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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 15/06
  5. Verkündet am:
  6. 21. November 2007
  7. Küpferle,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 21. November 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
  15. Fuchs, Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 15. Dezember 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  18. Von Rechts wegen
  19. Tatbestand:
  20. 1
  21. Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen den Beklagten rückständige Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.
  22. 2
  23. Nach einem Verkehrsunfall am 26. Februar 2002, bei dem der vom Beklagten geführte Pkw beschädigt worden war, mietete dieser am gleichen Tag
  24. von der Klägerin einen Ersatzwagen zu einem Unfallersatztarif. Mit Rechnung
  25. vom 7. März 2002 machte die Klägerin dafür insgesamt 1.561,36 € geltend.
  26. 3
  27. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, dessen volle Haftung für
  28. den Unfallschaden nicht streitig ist, zahlte 423,64 €. Die Klägerin verlangt von
  29. dem Beklagten noch 838,55 €.
  30. -3-
  31. 4
  32. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin
  33. hatte lediglich in Höhe von 223,36 € Erfolg. Dagegen wendet sich die Klägerin
  34. mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
  35. Entscheidungsgründe:
  36. 5
  37. Die Revision bleibt ohne Erfolg.
  38. 6
  39. 1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei dem Beklagten zum
  40. Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihre Aufklärungspflicht ihm gegenüber verletzt habe. Im Unfallersatzwagengeschäft habe sich eine Differenzierung im
  41. Preisgefüge herausgebildet, die für den potentiellen Mieter nicht ohne weiteres
  42. erkennbar sei. Im Gegensatz zum Beklagten sei der Klägerin die Problematik
  43. der Angemessenheit und der Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen bekannt gewesen. Die Klägerin habe den Begriff "Unfallersatztarif" vermieden und
  44. den Mietpreis erst nach Unterzeichnung durch den Beklagten in den Vertrag
  45. eingetragen und damit verhindert, dass der Beklagte die Problematik bemerkt
  46. habe. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass gerade die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners schon mehrfach die Unangemessenheit der Tarife der
  47. Klägerin geltend gemacht habe. Darauf, ob im konkreten Fall der Unfallersatztarif der Klägerin aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen über dem Normaltarif
  48. liegenden Preis rechtfertige, komme es nicht an. Denn dem Mietwageninteressenten drohe selbst bei Angemessenheit des Unfallersatztarifes, dass er die
  49. Erstattung gegenüber der Haftpflichtversicherung unter Umständen nur streitig
  50. durchsetzen könne und er dabei das Beweislastrisiko trage. Der vereinbarte
  51. Tagespreis habe hier deutlich über dem Normaltarif von 101 € gelegen. Eine
  52. -4-
  53. hinreichende Aufklärung sei nicht erfolgt. Ein Schaden sei auch nicht deshalb
  54. zu verneinen, weil die Haftpflichtversicherung dem Beklagten zugesagt habe,
  55. ihn von weiteren Mietzinszahlungen an die Klägerin und den Kosten des vorliegenden Prozesses freizustellen. Es sei davon auszugehen, dass sich der Beklagte im Falle einer Aufklärung für eine Minimierung des Risikos entschieden
  56. hätte und nicht bei der Klägerin, sondern bei einem Drittunternehmen ein Fahrzeug zu einem Normaltarif angemietet hätte. Der Beklagte hätte dabei 647 €
  57. aufwenden müssen. Nach Abzug der von der Haftpflichtversicherung erstatteten 423,64 € schulde der Beklagte noch 223,36 €.
  58. 2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung
  59. 7
  60. stand.
  61. 8
  62. a) Das Berufungsgericht hat zu Recht das Bestehen einer Aufklärungspflicht der Klägerin angenommen. Der Senat hat - nach Erlass des Berufungsurteils - eine Aufklärungspflicht des Autovermieters gegenüber den Interessenten eines Unfallersatzwagens bejaht (Senatsurteile vom 28. Juni 2006 - XII ZR
  63. 50/04 - NZW 2006, 2618 f.; vom 10. Januar 2007 - XII ZR 72/04 - NJW 2007,
  64. 1447 f.; vom 7. Februar 2007 - XII ZR 125/04 - NJW 2007, 2181 f.; vom 27. Juni
  65. 2007 - XII ZR 53/05 - NJW 2007, 2759; vom 24. Oktober 2007 - XII ZR
  66. 155/05 -). Zwar muss der Mieter nicht über den gespaltenen Tarifmarkt, d.h.
