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363 lines
8.2 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 422/16
  4. vom
  5. 15. Dezember 2016
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. 1.
  9. 2.
  10. 3.
  11. 4.
  12. wegen zu 1., 2. und 4.: gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes u.a.
  13. zu 3.: Beihilfe zum besonders schweren Raub
  14. hier:
  15. Revisionen der Angeklagten L.
  16. und C.
  17. ECLI:DE:BGH:2016:151216B3STR422.16.0
  18. -2-
  19. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 15. Dezember 2016 gemäß § 349
  20. Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
  21. Auf die Revisionen der Angeklagten L.
  22. und C.
  23. wird das
  24. Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15. Juni 2016, auch soweit
  25. es die Mitangeklagten S.
  26. und V.
  27. betrifft, mit den
  28. Feststellungen aufgehoben.
  29. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  30. über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
  31. des Landgerichts zurückverwiesen.
  32. Gründe:
  33. 1
  34. Das Landgericht hat die Angeklagten L.
  35. nicht revidierenden Mitangeklagten V.
  36. und C.
  37. sowie den
  38. jeweils wegen (gemeinschaft-
  39. lich begangenen) besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher
  40. Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten L.
  41. Freiheitsstrafe von fünf Jahren, gegen den Angeklagten C.
  42. hat es auf eine
  43. auf eine Ju-
  44. gendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie gegen den Mitangeklagten V.
  45. auf eine Jugendstrafe von zwei Jahren erkannt, deren Voll-
  46. streckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den nicht revidierenden Mitangeklagten S.
  47. hat es wegen Beihilfe zum schweren Raub zu einer Freiheits-
  48. strafe von drei Jahren verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten L.
  49. und
  50. -3-
  51. C.
  52. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Aufhebung des Urteils ist auf die
  53. Mitangeklagten S.
  54. 2
  55. und V.
  56. zu erstrecken.
  57. 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen forderte der
  58. Angeklagte L.
  59. die Zahlung von 400 €. H.
  60. von dem Zeugen H.
  61. versprach zwar, diese Summe zu zahlen, kam dem aber nicht nach und
  62. brach den Kontakt zu L.
  63. ab. Dieser beschloss daraufhin, die 400 € mit Ge-
  64. walt gemeinsam mit seinen Freunden C.
  65. Er veranlasste den Mitangeklagten S.
  66. und V.
  67. einzutreiben.
  68. , dem er als Belohnung ein Gramm
  69. Haschisch in Aussicht stellte, ein Treffen mit dem Zeugen H.
  70. zu verein-
  71. baren, damit man sich seiner bemächtigen und die Forderung mit Gewalt eintreiben könne. L.
  72. , C.
  73. , V.
  74. PKW Seat zu dem Treffpunkt, wo H.
  75. und S.
  76. fuhren mit einem
  77. wartete. L.
  78. forderte den über-
  79. raschten und von der Zahl der ihn plötzlich umgebenden Personen beeindruckten Zeugen H.
  80. und wies V.
  81. auf, sich auf die Rückbank des Fahrzeugs zu setzen,
  82. an, in ein außerhalb der Ortschaft gelegenes Waldstück
  83. zu fahren. Am Ziel angekommen fesselte L.
  84. dem Zeugen H.
  85. Kabelbindern die Hände auf dem Rücken. C.
  86. durchsuchte nun die Jacke
  87. des Zeugen H.
  88. mit
  89. und legte die gefundenen Sachen - ein Handy Samsung
  90. Galaxy S2, ein Portmonee ohne Geld, einen Schlüsselbund, Kopfhörer und ein
  91. Taschenmesser mit 6 cm Klinge - auf die Motorhaube des PKW. Feststellungen
  92. dahin, dass die Angeklagten bereits zu diesem Zeitpunkt mit Zueignungsabsicht hinsichtlich dieser Sachen handelten, hat die Jugendkammer nicht getroffen.
  93. 3
  94. Sodann forderten L.
  95. , C.
  96. und V.
  97. lautstark und wie-
  98. derholt die Begleichung der Forderung. Dabei schlugen sie dem Zeugen H.
  99. mehrmals mit der flachen Hand ins Gesicht und sodann mit den Fäusten
  100. -4-
  101. gegen Brust und Bauch. Um weiteren Schlägen zu entgehen, bot H.
  102. sein Handy und seinen Flachbildfernseher zur Begleichung der Forderung an.
  103. Der Angeklagte L.
  104. erklärte, dass mit dem Handy 50 € getilgt seien und er
  105. für den Fernseher 100 € anrechne. L.
  106. und C.
  107. den Oberkörper des Zeugen ein. V.
  108. gegen das Becken, während S.
  109. L.
  110. 4
  111. schlugen weiter auf
  112. versetzte H.
  113. einen Tritt
  114. sich abseits hielt und der Aufforderung
  115. s, ebenfalls zuzuschlagen, nicht nachkam.
  116. Nach einer Pause schlug C.
  117. vor, dem Zeugen H.
  118. sen Taschenmesser ins Bein zu stechen. Daraufhin nahm L.
  119. mit desdas Ta-
  120. schenmesser und erklärte dem Zeugen, dass er mit ihm ein "Münzspiel" spielen
  121. werde. H.
  122. solle "Kopf" oder "Zahl" sagen, bei falscher Ansage werde er
  123. ihm ins Bein stechen. Tatsächlich wollte der Angeklagte seine Drohung nicht
  124. umsetzen, sondern H.
