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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
IV ZR 124/00
URTEIL
Verkündet am:
12. Dezember 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
_____________________
VVG § 166
Ergibt die Auslegung des in einer Abtretungsanzeige enthaltenen Widerrufs der Bezugsberechtigung, daß das Bezugsrecht nur insoweit widerrufen wird, als es den
Rechten des Sicherungsnehmers entgegensteht, tritt es nur in dem durch den Sicherungszweck bestimmten Umfang hinter die Rechte des Sicherungsnehmers zurück
und bleibt im übrigen voll wirksam. Beim Tod des Versicherungsnehmers erwirbt der
Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung, soweit er die gesicherte Forderung übersteigt, unmittelbar ohne eine weitere Rechtshandlung des Sicherungsnehmers (Bestätigung von BGH, Urteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91 VersR 1993, 553).
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2001 - IV ZR 124/00 - OLG Bamberg
LG Schweinfurt
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom
12. Dezember 2001
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. März
2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die
Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt vom 31. August 1999
hinsichtlich der Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Die Beklagte zu 1) wird
verurteilt, an den Kläger 65.674 DM nebst 4% Zinsen
seit 14. Oktober 1998 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien wie
folgt:
Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte
zu 1) je zur Hälfte. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) zur
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Hälfte. Im übrigen tragen der Kläger und die Beklagte
zu 1) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger meint, er habe als Bezugsberechtigter aus der Lebensversicherung des verstorbenen Versicherungsnehmers P. B. Anspruch
auf einen Teil der Versicherungsleistung in Höhe von 65.674 DM gegen
die Beklagte zu 1) als Versicherer und gegen die Beklagte zu 2) als
Empfängerin der Versicherungsleistung.
Im Versicherungsantrag vom 5. Juli 1987 ist der Kläger als widerruflich Bezugsberechtigter für den Todesfall benannt. Die Beklagte zu 1)
nahm den Antrag mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1987 an und
bestätigte mit Schreiben vom 16. Juli 1987 an den Versicherungsnehmer
das Bezugsrecht des Klägers. Ob der Versicherungsnehmer den am
16. Juli 1987 ausgefertigten Versicherungsschein, eine Prämienanforderung und zwei Mahnungen erhalten hat und ob das Lastschriftverfahren
vereinbart war, ist streitig. Da keine Prämien eingingen, schrieb die Beklagte zu 1) dem Versicherungsnehmer am 1. Dezember 1987, sie habe
den Vertrag aufgelöst. Am 1. Februar 1988 suchte ihr Agent B. den Versicherungsnehmer auf. Dieser unterzeichnete einen "Bestandserhaltungsbericht", mit dem der Beginn der Versicherung und der Beitragszahlung auf den 1. Januar 1988 verlegt wurde. Die Beklagte zu 1) stellte
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am 26. Februar 1988 einen Nachtrag zum Versicherungsschein aus, in
dem als Änderungszeitpunkt der 1. Januar 1988 vermerkt ist. Mit Schreiben vom selben Tage bat sie den Versicherungsnehmer um die vollständige und genaue Festlegung eines Bezugsrechts, was bei seinem Vertrag noch nicht der Fall sei, und fügte eine vorbereitete Erklärung über
die sofortige Änderung des Bezugsrechts bei. Der Versicherungsnehmer
reagierte darauf nicht.
Am 22. Januar 1990 trat der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus der Lebensversicherung zur Sicherheit an die Beklagte zu 2) ab
unter Widerruf einer etwa bestehenden Bezugsberechtigung für die
Dauer der Abtretung. Die zweite Seite der Abtretungsurkunde enthält die
Abtretungsanzeige an die Beklagte zu 1). Darin heißt es, für die Dauer
dieser Abtretung werde ein Bezugsrecht insoweit widerrufen, als es den
Rechten der Bank entgegenstehe. Die Beklagte zu 1) hat diese Urkunde
am 31. Januar 1990 erhalten. Am 12. April 1990 schrieb sie dem Versicherungsnehmer, er habe noch nicht mitgeteilt, wer bezugsberechtigt
sein solle, er könne trotz bestehender Abtretung ein Bezugsrecht festlegen. Eine Antwort blieb aus.
