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372 lines
13 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 292/17
  4. vom
  5. 21. August 2018
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Untreue
  9. ECLI:DE:BGH:2018:210818B3STR292.17.0
  10. -2-
  11. Der
  12. 3.
  13. Strafsenat
  14. des
  15. Bundesgerichtshofs
  16. hat
  17. nach
  18. Anhörung
  19. des
  20. Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. August 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
  21. Auf
  22. die
  23. Revision
  24. des
  25. Angeklagten
  26. wird
  27. das
  28. Urteil
  29. des
  30. Landgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
  31. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  32. über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
  33. des Landgerichts zurückverwiesen.
  34. Gründe:
  35. 1
  36. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu der Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, der die
  37. Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat
  38. bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.
  39. I.
  40. 2
  41. 1. Das Landgericht hat - soweit für die revisionsrechtliche Beurteilung
  42. relevant - folgende Feststellungen getroffen:
  43. -3-
  44. 3
  45. Der Angeklagte war von 1996 bis Juli 2006 Inhaber des Lehrstuhls für
  46. Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde der H.
  47. D.
  48. Universität
  49. und als solcher Leiter der gleichnamigen Poliklinik des Universitäts-
  50. klinikums D.
  51. . Dieses dient dem Fachbereich Medizin der Universität bei
  52. der Erfüllung von Aufgaben in Forschung und Lehre; zudem findet dort die Versorgung von Kranken statt. Das Verhältnis zwischen Universität und Universitätsklinikum regelt eine Kooperationsvereinbarung. Im Juli 2006 wurde der Angeklagte - unter Beurlaubung von seinem Amt als Lehrstuhlinhaber und unter
  53. Aufgabe seiner Stellung als Leiter der Zahnklinik - zum Ärztlichen Direktor des
  54. Universitätsklinikums bestellt. Als solcher war er Vorsitzender des mit der operativen Leitung des Klinikums betrauten Vorstands.
  55. 4
  56. Bereits vor seiner Bestellung zum Ärztlichen Direktor hatte der Angeklagte in den Räumen der Zahnklinik eine Privatambulanz mit eigenem Liquidationsrecht betrieben. Dort wurden die Patienten neben dem Angeklagten auch von
  57. anderen Ärzten behandelt, die an den vom Angeklagten vorgenommenen
  58. Liquidationen prozentual beteiligt wurden. Für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material leistete der Angeklagte pauschalierte Abgaben an die Universität, wobei zwischen den sog. Sachkosten für Nutzung und
  59. Einsatz von Material, Räumlichkeiten und nichtwissenschaftlichem Personal
  60. und dem sog. Nutzungsentgelt, das den Einsatz wissenschaftlichen Personals
  61. abdeckte und als allgemeiner Vorteilsausgleich diente, unterschieden wurde.
  62. Feststellungen dazu, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang
  63. beim Betrieb von Privatambulanzen auf das wissenschaftliche Personal zurückgegriffen werden durfte, hat das Landgericht nicht getroffen.
  64. 5
  65. Weil sich der Angeklagte neben seiner administrativ geprägten neuen
  66. Aufgabe als Ärztlicher Direktor seine klinischen Fähigkeiten erhalten wollte,
  67. -4-
  68. wurde ihm im Anstellungsvertrag eingeräumt, wöchentlich im Umfang von
  69. vier bis sechs Stunden ambulante zahnärztliche Leistungen zu erbringen und
  70. zu berechnen. Weitere Abmachungen hinsichtlich des Betriebs der Ambulanz
  71. wurden nicht getroffen.
  72. 6
  73. Spätestens mit der Berufung des Angeklagten zum Ärztlichen Direktor im
  74. Juli 2006 wurde "auf seine Anordnung" der wissenschaftliche Mitarbeiter
  75. Dr. J.
  76. in großem Umfang in der Privatambulanz des Angeklagten einge-
  77. setzt. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Zahnklinik waren Angestellte der
  78. Universität. Ihr Aufgabenbereich umfasste den Bereich der Lehre, aber auch die
  79. Behandlung von Patienten. Ihre Zuordnung zu bestimmten Kursen wie auch zu
  80. ihrem Einsatz in der Patientenbehandlung fiel während der Tätigkeit des Angeklagten als Ärztlicher Direktor in die Zuständigkeit des kommissarischen Klinikleiters. Diesen hatte der Angeklagte "angewiesen", den Mitarbeiter Dr. J.
  81. ,
  82. der sich im Laufe seiner bisherigen Tätigkeit als für die ihm vertraglich
  83. "vorrangig" übertragenen Aufgaben in der Lehre wenig geeignet erwiesen hatte,
  84. zur Patientenbehandlung seiner Privatpraxis zuzuweisen. Obwohl der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Leiter der Zahnklinik war, verfügte er
  85. nach wie vor über eine Autorität, die es ihm gestattete, den Einsatz von
  86. Dr. J.
  87. in der Zahnklinik anzuordnen. Feststellungen dazu, dass Organe
  88. der Universität Kenntnis hiervon hatten oder gar darauf vertrauten, dass der
  89. Angeklagte die Vermögensinteressen der Universität in diesem Zusammenhang
  90. pflichtgemäß wahrnehmen würde, hat das Landgericht nicht getroffen. Es hat
  91. lediglich festgestellt, dass der Umfang, in dem Dr. J.
