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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 292/17
vom
21. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
ECLI:DE:BGH:2018:210818B3STR292.17.0
-2-
Der
3.
Strafsenat
des
Bundesgerichtshofs
hat
nach
Anhörung
des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. August 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf
die
Revision
des
Angeklagten
wird
das
Urteil
des
Landgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu der Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, der die
Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat
bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.
I.
2
1. Das Landgericht hat - soweit für die revisionsrechtliche Beurteilung
relevant - folgende Feststellungen getroffen:
-3-
3
Der Angeklagte war von 1996 bis Juli 2006 Inhaber des Lehrstuhls für
Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde der H.
D.
Universität
und als solcher Leiter der gleichnamigen Poliklinik des Universitäts-
klinikums D.
. Dieses dient dem Fachbereich Medizin der Universität bei
der Erfüllung von Aufgaben in Forschung und Lehre; zudem findet dort die Versorgung von Kranken statt. Das Verhältnis zwischen Universität und Universitätsklinikum regelt eine Kooperationsvereinbarung. Im Juli 2006 wurde der Angeklagte - unter Beurlaubung von seinem Amt als Lehrstuhlinhaber und unter
Aufgabe seiner Stellung als Leiter der Zahnklinik - zum Ärztlichen Direktor des
Universitätsklinikums bestellt. Als solcher war er Vorsitzender des mit der operativen Leitung des Klinikums betrauten Vorstands.
4
Bereits vor seiner Bestellung zum Ärztlichen Direktor hatte der Angeklagte in den Räumen der Zahnklinik eine Privatambulanz mit eigenem Liquidationsrecht betrieben. Dort wurden die Patienten neben dem Angeklagten auch von
anderen Ärzten behandelt, die an den vom Angeklagten vorgenommenen
Liquidationen prozentual beteiligt wurden. Für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material leistete der Angeklagte pauschalierte Abgaben an die Universität, wobei zwischen den sog. Sachkosten für Nutzung und
Einsatz von Material, Räumlichkeiten und nichtwissenschaftlichem Personal
und dem sog. Nutzungsentgelt, das den Einsatz wissenschaftlichen Personals
abdeckte und als allgemeiner Vorteilsausgleich diente, unterschieden wurde.
Feststellungen dazu, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang
beim Betrieb von Privatambulanzen auf das wissenschaftliche Personal zurückgegriffen werden durfte, hat das Landgericht nicht getroffen.
5
Weil sich der Angeklagte neben seiner administrativ geprägten neuen
Aufgabe als Ärztlicher Direktor seine klinischen Fähigkeiten erhalten wollte,
-4-
wurde ihm im Anstellungsvertrag eingeräumt, wöchentlich im Umfang von
vier bis sechs Stunden ambulante zahnärztliche Leistungen zu erbringen und
zu berechnen. Weitere Abmachungen hinsichtlich des Betriebs der Ambulanz
wurden nicht getroffen.
6
Spätestens mit der Berufung des Angeklagten zum Ärztlichen Direktor im
Juli 2006 wurde "auf seine Anordnung" der wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. J.
in großem Umfang in der Privatambulanz des Angeklagten einge-
setzt. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Zahnklinik waren Angestellte der
Universität. Ihr Aufgabenbereich umfasste den Bereich der Lehre, aber auch die
Behandlung von Patienten. Ihre Zuordnung zu bestimmten Kursen wie auch zu
ihrem Einsatz in der Patientenbehandlung fiel während der Tätigkeit des Angeklagten als Ärztlicher Direktor in die Zuständigkeit des kommissarischen Klinikleiters. Diesen hatte der Angeklagte "angewiesen", den Mitarbeiter Dr. J.
,
der sich im Laufe seiner bisherigen Tätigkeit als für die ihm vertraglich
"vorrangig" übertragenen Aufgaben in der Lehre wenig geeignet erwiesen hatte,
zur Patientenbehandlung seiner Privatpraxis zuzuweisen. Obwohl der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Leiter der Zahnklinik war, verfügte er
nach wie vor über eine Autorität, die es ihm gestattete, den Einsatz von
Dr. J.
in der Zahnklinik anzuordnen. Feststellungen dazu, dass Organe
der Universität Kenntnis hiervon hatten oder gar darauf vertrauten, dass der
Angeklagte die Vermögensinteressen der Universität in diesem Zusammenhang
pflichtgemäß wahrnehmen würde, hat das Landgericht nicht getroffen. Es hat
lediglich festgestellt, dass der Umfang, in dem Dr. J.
in der Privatambu-
lanz eingesetzt wurde, nicht dem vertraglich vorgesehenen Arbeitseinsatz entsprach; zum konkreten Inhalt des Anstellungsvertrags verhält sich das Urteil
insoweit indes nicht.