Nach dem Tod des Versicherungsnehmers am 18. April 1997
zahlte die Beklagte zu 1) die volle Versicherungsleistung in Höhe von
68.995 DM an die Beklagte zu 2) aus. Nach Abzug des Schuldsaldos
leitete sie den von ihr nicht benötigten Betrag von 65.674 DM an den
Nachlaßpfleger für die damals noch unbekannten Erben des Versicherungsnehmers weiter.
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Der Kläger meint, in diesem Umfang habe der Anspruch auf die
Versicherungsleistung ihm aufgrund eines wirksam eingeräumten und insoweit auch nicht widerrufenen Bezugsrechts zugestanden. Mit seiner
Revision verfolgt er den in den Vorinstanzen abgewiesenen Anspruch
gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers führt zur antragsgemäßen Verurteilung
der Beklagten zu 1). Der Anspruch auf die Versicherungsleistung stand
mit Eintritt des Versicherungsfalls dem Kläger als Bezugsberechtigten
zu, soweit er den Schuldsaldo des Versicherungsnehmers bei der Beklagten zu 2) überstieg. Die Beklagte zu 1) hat nicht mit befreiender Wirkung an die Beklagte zu 2) gezahlt. Gegen diese hat der Kläger keinen
Anspruch.
1. Dem Kläger ist mit Abschluß des Versicherungsvertrags ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden. Dabei kann offen bleiben,
ob es bereits im Juli 1987 zum Abschluß eines Vertrages gekommen und
ob er wegen Nichtzahlung der Erstprämie durch die Rücktrittsfiktion des
§ 38 Abs. 1 Satz 2 VVG beendet worden ist. Jedenfalls ist, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, im Februar 1988 ein Vertrag
nach Maßgabe des ursprünglichen Antrags bzw. Vertrags geschlossen
worden. Änderungen gab es nur bei der Laufzeit und in geringem Umfang bei der Prämie. Anders war das Verhalten der Beklagten zu 1) erkennbar nicht gemeint und anders konnte es vom Versicherungsnehmer
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auch nicht verstanden werden. Im Bestandserhaltungsbericht hat er lediglich gewünscht, den Beginn und die Beitragszahlung auf den
1. Januar 1988 zu verlegen. Ein neuer Versicherungsantrag wurde nicht
ausgefüllt und unterschrieben. Die Beklagte zu 1) hat sodann einen
Nachtrag zum Versicherungsschein unter der früheren Versicherungsnummer ausgestellt und darin unter anderem darauf hingewiesen, daß
dem Versicherungsvertrag die abgegebenen schriftlichen Erklärungen
zugrunde lägen. Diesen Versicherungsschein hat sie dem Versicherungsnehmer mit einem Formularschreiben übersandt, das mit "Änderungsmitteilung" überschrieben ist, das im weiteren Text von einer Änderung des Versicherungsvertrags spricht und in dem bei der vorgedruckten Liste über durchgeführte Änderungen "Beginn- und Ablaufverlegung"
und "Wiederinkraftsetzung" angekreuzt sind. Demgemäß blieb das im
Versicherungsantrag vom 5. Juli 1987 eingetragene Bezugsrecht des
Klägers auch für den geänderten Vertrag bestehen.
2. Dem Berufungsgericht ist jedoch nicht darin zu folgen, der Versicherungsnehmer habe durch sein Schweigen auf die Bezugsrechtsanfragen der Beklagten zu 1) vom 26. Februar 1988 und vom 12. April
1990 das Bezugsrecht des Klägers widerrufen, weil die Beklagte eine
Antwort darauf erwarten durfte. Das Berufungsgericht erkennt zwar, daß
dem Schweigen nur ausnahmsweise ein Erklärungswert beigemessen
werden kann. Es weist insoweit auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hin (BGHZ 1, 353, 355 f.), in der das Schweigen auf ein mit
der Abstandnahme vom ursprünglichen Vertrag gemachtes neues Angebot als Zustimmung gewertet wurde. Damit vergleichbar sei die Situation
hier.
