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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 15/06
Verkündet am:
21. November 2007
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. November 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Fuchs, Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 15. Dezember 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen den Beklagten rückständige Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.
2
Nach einem Verkehrsunfall am 26. Februar 2002, bei dem der vom Beklagten geführte Pkw beschädigt worden war, mietete dieser am gleichen Tag
von der Klägerin einen Ersatzwagen zu einem Unfallersatztarif. Mit Rechnung
vom 7. März 2002 machte die Klägerin dafür insgesamt 1.561,36 € geltend.
3
Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, dessen volle Haftung für
den Unfallschaden nicht streitig ist, zahlte 423,64 €. Die Klägerin verlangt von
dem Beklagten noch 838,55 €.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin
hatte lediglich in Höhe von 223,36 € Erfolg. Dagegen wendet sich die Klägerin
mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
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1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei dem Beklagten zum
Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihre Aufklärungspflicht ihm gegenüber verletzt habe. Im Unfallersatzwagengeschäft habe sich eine Differenzierung im
Preisgefüge herausgebildet, die für den potentiellen Mieter nicht ohne weiteres
erkennbar sei. Im Gegensatz zum Beklagten sei der Klägerin die Problematik
der Angemessenheit und der Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen bekannt gewesen. Die Klägerin habe den Begriff "Unfallersatztarif" vermieden und
den Mietpreis erst nach Unterzeichnung durch den Beklagten in den Vertrag
eingetragen und damit verhindert, dass der Beklagte die Problematik bemerkt
habe. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass gerade die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners schon mehrfach die Unangemessenheit der Tarife der
Klägerin geltend gemacht habe. Darauf, ob im konkreten Fall der Unfallersatztarif der Klägerin aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen über dem Normaltarif
liegenden Preis rechtfertige, komme es nicht an. Denn dem Mietwageninteressenten drohe selbst bei Angemessenheit des Unfallersatztarifes, dass er die
Erstattung gegenüber der Haftpflichtversicherung unter Umständen nur streitig
durchsetzen könne und er dabei das Beweislastrisiko trage. Der vereinbarte
Tagespreis habe hier deutlich über dem Normaltarif von 101 € gelegen. Eine
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hinreichende Aufklärung sei nicht erfolgt. Ein Schaden sei auch nicht deshalb
zu verneinen, weil die Haftpflichtversicherung dem Beklagten zugesagt habe,
ihn von weiteren Mietzinszahlungen an die Klägerin und den Kosten des vorliegenden Prozesses freizustellen. Es sei davon auszugehen, dass sich der Beklagte im Falle einer Aufklärung für eine Minimierung des Risikos entschieden
hätte und nicht bei der Klägerin, sondern bei einem Drittunternehmen ein Fahrzeug zu einem Normaltarif angemietet hätte. Der Beklagte hätte dabei 647 €
aufwenden müssen. Nach Abzug der von der Haftpflichtversicherung erstatteten 423,64 € schulde der Beklagte noch 223,36 €.
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung
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stand.
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a) Das Berufungsgericht hat zu Recht das Bestehen einer Aufklärungspflicht der Klägerin angenommen. Der Senat hat - nach Erlass des Berufungsurteils - eine Aufklärungspflicht des Autovermieters gegenüber den Interessenten eines Unfallersatzwagens bejaht (Senatsurteile vom 28. Juni 2006 - XII ZR
50/04 - NZW 2006, 2618 f.; vom 10. Januar 2007 - XII ZR 72/04 - NJW 2007,
1447 f.; vom 7. Februar 2007 - XII ZR 125/04 - NJW 2007, 2181 f.; vom 27. Juni
2007 - XII ZR 53/05 - NJW 2007, 2759; vom 24. Oktober 2007 - XII ZR
155/05 -). Zwar muss der Mieter nicht über den gespaltenen Tarifmarkt, d.h.
weder über die eigenen verschiedenen Tarife noch über günstigere Angebote
der Konkurrenz aufgeklärt werden; es ist grundsätzlich Sache des Mieters, sich
zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Vertragsbedingungen für ihn von
Vorteil sind oder nicht. Bietet der Vermieter dem Unfallgeschädigten aber einen
Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt
liegt und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den
vollen Tarif übernimmt, so muss er den Mieter darüber aufklären. Danach ist es
erforderlich, aber auch ausreichend, den Mieter unmissverständlich darauf hin-
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zuweisen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif
möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.