  92. in der Privatambu-
  93. lanz eingesetzt wurde, nicht dem vertraglich vorgesehenen Arbeitseinsatz entsprach; zum konkreten Inhalt des Anstellungsvertrags verhält sich das Urteil
  94. insoweit indes nicht.
  95. -5-
  96. 7
  97. Von den arbeitsvertraglich von Dr. J.
  98. 41 bzw. ab 2008 42 Stunden wurde Dr. J.
  99. wöchentlich zu leistenden
  100. für 32,75 Stunden in der Priva-
  101. tambulanz eingesetzt; daneben leistete er Bereitschaftsdienste und nahm an
  102. "Assistenzsitzungen" teil. Von Juli 2006 bis November 2010 entfielen auf den
  103. anteiligen Einsatz von Dr. J.
  104. in der Privatambulanz des Angeklagten
  105. 208.082,23 € seines Bruttogehalts. Dem standen - den Einsatz wissenschaftlichen Personals abdeckende - aus dem Einsatz von Dr. J.
  106. resultierende
  107. Nutzungsentgelte in Höhe von 179.733,27 € gegenüber, die der Angeklagte an
  108. die Universität zahlte.
  109. 8
  110. Durch den "von ihm veranlassten, wiederholten und fortgesetzten Einsatz von Dr. J.
  111. in der Privatambulanz" wollte sich der Angeklagte eine
  112. regelmäßige und dauerhafte Einnahmequelle von erheblichem Umfang verschaffen.
  113. 9
  114. 2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Untreue in der
  115. Form des Treubruchstatbestandes (§ 266 Abs. 1 Alternative 2 StGB) gewertet.
  116. Er habe aufgrund seiner tatsächlichen Entscheidungsgewalt über den Einsatz
  117. des Universitätsmitarbeiters Dr. J.
  118. eine Vermögensbetreuungspflicht
  119. gegenüber der Universität innegehabt. Diese Pflicht habe er durch die Anordnung des Einsatzes von Dr. J.
  120. in der Privatambulanz verletzt. Der von ihm
  121. verantwortete Einsatz von Dr. J.
  122. sei "in dem vorgenommenen Umfang"
  123. nicht zulässig gewesen. Als Vermögensnachteil für die Universität hat das
  124. Landgericht die Differenz zwischen dem auf den Einsatz von Dr. J.
  125. Privatambulanz
  126. entfallenden
  127. Teil
  128. seines
  129. Bruttogehalts
  130. und
  131. in der
  132. dem
  133. aus
  134. seinem Einsatz resultierenden Nutzungsentgelt angesehen und diesen mit
  135. 28.348,96 € beziffert.
  136. -6-
  137. II.
  138. 10
  139. Die Verurteilung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  140. 11
  141. Die Feststellungen des Landgerichts tragen bereits nicht die Annahme,
  142. dass der Angeklagte gegenüber der geschädigten Universität vermögensbetreuungspflichtig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB war. Zwar geht die Strafkammer im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass Grundlage einer
  143. Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 Alternative 2 StGB
  144. neben Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft auch ein sog.
  145. "tatsächliches Treueverhältnis" sein kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch
  146. nicht allein die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein bestimmtes Vermögen,
  147. sondern auch, dass damit ein tatsächliches Vertrauen des Treugebers in eine
  148. pflichtgemäße Wahrnehmung seiner Vermögensinteressen verbunden ist, es
  149. sich also um eine anvertraute faktische Machtstellung handelt (vgl. BGH,
  150. Urteile vom 10. Juli 1996 - 3 StR 50/96, NStZ 1996, 540; vom 14. Juli 1999
  151. - 3 StR 188/99, NStZ 1999, 558; Beschluss vom 13. Dezember 2012
  152. - 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 f.; SSW-StGB/Saliger, 3. Aufl., § 266
  153. Rn. 25). Dass dem Angeklagten die faktisch bestehende Möglichkeit, über den
  154. Einsatz der Arbeitsleistung von Dr. J.
  155. zu disponieren, von den zuständi-
  156. gen Organen der Universität anvertraut war, belegen die Feststellungen indes
  157. nicht. Im Hinblick darauf, dass auch nicht festgestellt ist, dass der fortbestehende tatsächliche Einfluss des Angeklagten innerhalb der Zahnklinik nach seiner
  158. Abberufung als deren Leiter den Organen der Universität bekannt war, liegt dies
  159. sogar eher fern.
