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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VI ZB 70/09
  4. vom
  5. 20. April 2010
  6. in dem Rechtsstreit
  7. - 2 -
  8. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. April 2010 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge und Stöhr und die
  10. Richterin von Pentz
  11. beschlossen:
  12. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer
  13. des Landgerichts Hannover vom 25. August 2009 wird auf Kosten
  14. der Beklagten zurückgewiesen.
  15. Beschwerdewert: 693,83 €
  16. Gründe:
  17. 1
  18. Der Kläger hat wegen ärztlicher Fehlbehandlung Ersatz immateriellen
  19. Schadens begehrt. Die Beklagte ist Trägerin eines Krankenhauses, das in der
  20. Rechtsform einer GmbH geführt wird. Alleingesellschafterin ist die Region H.
  21. , eine kommunale Gebietskörperschaft.
  22. 2
  23. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und der Beklagten
  24. 60 % der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Beschluss vom 23. Oktober
  25. 2008 hat es die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf
  26. 877,69 € nebst Zinsen festgesetzt. Der Anlage zu dem Kostenfestsetzungsbeschluss zufolge sind hierin 693,83 € Gerichtskosten enthalten; diese setzen sich
  27. gemäß Kostenrechnung vom 17. Oktober 2008 zusammen aus Verfahrensgebühren sowie Zeugen- und Sachverständigenauslagen.
  28. - 3 -
  29. 3
  30. Die gegen die Festsetzung der Gerichtskosten im Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg.
  31. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beklagte
  32. eine Herabsetzung der von ihr an den Kläger zu erstattenden Kosten auf
  33. 183,86 € nebst Zinsen. Sie macht geltend, sie sei als gemeinnützige GmbH,
  34. deren Alleingesellschafterin als kommunale Gebietskörperschaft von den Gerichtsgebühren befreit sei, nach § 2 GKG und nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds.
  35. GGebBefrG ebenfalls von der Zahlung von Gerichtsgebühren befreit. Mit dem
  36. Betrieb von Krankenhäusern werde die Region H.
  37. in Erfüllung einer öf-
  38. fentlich-rechtlichen Aufgabe (§ 1 Nds. KHG) tätig, die sie durch die Beklagte als
  39. ihre 100%ige Tochter wahrnehme. Deshalb sei auch diese von der Tragung von
  40. Gerichtsgebühren vollständig befreit.
  41. II.
  42. 4
  43. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und
  44. auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zutreffend
  45. hat das Beschwerdegericht eine Befreiung der Beklagten von der Zahlung der
  46. Gerichtskosten und -gebühren verneint.
  47. 5
  48. 1. Eine Kostenbefreiung der von der Region H.
  49. als Alleingesell-
  50. schafterin betriebenen beklagten GmbH nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG kommt
  51. nicht in Betracht. Insoweit fehlt es bereits an einer Kostenfreiheit der Gebietskörperschaft Region H.
  52. meinden des Landkreises H.
  53. . Diese ist als Gemeindeverband aus den Geund der Landeshauptstadt H.
  54. bildet worden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Region H.
  55. gevom
  56. 5. Juni 2001, Nds. GVBl. S. 348). Ein Gemeindeverband genießt indessen keine Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG, denn diese Vorschrift erfasst
  57. - 4 -
  58. ihrem Wortlaut nach nur den Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und
  59. Kassen. Eine erweiternde Auslegung ist nicht geboten (BGH, Beschluss vom
  60. 5. Mai 1977 - VII ZR 181/76 - NJW 1977, 2317; vgl. auch OLG Hamm, Rpfleger
  61. 1983, 503, 504). Eine Kostenbefreiung einer von dem Gemeindeverband als
  62. Alleingesellschafter geführten Kapitalgesellschaft - wie es die Beklagte ist kann aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG erst recht nicht hergeleitet werden.
  63. 6
  64. 2. Eine Gebührenbefreiung der Beklagten folgt auch nicht daraus, dass
  65. die Region H.
  66. nach niedersächsischem Landesrecht teilweise gebüh-
  67. renbefreit ist. Von der in § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG getroffenen Regelung bleiben
  68. nach § 2 Abs. 3 Satz 2 GKG landesrechtliche Vorschriften unberührt, die in weiteren Fällen eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewähren.
  69. So bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Gebührenbefreiung, Stundung
  70. und Erlass von Kosten in der Gerichtsbarkeit vom 10. April 1973 (Nds.
  71. GGebBefrG, Nds. GVBl. S. 111), dass vor den ordentlichen Gerichten in Zivilsachen Gemeinden, Landkreise und kommunale Zusammenschlüsse des öffentlichen Rechts von der Zahlung der Gebühren befreit sind, soweit die Angelegenheit nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betrifft. Ähnliche Bestimmungen finden sich in der Kostengesetzgebung anderer Bundesländer bzw. Stadtstaaten (Übersicht bei Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 2 GKG, Rn. 15).
  72. Bedienen sich die genannten öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften zur
  73. Erfüllung ihrer Aufgaben - wie hier der Krankenhausversorgung - indessen einer
  74. privatrechtlichen Form, erstreckt sich die landesrechtlich angeordnete Gebührenfreiheit nicht auf den privaten Rechtsträger.