  125. s Wahl jeweils als richtig bestätigen und ihn nur
  126. weiter einschüchtern "und damit letztlich zur Begleichung der noch ausstehenden Forderung, mindestens aber zur Duldung der Wegnahme der ihm bereits
  127. abgenommenen Gegenstände" bewegen. Der Angeklagte L.
  128. eine Münze, verdeckte sie und bestätigte jeweils die von H.
  129. Wahl. Sodann beendete V.
  130. warf zweimal
  131. getroffene
  132. das Münzspiel, indem er das Messer an
  133. sich nahm und es auf die Motorhaube zurücklegte.
  134. 5
  135. L.
  136. , C.
  137. und V.
  138. verlangten weiterhin die Begleichung
  139. der Forderung. Schließlich stieß der Angeklagte L.
  140. dem Zeugen H.
  141. mit dem Knie wuchtig in den Bauch und befahl ihm, sich von nun an täglich bei
  142. ihm zu melden, anderenfalls er noch Schlimmeres zu erwarten habe. Am
  143. nächsten Tag solle er den Fernseher zur Abholung bereithalten. Sodann schnitt
  144. er die Kabelbinder auf und gab H.
  145. seine SIM-Card aus dem Handy zu-
  146. rück. Das Handy und die Schlüssel behielt er für sich. Das Portmonee warf er in
  147. -5-
  148. den Wald, nachdem er den Inhalt in H.
  149. hatte. Der Angeklagte C.
  150. s Jackentasche zurückgesteckt
  151. nahm die Kopfhörer des Zeugen H.
  152. an
  153. sich, um sie für sich zu behalten. Schließlich entfernten sich die Angeklagten.
  154. 6
  155. 2. Das Landgericht hat dieses Geschehen als einen gemeinschaftlichen
  156. schweren Raub der Angeklagten L.
  157. , C.
  158. und V.
  159. in Tatein-
  160. heit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet und eine Beihilfe des Angeklagten S.
  161. dazu angenommen.
  162. 7
  163. Diese Würdigung hält materiell-rechtlicher Prüfung nicht stand.
  164. 8
  165. § 249 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass die Zueignungsabsicht im Zeitpunkt der Wegnahme besteht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom
  166. 11. Oktober 2006 - 4 StR 400/06, NStZ-RR 2007, 15). Dies hat das Landgericht
  167. nicht festgestellt.
  168. 9
  169. Die Wegnahme der Gegenstände war hier bereits mit dem Ausbreiten
  170. der Gegenstände des Zeugen H.
  171. auf der Motorhaube des Fahrzeugs der
  172. Angeklagten vollendet. Da der gefesselte Zeuge H.
  173. nicht mehr in der
  174. Lage war, die Sachherrschaft über die gegen seinen Willen seiner Kleidung
  175. entnommenen Sachen auszuüben, war sein Gewahrsam bereits in diesem
  176. Moment gebrochen. Für die Begründung neuen Gewahrsams ist entscheidend,
  177. ob der Täter nach der Verkehrsauffassung die Herrschaft über die Sache derart
  178. erlangt hat, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber
  179. ausüben kann; ein Fortschaffen der Beute vom Tatort ist nicht erforderlich (vgl.
  180. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 242 Rn. 17; Schönke/Schröder-Eser, StGB,
  181. 27. Aufl., § 242 Rn. 38; jeweils mwN). Das Ausbreiten der Sachen auf der
  182. Motorhaube ihres Fahrzeugs und die spätere Verwendung des Messers sowie
  183. der Umgang mit den übrigen Sachen belegen, dass nunmehr die Angeklagten
  184. -6-
  185. die Sachherrschaft über die Gegenstände erlangt hatten und in der Lage waren, mit diesen nach Belieben zu verfahren.
  186. 10
  187. Der Angeklagte L.
  188. fasste mit seiner Erklärung, das Funktelefon mit
  189. 50 € anzurechnen, den Entschluss, sich das Handy anzueignen, erst nach der
  190. Wegnahme der Gegenstände und nach den folgenden Gewaltanwendungen
  191. und Drohungen, die den Zeugen zur Begleichung der Forderung veranlassen
  192. sollten. Auch soweit festgestellt ist, dass der Angeklagte C.
  193. Gewaltanwendung die Kopfhörer des Zeugen H.
  194. nach der
  195. an sich nahm, die er
  196. später im Fahrzeug zurückließ, ist nicht dargetan, dass er insoweit bereits im
  197. Zeitpunkt der Wegnahme mit Zueignungsabsicht handelte. Hinsichtlich der übrigen weggenommenen Sachen ist nach den getroffenen Feststellungen eine
  198. Zueignungsabsicht nicht zu erkennen.
  199. 11
  200. Schließlich steht die Feststellung, dass der Zeuge H.
  201. mit dem
  202. nach zwischenzeitlicher Beratung der Angeklagten veranstalteten Münzspiel
  203. "mindestens aber zur Duldung der Wegnahme der ihm bereits abgenommenen
  204. Gegenstände" bewegt werden sollte, im Widerspruch zu den Feststellungen zur
  205. vorangegangenen Gewahrsamsverschiebung, nach denen die Wegnahme bereits vollendet war.
  206. 12
  207. 3. Da derselbe materiellrechtliche Fehler auch den Schuldspruch zum
  208. Nachteil der Mitangeklagten S.
  209. und V.
  210. betrifft, ist das Urteil
  211. auch bezüglich dieser Angeklagten aufzuheben (§ 357 StPO).
  212. -7-
  213. 13
  214. 4. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
  215. Becker
  216. Schäfer
  217. Tiemann
  218. Spaniol
  219. Hoch