Im Bestandserhaltungsbericht hat er lediglich gewünscht, den Beginn und die Beitragszahlung auf den
  93. 1. Januar 1988 zu verlegen. Ein neuer Versicherungsantrag wurde nicht
  94. ausgefüllt und unterschrieben. Die Beklagte zu 1) hat sodann einen
  95. Nachtrag zum Versicherungsschein unter der früheren Versicherungsnummer ausgestellt und darin unter anderem darauf hingewiesen, daß
  96. dem Versicherungsvertrag die abgegebenen schriftlichen Erklärungen
  97. zugrunde lägen. Diesen Versicherungsschein hat sie dem Versicherungsnehmer mit einem Formularschreiben übersandt, das mit "Änderungsmitteilung" überschrieben ist, das im weiteren Text von einer Änderung des Versicherungsvertrags spricht und in dem bei der vorgedruckten Liste über durchgeführte Änderungen "Beginn- und Ablaufverlegung"
  98. und "Wiederinkraftsetzung" angekreuzt sind. Demgemäß blieb das im
  99. Versicherungsantrag vom 5. Juli 1987 eingetragene Bezugsrecht des
  100. Klägers auch für den geänderten Vertrag bestehen.
  101. 2. Dem Berufungsgericht ist jedoch nicht darin zu folgen, der Versicherungsnehmer habe durch sein Schweigen auf die Bezugsrechtsanfragen der Beklagten zu 1) vom 26. Februar 1988 und vom 12. April
  102. 1990 das Bezugsrecht des Klägers widerrufen, weil die Beklagte eine
  103. Antwort darauf erwarten durfte. Das Berufungsgericht erkennt zwar, daß
  104. dem Schweigen nur ausnahmsweise ein Erklärungswert beigemessen
  105. werden kann. Es weist insoweit auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hin (BGHZ 1, 353, 355 f.), in der das Schweigen auf ein mit
  106. der Abstandnahme vom ursprünglichen Vertrag gemachtes neues Angebot als Zustimmung gewertet wurde. Damit vergleichbar sei die Situation
  107. hier.
  108. -8-
  109. Dabei wird nicht genügend berücksichtigt, daß es sich bei der Ei nräumung und dem Widerruf eines Bezugsrechts nicht um den Abschluß
  110. eines Vertrages handelt, sondern um eine einseitige empfangsbedürftige
  111. Willenserklärung des Versicherungsnehmers. Der Versicherer, der beim
  112. Versicherungsnehmer wegen einer Bezugsrechtsbestimmung anfragt,
  113. befindet sich nicht in der Lage desjenigen, der ein Angebot auf Vertragsänderung gemacht hat und wegen seiner weiteren Dispositionen auf
  114. die baldige Antwort angewiesen ist. Eine das Bezugsrecht ändernde Erklärung muß wegen ihres Verfügungscharakters (BGH, Urteil vom
  115. 28. September 1988 - IVa ZR 126/87 - VersR 1988, 1236 unter 2) zudem
  116. hinreichend deutlich sein und klar erkennen lassen, in welcher Weise
  117. die
  118. Bezugsberechtigung
  119. mer/Langheid,
  120. VVG
  121. geändert
  122. § 166
  123. Rdn. 13;
  124. werden
  125. soll
  126. (Römer
  127. BK/Schwintowski,
  128. in
  129. Rö-
  130. § 166
  131. VVG
  132. Rdn. 12). Daran fehlt es hier selbst aus der Sicht der Beklagten zu 1).
  133. Das Schweigen des Versicherungsnehmers konnte allenfalls als Bestätigung der ursprünglichen Bezugsberechtigung aufgefaßt werden.
  134. Ein wirksamer stillschweigender Widerruf des Bezugsrechts wäre
  135. im übrigen von vornherein nicht in Betracht gekommen, wenn, wie die
  136. Revision zutreffend bemerkt, für den Widerruf die Schriftform erforderlich gewesen wäre, wie dies in Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung üblich ist (vgl. § 13 Abs. 4 ALB 86). Zum Inhalt der
  137. hier vereinbarten Bedingungen hat das Berufungsgericht aber nichts
  138. festgestellt, dazu ist auch den Akten nichts zu entnehmen.
  139. -9-
  140. 3. Der anläßlich der Sicherungsabtretung vorgenommene Widerruf
  141. hat das Bezugsrecht des Klägers nicht vollständig beseitigt. Es ist nur in
  142. dem durch den Sicherungszweck bestimmten Umfang hinter die Rechte
  143. der Beklagten zu 2) zurückgetreten und im übrigen voll wirksam geblieben (st. Rspr. des Senats, zuletzt Urteil vom 25. April 2001 - IV ZR
  144. 305/00 - VersR 2001, 883 unter II 2 a m.w.N.). Das ergibt sich aus der
  145. für die Auslegung des Widerrufs maßgeblichen Erklärung in der Abtr etungsanzeige an die Beklagte zu 1), mit der das Bezugsrecht nur insoweit widerrufen worden ist, als es den Rechten der Bank entgegensteht.
  146. Für eine inhaltsgleiche Widerrufserklärung hat der Senat entschieden,
  147. daß der Bezugsberechtigte beim Tod des Versicherungsnehmers den
  148. Anspruch auf die Versicherungsleistung, soweit er die gesicherte Forderung übersteigt, ohne eine weitere Rechtshandlung des Sicherungsnehmers unmittelbar erwirbt (Urteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91 - VersR
  149. 1993, 553 unter 3 b = LM Nr. 12 zu § 166 VVG mit Anm. Hübner; vgl.
  150. auch Römer, aaO § 166 Rdn. 17).
  151. Da der Widerruf des Bezugsrechts in der Abtretungsanzeige in
  152. dieser Weise beschränkt war, ist die Beklagte zu 1) auch nicht nach
  153. § 409 Abs. 1 BGB von der Leistungspflicht frei geworden.
  154. - 10 -
  155. 4. Gegen die Beklagte zu 2) hat der Kläger keinen Anspruch. Da
  156. ihr das Bezugsrecht des Klägers nicht bekannt war, ist sie jedenfalls
  157. durch die Zahlung an die Erben als Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers frei geworden (§ 407 Abs. 1 BGB).
  158. Terno
  159. Dr. Schlichting
  160. Wendt
  161. Seiffert
  162. Dr. Kessal-Wulf