  75. 7
  76. a) Die Frage, ob ein von einer Kommune als Alleingesellschafterin in der
  77. Rechtsform einer (gemeinnützigen) GmbH betriebenes Krankenhaus gemäß
  78. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG (oder einer entsprechenden Norm anderer
  79. - 5 -
  80. Landeskostengesetze) gebührenbefreit ist, wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte allerdings unterschiedlich beurteilt.
  81. 8
  82. aa) Das Landgericht Braunschweig (Beschluss vom 17. Dezember 2004
  83. - 12 T 1156/04 - juris) und der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle (Beschluss vom 9. Januar 2007 - 23 W 35/06 - juris) bejahen eine Gerichtsgebührenbefreiung mit der Begründung, gemäß § 108 Abs. 3 NGO sei der gemeindliche Betrieb einer Einrichtung des Gesundheitswesens auch dann nicht Gegenstand einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde, wenn hierfür eine
  84. private Rechtsform gewählt werde. Im Übrigen lasse sich die GmbH trotz ihrer
  85. formalrechtlichen Eigenständigkeit ohne durchgreifende Bedenken unter den
  86. Begriff der Gemeinde subsumieren, weil insoweit jedenfalls eine wirtschaftliche
  87. Identität bestehe (OLG Celle, aaO, Rn. 5). Auf den Gesichtspunkt, dass Krankenhäuser unabhängig davon, in welcher Rechtsform sie betrieben würden,
  88. nicht wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinden oder Gemeindeverbände
  89. seien, stellen auch das Oberlandesgericht Karlsruhe (GesR 2007, 602) und das
  90. Oberlandesgericht Stuttgart (OLGR 2009, 35 f.) - jeweils zu § 7 Abs. 1 Nr. 2
  91. LJKG Baden-Württemberg - sowie das Oberlandesgericht Naumburg (Beschluss vom 22. Oktober 2001 - 13 W 235/01 - juris) - zu § 7 Abs. 1 Nr. 2
  92. JKostG LSA - ab.
  93. 9
  94. bb) Demgegenüber sind der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
  95. (OLGR 2009, 1028) und das Oberlandesgericht Braunschweig (OLGR 2008,
  96. 954 f.) der Auffassung, es komme insoweit nicht auf die Frage an, ob der Betrieb eines Krankenhauses zur wirtschaftlichen Betätigung einer Gemeinde zähle. Kapitalgesellschaften des privaten Rechts seien in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds.
  97. GGebBefrG nicht aufgeführt. Diese Vorschrift enthalte eine abschließende Aufzählung und sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen.
  98. - 6 -
  99. 10
  100. b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Für diese
  101. spricht der klare Gesetzeswortlaut, der nur die kommunalen Gebietskörperschaften als solche, nicht aber von diesen - in welcher Rechtsform auch immer - betriebene Unternehmen nennt. Aus dem Gesamtzusammenhang des § 1
  102. Abs. 1 Nds. GGebBefrG ergibt sich zudem, dass die Gebührenbefreiung auf
  103. (bestimmte) juristische Personen des öffentlichen Rechts beschränkt sein soll.
  104. So hat die Gebührenfreiheit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Nds. GGebBefrG zur
  105. Voraussetzung, dass die dort genannten Kirchen, Universitäten, Forschungseinrichtungen usw. die Rechtsstellung einer Körperschaft, Anstalt bzw. Stiftung
  106. des öffentlichen Rechts haben; bei den in Nr. 4 aufgezählten vier kirchlichen
  107. Einrichtungen (Allgemeiner Hannoverscher Klosterfonds, Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, Domstrukturfonds Verden und Hospitalfonds St. Benedikti
  108. in Lüneburg) handelt es sich sämtlich um öffentlich-rechtliche Stiftungen. Ein
  109. Wille des Landesgesetzgebers, auch juristische Personen des Privatrechts an
  110. der Gebührenbefreiung teilhaben zu lassen, kann dem Gesetzeswortlaut nicht
  111. entnommen werden. Ein solcher Wille ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Danach war Regelungszweck dieses Gesetzes die Rechtsvereinheitlichung angesichts zuvor bestehender unterschiedlicher regionaler Vorschriften des Gebührenbefreiungsrechts in Niedersachsen (Landtagsdrucksache 7/429, S. 6). § 1 Abs. 1 Nr. 2 GGebBefrG bezweckte dabei im Anschluss an
  112. das Preußische Gerichtskostengesetz und das Braunschweigische Kostengesetz - in denen eine sachliche Gebührenfreiheit für einzelne Rechtsgeschäfte
  113. statuiert war, die Aufgaben der Gemeinde betrafen - nunmehr eine allgemeine
  114. Gebührenfreiheit der Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit es sich nicht
  115. um Angelegenheiten ihrer wirtschaftlichen Unternehmen handelt (Landtagsdrucksache 7/429, S. 7). Die in der Gesetzesbegründung angesprochene Regelung der Gebührenfreiheit für Amtshandlungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG
  116. (Landtagsdrucksache 7/429, S. 7) betrifft ebenfalls ausschließlich juristische
  117. - 7 -
  118. Personen des öffentlichen Rechts. Auch dies spricht dafür, dass der Landesgesetzgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 2 GGebBefrG lediglich solche juristischen Personen
  119. begünstigen wollte.