  67. weder über die eigenen verschiedenen Tarife noch über günstigere Angebote
  68. der Konkurrenz aufgeklärt werden; es ist grundsätzlich Sache des Mieters, sich
  69. zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Vertragsbedingungen für ihn von
  70. Vorteil sind oder nicht. Bietet der Vermieter dem Unfallgeschädigten aber einen
  71. Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt
  72. liegt und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den
  73. vollen Tarif übernimmt, so muss er den Mieter darüber aufklären. Danach ist es
  74. erforderlich, aber auch ausreichend, den Mieter unmissverständlich darauf hin-
  75. -5-
  76. zuweisen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif
  77. möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.
  78. 9
  79. b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, ein Mietwagenunternehmer müsse
  80. nicht von vornherein davon ausgehen, dass es bei der Inanspruchnahme des
  81. Schädigers Schwierigkeiten gebe. Er sei lediglich gehalten, den Mieter zu unterstützen. Der Schaden des Beklagten beruhe auf dem - rechtswidrigen - Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung. Auf eine solche Gefahr müsse
  82. der Vermieter nicht hinweisen. Es genüge, den Geschädigten im Regulierungsstreit mit der Haftpflichtversicherung durch Information zu unterstützen, warum
  83. der erhöhte Tarif angemessen sei. Dazu sei er ebenso bereit gewesen wie zum
  84. Beitritt als Streithelfer auf Seiten des Beklagten in einem Rechtsstreit gegen die
  85. Versicherung. Dieser Auffassung liegt die unzutreffende Vorstellung zugrunde,
  86. dass der Geschädigte einen Unfallersatztarif regelmäßig ersetzt verlangen
  87. kann. Dem ist aber nicht so.
  88. 10
  89. aa) Nach der neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu den Unfallersatztarifen (Nachweise im Senatsurteil vom 28. Juni
  90. 2006 aaO) ist der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners gerade nicht ohne
  91. weiteres zur Erstattung von über dem "Normaltarif" liegenden "Unfallersatztarifen" verpflichtet. Vielmehr kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen
  92. Haftpflichtversicherung nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand
  93. nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger,
  94. wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig
  95. und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen
  96. Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er
  97. die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im
  98. Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichsten
  99. -6-
  100. Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für die Anmietung eines Unfallersatzwagens bedeutet dies, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt
  101. - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines
  102. vergleichbaren Ersatzwagens (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis ersetzt verlangen kann.
  103. 11
  104. bb) Soweit nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - NJW 2006, 1506) eine
  105. Pflicht zur Erstattung des Unfallersatztarifes - ausnahmsweise - zu bejahen ist,
  106. weil dem Geschädigten im Hinblick auf die gebotene subjektive Schadensbetrachtung unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis - und Einflussmöglichkeiten - sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten und
  107. der zumutbaren Anstrengungen auf dem zeitlich und örtlich relevanten Markt
  108. kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war, kann die Durchsetzung
  109. mit Schwierigkeiten verbunden sein. Verweigert der Versicherer die Erstattung
  110. des Unfallersatztarifs mit der Begründung, der Mieter habe zu einem niedrigeren Tarif abschließen können, trifft den Mieter die Beweislast. Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats (aaO), der der Senat folgt, muss er darlegen und
  111. beweisen, dass ihm kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war.
  112. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, erhält er nur den Normaltarif erstattet. Dies bedeutet, dass die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs, falls er
  113. denn besteht, mit Schwierigkeiten und Risiken behaftet ist. Davor soll die Aufklärungspflicht des Mietwagenunternehmers den Mieter schützen. Diesem soll
  114. klar gemacht werden, dass, wenn er zum Unfallersatztarif anmietet, die Erstattung der über dem Normaltarif liegenden Miete mit Schwierigkeiten verbunden
  115. sein kann. Diese Aufklärungspflicht verlöre ihren Sinn, wenn der Geschädigte
  116. vor Inanspruchnahme des Vermieters klären lassen müsste, ob der Unfallersatztarif - ausnahmsweise - zu erstatten ist (Senatsurteil vom 24. Oktober 2007
  117. - XII ZR 155/05 -).
  118. -7-
  119. c) Danach steht dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c.
  120. 12
  121. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB) zu, den er der geltend gemachten
  122. Mietzinsforderung entgegenhalten kann (Senatsurteil vom 10. Januar 2007
  123. aaO). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte
  124. der Beklagte nach ausreichender Aufklärung ein Kraftfahrzeug zum Normaltarif
  125. angemietet und sich damit Kosten in Höhe der Klageforderung erspart.
  126. Hahne
  127. Fuchs
  128. Vézina
  129. Ahlt
  130. Dose
  131. Vorinstanzen:
  132. AG Meißen, Entscheidung vom 11.01.2005 - 11 C 652/04 LG Dresden, Entscheidung vom 15.12.2005 - 8 S 122/05 -