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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 70/09
vom
20. April 2010
in dem Rechtsstreit
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. April 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge und Stöhr und die
Richterin von Pentz
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer
des Landgerichts Hannover vom 25. August 2009 wird auf Kosten
der Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 693,83 €
Gründe:
1
Der Kläger hat wegen ärztlicher Fehlbehandlung Ersatz immateriellen
Schadens begehrt. Die Beklagte ist Trägerin eines Krankenhauses, das in der
Rechtsform einer GmbH geführt wird. Alleingesellschafterin ist die Region H.
, eine kommunale Gebietskörperschaft.
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Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und der Beklagten
60 % der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Beschluss vom 23. Oktober
2008 hat es die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf
877,69 € nebst Zinsen festgesetzt. Der Anlage zu dem Kostenfestsetzungsbeschluss zufolge sind hierin 693,83 € Gerichtskosten enthalten; diese setzen sich
gemäß Kostenrechnung vom 17. Oktober 2008 zusammen aus Verfahrensgebühren sowie Zeugen- und Sachverständigenauslagen.
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Die gegen die Festsetzung der Gerichtskosten im Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beklagte
eine Herabsetzung der von ihr an den Kläger zu erstattenden Kosten auf
183,86 € nebst Zinsen. Sie macht geltend, sie sei als gemeinnützige GmbH,
deren Alleingesellschafterin als kommunale Gebietskörperschaft von den Gerichtsgebühren befreit sei, nach § 2 GKG und nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds.
GGebBefrG ebenfalls von der Zahlung von Gerichtsgebühren befreit. Mit dem
Betrieb von Krankenhäusern werde die Region H.
in Erfüllung einer öf-
fentlich-rechtlichen Aufgabe (§ 1 Nds. KHG) tätig, die sie durch die Beklagte als
ihre 100%ige Tochter wahrnehme. Deshalb sei auch diese von der Tragung von
Gerichtsgebühren vollständig befreit.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und
auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zutreffend
hat das Beschwerdegericht eine Befreiung der Beklagten von der Zahlung der
Gerichtskosten und -gebühren verneint.
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1. Eine Kostenbefreiung der von der Region H.
als Alleingesell-
schafterin betriebenen beklagten GmbH nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG kommt
nicht in Betracht. Insoweit fehlt es bereits an einer Kostenfreiheit der Gebietskörperschaft Region H.
meinden des Landkreises H.
. Diese ist als Gemeindeverband aus den Geund der Landeshauptstadt H.
bildet worden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Region H.
gevom
5. Juni 2001, Nds. GVBl. S. 348). Ein Gemeindeverband genießt indessen keine Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG, denn diese Vorschrift erfasst
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ihrem Wortlaut nach nur den Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und
Kassen. Eine erweiternde Auslegung ist nicht geboten (BGH, Beschluss vom
5. Mai 1977 - VII ZR 181/76 - NJW 1977, 2317; vgl. auch OLG Hamm, Rpfleger
1983, 503, 504). Eine Kostenbefreiung einer von dem Gemeindeverband als
Alleingesellschafter geführten Kapitalgesellschaft - wie es die Beklagte ist kann aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG erst recht nicht hergeleitet werden.
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2. Eine Gebührenbefreiung der Beklagten folgt auch nicht daraus, dass
die Region H.
nach niedersächsischem Landesrecht teilweise gebüh-
renbefreit ist. Von der in § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG getroffenen Regelung bleiben
nach § 2 Abs. 3 Satz 2 GKG landesrechtliche Vorschriften unberührt, die in weiteren Fällen eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewähren.
So bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Gebührenbefreiung, Stundung
und Erlass von Kosten in der Gerichtsbarkeit vom 10. April 1973 (Nds.
GGebBefrG, Nds. GVBl. S. 111), dass vor den ordentlichen Gerichten in Zivilsachen Gemeinden, Landkreise und kommunale Zusammenschlüsse des öffentlichen Rechts von der Zahlung der Gebühren befreit sind, soweit die Angelegenheit nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betrifft. Ähnliche Bestimmungen finden sich in der Kostengesetzgebung anderer Bundesländer bzw. Stadtstaaten (Übersicht bei Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 2 GKG, Rn. 15).
Bedienen sich die genannten öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften zur
Erfüllung ihrer Aufgaben - wie hier der Krankenhausversorgung - indessen einer
privatrechtlichen Form, erstreckt sich die landesrechtlich angeordnete Gebührenfreiheit nicht auf den privaten Rechtsträger.