  120. 11
  121. Aus dem in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG enthaltenen Zusatz "soweit
  122. die Angelegenheit nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betrifft" folgt nicht
  123. etwa, dass eine - nach den Vorschriften des Kommunalrechts zu beurteilende Einstufung der Krankenhausversorgung als nicht wirtschaftliche Betätigung der
  124. kommunalen Gebietskörperschaften automatisch zu einer Gebührenfreiheit des
  125. Krankenhausbetreibers ungeachtet dessen Rechtsform führt. Der Zusatz ordnet
  126. vielmehr eine sachliche Einschränkung der für Gemeinden, Landkreise und
  127. kommunale Zusammenschlüsse des öffentlichen Rechts statuierten persönlichen Privilegierung dahin ein, dass Gegenstand des Rechtsstreits eine nicht
  128. wirtschaftliche Betätigung einer dieser Gebietskörperschaften bilden muss
  129. (Landtagsdrucksache 7/429, S. 7; OLG Braunschweig, aaO, S. 955). Vorliegend fehlt es dagegen schon an der ersten Voraussetzung, dass es sich bei
  130. dem Gebührenschuldner überhaupt um eine der genannten Gebietskörperschaften handelt. Auf die Frage, ob die Angelegenheit im Streitfall eine nicht
  131. wirtschaftliche Betätigung betrifft, kommt es deshalb nicht mehr an.
  132. 12
  133. Eine Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG, die den Anwendungsbereich der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus jedenfalls dann auf Privatrechtssubjekte ausdehnt, wenn diese wirtschaftlich mit einer der in der Vorschrift genannten öffentlich-rechtlichen Rechtsträger verflochten sind, widerspräche dem Willen des Gesetzgebers nach einer klaren Beschränkung des
  134. normprivilegierten Personenkreises auf das öffentliche Recht. Sie würde zudem
  135. in den Fällen einer nur anteiligen Beteiligung einer kommunalen Gebietskörperschaft an der Kapitalgesellschaft, die als Partei des Rechtsstreits Gebührenschuldnerin ist, zu die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Abgrenzungs-
  136. - 8 -
  137. schwierigkeiten führen, bei welchem Anteilsumfang noch von einer wirtschaftlichen Identität zwischen der Kapitalgesellschaft und der an ihr beteiligten Kommune gesprochen werden kann. Die Bejahung der Voraussetzungen des § 1
  138. Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG aufgrund wirtschaftlicher Identität hätte in einem
  139. solchen Fall letztlich zur Folge, dass durch die Gebührenbefreiung auch die
  140. weiteren (u. U. privaten) Gesellschafter der Kapitalgesellschaft staatlich bezuschusst würden und auf diese Weise ein unübersehbarer Personenkreis wirtschaftlich von der Regelung profitieren könnte. Ein solches Ergebnis wollte der
  141. Landesgesetzgeber durch Aufzählung einzelner normprivilegierter Personen
  142. aber gerade vermeiden.
  143. Angesichts des erkennbaren Willens des Gesetzgebers, den Anwen-
  144. 13
  145. dungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds. GGebBefrG auf juristische Personen
  146. des öffentlichen Rechts zu begrenzen, kommt mangels planwidriger Regelungslücke auch keine Analogie zu Gunsten Privater in Betracht. Durch eine analoge
  147. Anwendung der Vorschrift würde hier nicht nur der Kreis der privilegierten Personen in einem Maße ausgedehnt, der mit ihrem Charakter als Ausnahmeregelung nicht vereinbar wäre, sondern auch der Umstand negiert, dass sich die
  148. Kommune bewusst dafür entscheidet, eine Aufgabe der Daseinsvorsorge - wie
  149. hier den Betrieb von Krankenhäusern - durch Gründung einer privatrechtlich
  150. organisierten Einrichtung zu erfüllen, weil sie sich von dieser Rechtsform Vorteile etwa bei der Gestaltung der Vertragsverhältnisse mit den Nutzern oder im
  151. haftungsrechtlichen Bereich verspricht. Dann aber fehlt es nicht nur an der für
  152. eine Gesetzesanalogie erforderlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte, sondern die Kommune muss sich an der von ihr getroffenen Wahl zu Gunsten des
  153. Privatrechts auch insoweit festhalten lassen, als ihr diese im Vergleich zu einem
  154. Verwaltungshandeln in öffentlich-rechtlicher Form im Einzelfall nachteilig sein
  155. kann.
  156. - 9 -
  157. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  158. 14
  159. Galke
  160. Wellner
  161. Stöhr
  162. Pauge
  163. von Pentz
  164. Vorinstanzen:
  165. AG Hannover, Entscheidung vom 23.10.2008 - 559 C 12295/07 LG Hannover, Entscheidung vom 25.08.2009 - 19 T 70/08 -