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Dabei wird nicht genügend berücksichtigt, daß es sich bei der Ei nräumung und dem Widerruf eines Bezugsrechts nicht um den Abschluß
eines Vertrages handelt, sondern um eine einseitige empfangsbedürftige
Willenserklärung des Versicherungsnehmers. Der Versicherer, der beim
Versicherungsnehmer wegen einer Bezugsrechtsbestimmung anfragt,
befindet sich nicht in der Lage desjenigen, der ein Angebot auf Vertragsänderung gemacht hat und wegen seiner weiteren Dispositionen auf
die baldige Antwort angewiesen ist. Eine das Bezugsrecht ändernde Erklärung muß wegen ihres Verfügungscharakters (BGH, Urteil vom
28. September 1988 - IVa ZR 126/87 - VersR 1988, 1236 unter 2) zudem
hinreichend deutlich sein und klar erkennen lassen, in welcher Weise
die
Bezugsberechtigung
mer/Langheid,
VVG
geändert
§ 166
Rdn. 13;
werden
soll
(Römer
BK/Schwintowski,
in
Rö-
§ 166
VVG
Rdn. 12). Daran fehlt es hier selbst aus der Sicht der Beklagten zu 1).
Das Schweigen des Versicherungsnehmers konnte allenfalls als Bestätigung der ursprünglichen Bezugsberechtigung aufgefaßt werden.
Ein wirksamer stillschweigender Widerruf des Bezugsrechts wäre
im übrigen von vornherein nicht in Betracht gekommen, wenn, wie die
Revision zutreffend bemerkt, für den Widerruf die Schriftform erforderlich gewesen wäre, wie dies in Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung üblich ist (vgl. § 13 Abs. 4 ALB 86). Zum Inhalt der
hier vereinbarten Bedingungen hat das Berufungsgericht aber nichts
festgestellt, dazu ist auch den Akten nichts zu entnehmen.
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3. Der anläßlich der Sicherungsabtretung vorgenommene Widerruf
hat das Bezugsrecht des Klägers nicht vollständig beseitigt. Es ist nur in
dem durch den Sicherungszweck bestimmten Umfang hinter die Rechte
der Beklagten zu 2) zurückgetreten und im übrigen voll wirksam geblieben (st. Rspr. des Senats, zuletzt Urteil vom 25. April 2001 - IV ZR
305/00 - VersR 2001, 883 unter II 2 a m.w.N.). Das ergibt sich aus der
für die Auslegung des Widerrufs maßgeblichen Erklärung in der Abtr etungsanzeige an die Beklagte zu 1), mit der das Bezugsrecht nur insoweit widerrufen worden ist, als es den Rechten der Bank entgegensteht.
Für eine inhaltsgleiche Widerrufserklärung hat der Senat entschieden,
daß der Bezugsberechtigte beim Tod des Versicherungsnehmers den
Anspruch auf die Versicherungsleistung, soweit er die gesicherte Forderung übersteigt, ohne eine weitere Rechtshandlung des Sicherungsnehmers unmittelbar erwirbt (Urteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91 - VersR
1993, 553 unter 3 b = LM Nr. 12 zu § 166 VVG mit Anm. Hübner; vgl.
auch Römer, aaO § 166 Rdn. 17).
Da der Widerruf des Bezugsrechts in der Abtretungsanzeige in
dieser Weise beschränkt war, ist die Beklagte zu 1) auch nicht nach
§ 409 Abs. 1 BGB von der Leistungspflicht frei geworden.
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4. Gegen die Beklagte zu 2) hat der Kläger keinen Anspruch. Da
ihr das Bezugsrecht des Klägers nicht bekannt war, ist sie jedenfalls
durch die Zahlung an die Erben als Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers frei geworden (§ 407 Abs. 1 BGB).
Terno
Dr. Schlichting
Wendt
Seiffert
Dr. Kessal-Wulf