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a) Die Frage, ob ein von einer Kommune als Alleingesellschafterin in der
Rechtsform einer (gemeinnützigen) GmbH betriebenes Krankenhaus gemäß
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG (oder einer entsprechenden Norm anderer
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Landeskostengesetze) gebührenbefreit ist, wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte allerdings unterschiedlich beurteilt.
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aa) Das Landgericht Braunschweig (Beschluss vom 17. Dezember 2004
- 12 T 1156/04 - juris) und der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle (Beschluss vom 9. Januar 2007 - 23 W 35/06 - juris) bejahen eine Gerichtsgebührenbefreiung mit der Begründung, gemäß § 108 Abs. 3 NGO sei der gemeindliche Betrieb einer Einrichtung des Gesundheitswesens auch dann nicht Gegenstand einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde, wenn hierfür eine
private Rechtsform gewählt werde. Im Übrigen lasse sich die GmbH trotz ihrer
formalrechtlichen Eigenständigkeit ohne durchgreifende Bedenken unter den
Begriff der Gemeinde subsumieren, weil insoweit jedenfalls eine wirtschaftliche
Identität bestehe (OLG Celle, aaO, Rn. 5). Auf den Gesichtspunkt, dass Krankenhäuser unabhängig davon, in welcher Rechtsform sie betrieben würden,
nicht wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinden oder Gemeindeverbände
seien, stellen auch das Oberlandesgericht Karlsruhe (GesR 2007, 602) und das
Oberlandesgericht Stuttgart (OLGR 2009, 35 f.) - jeweils zu § 7 Abs. 1 Nr. 2
LJKG Baden-Württemberg - sowie das Oberlandesgericht Naumburg (Beschluss vom 22. Oktober 2001 - 13 W 235/01 - juris) - zu § 7 Abs. 1 Nr. 2
JKostG LSA - ab.
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bb) Demgegenüber sind der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
(OLGR 2009, 1028) und das Oberlandesgericht Braunschweig (OLGR 2008,
954 f.) der Auffassung, es komme insoweit nicht auf die Frage an, ob der Betrieb eines Krankenhauses zur wirtschaftlichen Betätigung einer Gemeinde zähle. Kapitalgesellschaften des privaten Rechts seien in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds.
GGebBefrG nicht aufgeführt. Diese Vorschrift enthalte eine abschließende Aufzählung und sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen.
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b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Für diese
spricht der klare Gesetzeswortlaut, der nur die kommunalen Gebietskörperschaften als solche, nicht aber von diesen - in welcher Rechtsform auch immer - betriebene Unternehmen nennt. Aus dem Gesamtzusammenhang des § 1
Abs. 1 Nds. GGebBefrG ergibt sich zudem, dass die Gebührenbefreiung auf
(bestimmte) juristische Personen des öffentlichen Rechts beschränkt sein soll.
So hat die Gebührenfreiheit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Nds. GGebBefrG zur
Voraussetzung, dass die dort genannten Kirchen, Universitäten, Forschungseinrichtungen usw. die Rechtsstellung einer Körperschaft, Anstalt bzw. Stiftung
des öffentlichen Rechts haben; bei den in Nr. 4 aufgezählten vier kirchlichen
Einrichtungen (Allgemeiner Hannoverscher Klosterfonds, Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, Domstrukturfonds Verden und Hospitalfonds St. Benedikti
in Lüneburg) handelt es sich sämtlich um öffentlich-rechtliche Stiftungen. Ein
Wille des Landesgesetzgebers, auch juristische Personen des Privatrechts an
der Gebührenbefreiung teilhaben zu lassen, kann dem Gesetzeswortlaut nicht
entnommen werden. Ein solcher Wille ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Danach war Regelungszweck dieses Gesetzes die Rechtsvereinheitlichung angesichts zuvor bestehender unterschiedlicher regionaler Vorschriften des Gebührenbefreiungsrechts in Niedersachsen (Landtagsdrucksache 7/429, S. 6). § 1 Abs. 1 Nr. 2 GGebBefrG bezweckte dabei im Anschluss an
das Preußische Gerichtskostengesetz und das Braunschweigische Kostengesetz - in denen eine sachliche Gebührenfreiheit für einzelne Rechtsgeschäfte
statuiert war, die Aufgaben der Gemeinde betrafen - nunmehr eine allgemeine
Gebührenfreiheit der Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit es sich nicht
um Angelegenheiten ihrer wirtschaftlichen Unternehmen handelt (Landtagsdrucksache 7/429, S. 7). Die in der Gesetzesbegründung angesprochene Regelung der Gebührenfreiheit für Amtshandlungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG
(Landtagsdrucksache 7/429, S. 7) betrifft ebenfalls ausschließlich juristische
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Personen des öffentlichen Rechts. Auch dies spricht dafür, dass der Landesgesetzgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 2 GGebBefrG lediglich solche juristischen Personen
begünstigen wollte.