-5-
7
Von den arbeitsvertraglich von Dr. J.
41 bzw. ab 2008 42 Stunden wurde Dr. J.
wöchentlich zu leistenden
für 32,75 Stunden in der Priva-
tambulanz eingesetzt; daneben leistete er Bereitschaftsdienste und nahm an
"Assistenzsitzungen" teil. Von Juli 2006 bis November 2010 entfielen auf den
anteiligen Einsatz von Dr. J.
in der Privatambulanz des Angeklagten
208.082,23 € seines Bruttogehalts. Dem standen - den Einsatz wissenschaftlichen Personals abdeckende - aus dem Einsatz von Dr. J.
resultierende
Nutzungsentgelte in Höhe von 179.733,27 € gegenüber, die der Angeklagte an
die Universität zahlte.
8
Durch den "von ihm veranlassten, wiederholten und fortgesetzten Einsatz von Dr. J.
in der Privatambulanz" wollte sich der Angeklagte eine
regelmäßige und dauerhafte Einnahmequelle von erheblichem Umfang verschaffen.
9
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Untreue in der
Form des Treubruchstatbestandes (§ 266 Abs. 1 Alternative 2 StGB) gewertet.
Er habe aufgrund seiner tatsächlichen Entscheidungsgewalt über den Einsatz
des Universitätsmitarbeiters Dr. J.
eine Vermögensbetreuungspflicht
gegenüber der Universität innegehabt. Diese Pflicht habe er durch die Anordnung des Einsatzes von Dr. J.
in der Privatambulanz verletzt. Der von ihm
verantwortete Einsatz von Dr. J.
sei "in dem vorgenommenen Umfang"
nicht zulässig gewesen. Als Vermögensnachteil für die Universität hat das
Landgericht die Differenz zwischen dem auf den Einsatz von Dr. J.
Privatambulanz
entfallenden
Teil
seines
Bruttogehalts
und
in der
dem
aus
seinem Einsatz resultierenden Nutzungsentgelt angesehen und diesen mit
28.348,96 € beziffert.
-6-
II.
10
Die Verurteilung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
11
Die Feststellungen des Landgerichts tragen bereits nicht die Annahme,
dass der Angeklagte gegenüber der geschädigten Universität vermögensbetreuungspflichtig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB war. Zwar geht die Strafkammer im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass Grundlage einer
Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 Alternative 2 StGB
neben Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft auch ein sog.
"tatsächliches Treueverhältnis" sein kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch
nicht allein die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein bestimmtes Vermögen,
sondern auch, dass damit ein tatsächliches Vertrauen des Treugebers in eine
pflichtgemäße Wahrnehmung seiner Vermögensinteressen verbunden ist, es
sich also um eine anvertraute faktische Machtstellung handelt (vgl. BGH,
Urteile vom 10. Juli 1996 - 3 StR 50/96, NStZ 1996, 540; vom 14. Juli 1999
- 3 StR 188/99, NStZ 1999, 558; Beschluss vom 13. Dezember 2012
- 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 f.; SSW-StGB/Saliger, 3. Aufl., § 266
Rn. 25). Dass dem Angeklagten die faktisch bestehende Möglichkeit, über den
Einsatz der Arbeitsleistung von Dr. J.
zu disponieren, von den zuständi-
gen Organen der Universität anvertraut war, belegen die Feststellungen indes
nicht. Im Hinblick darauf, dass auch nicht festgestellt ist, dass der fortbestehende tatsächliche Einfluss des Angeklagten innerhalb der Zahnklinik nach seiner
Abberufung als deren Leiter den Organen der Universität bekannt war, liegt dies
sogar eher fern.
12
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
-7-
III.
13
Für die neuerliche Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
1. Eine Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber der
Universität könnte sich - über die Erwägungen des Landgerichts hinaus - auch
unter folgendem Gesichtspunkt ergeben: Das Universitätsklinikum wird aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der Universität für den Rektor der
Universität als Dienstvorgesetzten des wissenschaftlichen Personals der
medizinischen Fakultät im Wege der Auftragsverwaltung tätig, übernimmt also
insoweit die Aufgaben der Personalverwaltung (siehe UA S. 35 im Rahmen der
Beweiswürdigung; vgl. ferner die gesetzlichen Regelungen in § 2 Abs. 3 der
Verordnung über die Errichtung des Klinikums D.