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b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, ein Mietwagenunternehmer müsse
nicht von vornherein davon ausgehen, dass es bei der Inanspruchnahme des
Schädigers Schwierigkeiten gebe. Er sei lediglich gehalten, den Mieter zu unterstützen. Der Schaden des Beklagten beruhe auf dem - rechtswidrigen - Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung. Auf eine solche Gefahr müsse
der Vermieter nicht hinweisen. Es genüge, den Geschädigten im Regulierungsstreit mit der Haftpflichtversicherung durch Information zu unterstützen, warum
der erhöhte Tarif angemessen sei. Dazu sei er ebenso bereit gewesen wie zum
Beitritt als Streithelfer auf Seiten des Beklagten in einem Rechtsstreit gegen die
Versicherung. Dieser Auffassung liegt die unzutreffende Vorstellung zugrunde,
dass der Geschädigte einen Unfallersatztarif regelmäßig ersetzt verlangen
kann. Dem ist aber nicht so.
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aa) Nach der neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu den Unfallersatztarifen (Nachweise im Senatsurteil vom 28. Juni
2006 aaO) ist der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners gerade nicht ohne
weiteres zur Erstattung von über dem "Normaltarif" liegenden "Unfallersatztarifen" verpflichtet. Vielmehr kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen
Haftpflichtversicherung nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand
nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger,
wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig
und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen
Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er
die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im
Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichsten
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Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für die Anmietung eines Unfallersatzwagens bedeutet dies, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt
- nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines
vergleichbaren Ersatzwagens (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis ersetzt verlangen kann.
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bb) Soweit nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - NJW 2006, 1506) eine
Pflicht zur Erstattung des Unfallersatztarifes - ausnahmsweise - zu bejahen ist,
weil dem Geschädigten im Hinblick auf die gebotene subjektive Schadensbetrachtung unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis - und Einflussmöglichkeiten - sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten und
der zumutbaren Anstrengungen auf dem zeitlich und örtlich relevanten Markt
kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war, kann die Durchsetzung
mit Schwierigkeiten verbunden sein. Verweigert der Versicherer die Erstattung
des Unfallersatztarifs mit der Begründung, der Mieter habe zu einem niedrigeren Tarif abschließen können, trifft den Mieter die Beweislast. Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats (aaO), der der Senat folgt, muss er darlegen und
beweisen, dass ihm kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war.
Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, erhält er nur den Normaltarif erstattet. Dies bedeutet, dass die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs, falls er
denn besteht, mit Schwierigkeiten und Risiken behaftet ist. Davor soll die Aufklärungspflicht des Mietwagenunternehmers den Mieter schützen. Diesem soll
klar gemacht werden, dass, wenn er zum Unfallersatztarif anmietet, die Erstattung der über dem Normaltarif liegenden Miete mit Schwierigkeiten verbunden
sein kann. Diese Aufklärungspflicht verlöre ihren Sinn, wenn der Geschädigte
vor Inanspruchnahme des Vermieters klären lassen müsste, ob der Unfallersatztarif - ausnahmsweise - zu erstatten ist (Senatsurteil vom 24. Oktober 2007
- XII ZR 155/05 -).
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c) Danach steht dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c.
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(§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB) zu, den er der geltend gemachten
Mietzinsforderung entgegenhalten kann (Senatsurteil vom 10. Januar 2007
aaO). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte
der Beklagte nach ausreichender Aufklärung ein Kraftfahrzeug zum Normaltarif
angemietet und sich damit Kosten in Höhe der Klageforderung erspart.
Hahne
Fuchs
Vézina
Ahlt
Dose
Vorinstanzen:
AG Meißen, Entscheidung vom 11.01.2005 - 11 C 652/04 LG Dresden, Entscheidung vom 15.12.2005 - 8 S 122/05 -