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Aus dem in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG enthaltenen Zusatz "soweit
die Angelegenheit nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betrifft" folgt nicht
etwa, dass eine - nach den Vorschriften des Kommunalrechts zu beurteilende Einstufung der Krankenhausversorgung als nicht wirtschaftliche Betätigung der
kommunalen Gebietskörperschaften automatisch zu einer Gebührenfreiheit des
Krankenhausbetreibers ungeachtet dessen Rechtsform führt. Der Zusatz ordnet
vielmehr eine sachliche Einschränkung der für Gemeinden, Landkreise und
kommunale Zusammenschlüsse des öffentlichen Rechts statuierten persönlichen Privilegierung dahin ein, dass Gegenstand des Rechtsstreits eine nicht
wirtschaftliche Betätigung einer dieser Gebietskörperschaften bilden muss
(Landtagsdrucksache 7/429, S. 7; OLG Braunschweig, aaO, S. 955). Vorliegend fehlt es dagegen schon an der ersten Voraussetzung, dass es sich bei
dem Gebührenschuldner überhaupt um eine der genannten Gebietskörperschaften handelt. Auf die Frage, ob die Angelegenheit im Streitfall eine nicht
wirtschaftliche Betätigung betrifft, kommt es deshalb nicht mehr an.
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Eine Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG, die den Anwendungsbereich der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus jedenfalls dann auf Privatrechtssubjekte ausdehnt, wenn diese wirtschaftlich mit einer der in der Vorschrift genannten öffentlich-rechtlichen Rechtsträger verflochten sind, widerspräche dem Willen des Gesetzgebers nach einer klaren Beschränkung des
normprivilegierten Personenkreises auf das öffentliche Recht. Sie würde zudem
in den Fällen einer nur anteiligen Beteiligung einer kommunalen Gebietskörperschaft an der Kapitalgesellschaft, die als Partei des Rechtsstreits Gebührenschuldnerin ist, zu die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Abgrenzungs-
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schwierigkeiten führen, bei welchem Anteilsumfang noch von einer wirtschaftlichen Identität zwischen der Kapitalgesellschaft und der an ihr beteiligten Kommune gesprochen werden kann. Die Bejahung der Voraussetzungen des § 1
Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG aufgrund wirtschaftlicher Identität hätte in einem
solchen Fall letztlich zur Folge, dass durch die Gebührenbefreiung auch die
weiteren (u. U. privaten) Gesellschafter der Kapitalgesellschaft staatlich bezuschusst würden und auf diese Weise ein unübersehbarer Personenkreis wirtschaftlich von der Regelung profitieren könnte. Ein solches Ergebnis wollte der
Landesgesetzgeber durch Aufzählung einzelner normprivilegierter Personen
aber gerade vermeiden.
Angesichts des erkennbaren Willens des Gesetzgebers, den Anwen-
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dungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG auf juristische Personen
des öffentlichen Rechts zu begrenzen, kommt mangels planwidriger Regelungslücke auch keine Analogie zu Gunsten Privater in Betracht. Durch eine analoge
Anwendung der Vorschrift würde hier nicht nur der Kreis der privilegierten Personen in einem Maße ausgedehnt, der mit ihrem Charakter als Ausnahmeregelung nicht vereinbar wäre, sondern auch der Umstand negiert, dass sich die
Kommune bewusst dafür entscheidet, eine Aufgabe der Daseinsvorsorge - wie
hier den Betrieb von Krankenhäusern - durch Gründung einer privatrechtlich
organisierten Einrichtung zu erfüllen, weil sie sich von dieser Rechtsform Vorteile etwa bei der Gestaltung der Vertragsverhältnisse mit den Nutzern oder im
haftungsrechtlichen Bereich verspricht. Dann aber fehlt es nicht nur an der für
eine Gesetzesanalogie erforderlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte, sondern die Kommune muss sich an der von ihr getroffenen Wahl zu Gunsten des
Privatrechts auch insoweit festhalten lassen, als ihr diese im Vergleich zu einem
Verwaltungshandeln in öffentlich-rechtlicher Form im Einzelfall nachteilig sein
kann.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Galke
Wellner
Stöhr
Pauge
von Pentz
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 23.10.2008 - 559 C 12295/07 LG Hannover, Entscheidung vom 25.08.2009 - 19 T 70/08 -