D.
[Universitätsklinikum D.
der Universität
] als Anstalt des öffentlichen Rechts
vom 1. Dezember 2000 bzw. § 2 Abs. 4 der Rechtsverordnung für die
Universitätskliniken A.
, B.
, D.
, E.
, K.
und M.
vom
20. Dezember 2007). Daraus könnte sich eine Vermögensbetreuungspflicht des
Universitätsklinikums gegenüber der Universität hinsichtlich der geldwerten
Arbeitsleistung (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 263 Rn. 100 mwN) des wissenschaftlichen Personals der medizinischen Fakultät ergeben. Diese Pflicht
könnte auch den Angeklagten als Ärztlichen Direktor und damit als Vorsitzenden des Vorstands des Universitätsklinikums treffen (vgl. LK/Schünemann,
StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 66 ff.; BGH, Urteil vom 6. Mai 1970 - 3 StR 284/69,
juris Rn. 16). Abschließend beurteilen lässt sich dies indes nur vor dem Hintergrund bislang nicht getroffener Feststellungen zur Ausgestaltung der Kooperation und zur konkreten Aufgabenverteilung innerhalb des Universitätsklinikums.
15
2. Sollte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer eine
Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten annehmen, wird sie bei der
-8-
Prüfung, ob der Angeklagte diese Pflicht verletzt hat, Folgendes in Bedacht zu
nehmen haben: Eine Pflichtverletzung kann zwar grundsätzlich vorliegen, wenn
Angestellte über einen längeren Zeitraum für private Zwecke eingesetzt werden
(vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1969 - 5 StR 644/68, Umdr. S. 5). Nach den
bislang getroffenen Feststellungen war der Einsatz von Dr. J.
Privatambulanz aber zumindest teilweise zulässig; denn Dr. J.
in der
hatte sich
nur "vorrangig" (UA S. 8) den Aufgaben von Forschung und Lehre zu widmen
und durfte lediglich nicht "in dem vorgenommenen Umfang" (UA S. 40) in
der Privatambulanz eingesetzt werden. Damit korrespondiert, dass sein
Arbeitsvertrag auf § 44 des Gesetz über die Hochschulen des Landes
Nordrhein-Westfalen Bezug nahm (UA S. 40), nach dessen Abs. 1 Satz 1 den
wissenschaftlichen Mitarbeitern nach Maßgabe ihres Dienstverhältnisses
wissenschaftliche Dienstleistungen nicht nur in Forschung und Lehre, sondern
auch in der Krankenversorgung obliegen; zudem waren für die Inanspruchnahme wissenschaftlichen Personals in der Privatambulanz pauschalierte
Nutzungsentgelte vorgesehen, was ebenfalls auf die grundsätzliche Zulässigkeit des Einsatzes wissenschaftlichen Personals in der Privatambulanz
hindeutet. Vor diesem Hintergrund bedürfte es konkreter Feststellungen, unter
welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein solcher Einsatz zulässig
wäre.
16
3. Das Landgericht hat das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit als
erfüllt
angesehen
und
die
Strafe
dem
Strafrahmen
des
besonders
schweren Falles der Untreue (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
Alternative 1 StGB) entnommen. Dies erscheint im Hinblick darauf, dass die
Strafkammer als Tathandlung die Anordnung des Einsatzes von Dr. J.
in der Privatambulanz angesehen hat, somit also lediglich von einem
Fall der Untreue ausgegangen ist und Feststellungen zur Absicht wiederholter
-9-
Tatbegehung nicht getroffen hat, nicht unbedenklich. Denn Gewerbsmäßigkeit
liegt nur dann vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte
Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem
Umfang zu verschaffen. Liegt ein derartiges Gewinnstreben vor, ist zwar schon
die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen
(vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265,
266). Allein dass die sich aus der Tat ergebenden Vermögensvorteile dem
Angeklagten sukzessive zufließen, begründet jedoch noch keine Gewerbsmäßigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07,
NStZ 2008, 282, 283).
VRiBGH Becker ist im Urlaub
und deshalb an der Unterschrift verhindert.
Spaniol
Berg
Spaniol
Hoch
Leplow