  160. 12
  161. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
  162. -7-
  163. III.
  164. 13
  165. Für die neuerliche Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
  166. 14
  167. 1. Eine Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber der
  168. Universität könnte sich - über die Erwägungen des Landgerichts hinaus - auch
  169. unter folgendem Gesichtspunkt ergeben: Das Universitätsklinikum wird aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der Universität für den Rektor der
  170. Universität als Dienstvorgesetzten des wissenschaftlichen Personals der
  171. medizinischen Fakultät im Wege der Auftragsverwaltung tätig, übernimmt also
  172. insoweit die Aufgaben der Personalverwaltung (siehe UA S. 35 im Rahmen der
  173. Beweiswürdigung; vgl. ferner die gesetzlichen Regelungen in § 2 Abs. 3 der
  174. Verordnung über die Errichtung des Klinikums D.
  175. D.
  176. [Universitätsklinikum D.
  177. der Universität
  178. ] als Anstalt des öffentlichen Rechts
  179. vom 1. Dezember 2000 bzw. § 2 Abs. 4 der Rechtsverordnung für die
  180. Universitätskliniken A.
  181. , B.
  182. , D.
  183. , E.
  184. , K.
  185. und M.
  186. vom
  187. 20. Dezember 2007). Daraus könnte sich eine Vermögensbetreuungspflicht des
  188. Universitätsklinikums gegenüber der Universität hinsichtlich der geldwerten
  189. Arbeitsleistung (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 263 Rn. 100 mwN) des wissenschaftlichen Personals der medizinischen Fakultät ergeben. Diese Pflicht
  190. könnte auch den Angeklagten als Ärztlichen Direktor und damit als Vorsitzenden des Vorstands des Universitätsklinikums treffen (vgl. LK/Schünemann,
  191. StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 66 ff.; BGH, Urteil vom 6. Mai 1970 - 3 StR 284/69,
  192. juris Rn. 16). Abschließend beurteilen lässt sich dies indes nur vor dem Hintergrund bislang nicht getroffener Feststellungen zur Ausgestaltung der Kooperation und zur konkreten Aufgabenverteilung innerhalb des Universitätsklinikums.
  193. 15
  194. 2. Sollte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer eine
  195. Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten annehmen, wird sie bei der
  196. -8-
  197. Prüfung, ob der Angeklagte diese Pflicht verletzt hat, Folgendes in Bedacht zu
  198. nehmen haben: Eine Pflichtverletzung kann zwar grundsätzlich vorliegen, wenn
  199. Angestellte über einen längeren Zeitraum für private Zwecke eingesetzt werden
  200. (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1969 - 5 StR 644/68, Umdr. S. 5). Nach den
  201. bislang getroffenen Feststellungen war der Einsatz von Dr. J.
  202. Privatambulanz aber zumindest teilweise zulässig; denn Dr. J.
  203. in der
  204. hatte sich
  205. nur "vorrangig" (UA S. 8) den Aufgaben von Forschung und Lehre zu widmen
  206. und durfte lediglich nicht "in dem vorgenommenen Umfang" (UA S. 40) in
  207. der Privatambulanz eingesetzt werden. Damit korrespondiert, dass sein
  208. Arbeitsvertrag auf § 44 des Gesetz über die Hochschulen des Landes
  209. Nordrhein-Westfalen Bezug nahm (UA S. 40), nach dessen Abs. 1 Satz 1 den
  210. wissenschaftlichen Mitarbeitern nach Maßgabe ihres Dienstverhältnisses
  211. wissenschaftliche Dienstleistungen nicht nur in Forschung und Lehre, sondern
  212. auch in der Krankenversorgung obliegen; zudem waren für die Inanspruchnahme wissenschaftlichen Personals in der Privatambulanz pauschalierte
  213. Nutzungsentgelte vorgesehen, was ebenfalls auf die grundsätzliche Zulässigkeit des Einsatzes wissenschaftlichen Personals in der Privatambulanz
  214. hindeutet. Vor diesem Hintergrund bedürfte es konkreter Feststellungen, unter
  215. welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein solcher Einsatz zulässig
  216. wäre.
  217. 16
  218. 3. Das Landgericht hat das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit als
  219. erfüllt
  220. angesehen
  221. und
  222. die
  223. Strafe
  224. dem
  225. Strafrahmen
  226. des
  227. besonders
  228. schweren Falles der Untreue (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
  229. Alternative 1 StGB) entnommen. Dies erscheint im Hinblick darauf, dass die
  230. Strafkammer als Tathandlung die Anordnung des Einsatzes von Dr. J.
  231. in der Privatambulanz angesehen hat, somit also lediglich von einem
  232. Fall der Untreue ausgegangen ist und Feststellungen zur Absicht wiederholter
  233. -9-
  234. Tatbegehung nicht getroffen hat, nicht unbedenklich. Denn Gewerbsmäßigkeit
  235. liegt nur dann vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte
  236. Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem
  237. Umfang zu verschaffen. Liegt ein derartiges Gewinnstreben vor, ist zwar schon
  238. die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen
  239. (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265,
  240. 266). Allein dass die sich aus der Tat ergebenden Vermögensvorteile dem
  241. Angeklagten sukzessive zufließen, begründet jedoch noch keine Gewerbsmäßigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07,
  242. NStZ 2008, 282, 283).
  243. VRiBGH Becker ist im Urlaub
  244. und deshalb an der Unterschrift verhindert.
  245. Spaniol
  246. Berg
  247. Spaniol
  248. Hoch
  249. Leplow