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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 189/06
Verkündet am:
13. Juli 2007
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2
Auf Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis, die vor dem 31. Dezember 2003 zu
erfüllen waren, ist das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner bis zum 31. Dezember 2002
geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
BGB §§ 585 ff.
Auf die Vereinbarung eines Pflugtauschs finden §§ 585 ff. BGB entsprechende Anwendung, soweit die Ausgestaltung der Gegenleistungsverpflichtung als Verpflichtung zur Besitzüberlassung keine Modifikation gegenüber der Zahlungsverpflichtung
eines Pächters bedingt.
BGH, Urt. v. 13. Juli 2007 - V ZR 189/06 - OLG Jena
LG Mühlhausen
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena
vom 27. Juli 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über den von dem Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch zu dessen Nachteil erkannt
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Landwirt in Thüringen. Am 10. Oktober 1992 schloss er mit
der beklagten Genossenschaft einen Vertrag, auf Grund dessen er der Beklagten von ihm gepachtete Grundstücke zur Bewirtschaftung gegen das Recht zur
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Bewirtschaftung von der Beklagten gepachteter Grundstücke überließ. Zu den
von der Beklagten dem Kläger zur Bewirtschaftung überlassenen Grundstücken
gehörte das 11,95 ha große Flurstück "G.
". Die jeweiligen Ver-
pächter stimmten dem Vertrag zwischen den Parteien zu.
Der Kläger nutzte das Flurstück "G.
2
" als Grünland. Für
diese Nutzung beantragte er bei dem zuständigen Landwirtschaftsamt Förderungsmittel nach dem Thüringischen Programm zur Förderung umweltgerechter
Landwirtschaft, Erhaltung der Kulturlandschaft, Naturschutz und Landschaftspflege. Die Förderung hängt u.a. davon ab, dass die Nutzung als Grünland fünf
Jahre andauert. Die Förderung lief an, der Kläger erhielt 13.133,70 DM Fördermittel.
3
1996 übergab die Beklagte das Flurstück "G.
Landwirt P.
" dem
, der es mit Wintergerste bestellte. Im Hinblick auf diese Be-
stellung widerrief das Landwirtschaftsamt die Förderungsbescheide und verlangte von dem Kläger Rückzahlung der ausgezahlten Fördermittel zuzüglich
Zinsen, insgesamt 14.543,80 DM/7.435,76 €. Mit der Klage verlangt der Kläger
Ersatz des von der Behörde zurückverlangten Betrags und entgangener weiterer 11.599,32 € Fördermittel sowie die Wiedereinräumung des Besitzes an dem
Flurstück "G.
4
".
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat
sie abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der
Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
-4-
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für nicht begründet. Es qualifiziert
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das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien als Pflugtauschvertrag und wendet
auf diesen §§ 585 ff. BGB an. Es meint, die von der Beklagten für 1996 behaupteten mündlichen Kündigungen des Vertrages hätten dessen Bestand unberührt
gelassen, weil die Kündigung gemäß § 594f BGB schriftlich zu erfolgen habe.
Trotzdem sei der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch
nicht begründet. Der Kläger sei nämlich nicht mehr in der Lage gewesen, seine
vertraglichen
Z.
Verpflichtungen
und Ps.
zu
erfüllen,
nachdem
seine
Verpächter
die zwischen ihnen und dem Kläger bestehenden
Pachtverträge über einen Teil der Grundstücke, die er der Beklagten überlassen habe, gekündigt hätten. Damit sei die Beklagte gemäß § 320 BGB berechtigt gewesen, ihre Verpflichtungen aus dem vereinbarten Vertrag zurückzuhalten und das Flurstück "G.
" P.
zu überlassen, nachdem
dieser das Flurstück von dessen Eigentümer gepachtet gehabt habe.
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Die Wiedereinräumung des Besitzes an dem Flurstück könne der Kläger
nicht verlangen, weil die Beklagte mit Schreiben vom 11. Juli 1997 den Vertrag
vom 10. Oktober 1992 und einen möglicherweise am 26. November 1996 zustande gekommenen weiteren Pflugtauschvertrag mit Wirkung zum 31. Dezember 1999 wirksam gekündigt habe.
-5-
II.
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Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.
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1. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist der
von dem Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch nach § 325 Abs. 1 BGB
a.F. begründet.
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a) Auf die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung
Anwendung. Bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Vertrag handelt es
sich zwar um ein Dauerschuldverhältnis, auf das seit dem 1. Januar 2003 das
Bürgerliche Gesetzbuch grundsätzlich in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden
Fassung anzuwenden ist. Dies gilt jedoch nicht für vor dem 1. Januar 2003 beendete Dauerschuldverhältnisse und nicht für Ansprüche aus einem am
1. Januar 2003 fortbestehenden Dauerschuldverhältnis, die vor Ablauf dieses
Tages zu erfüllen waren. Insoweit trifft der Sinn von Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB,
das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner Fassung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auf zuvor begründete Dauerschuldverhältnisse anwendbar zu
machen - und den Parteien eine Frist zur Anpassung der laufenden Pflichten
aus einem Dauerschuldverhältnis auf die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzuräumen - nicht zu (Staudinger/Löwisch, BGB [2003], Art. 229 EGBGB Rdn. 44).
10
b) Das Berufungsgericht hat den Vertrag zwischen den Parteien zutreffend als Pflugtausch qualifiziert und auf diesen §§ 585 ff. BGB angewendet.
Das wird von der Revision nicht beanstandet und lässt einen Rechtsfehler auch
nicht erkennen.
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11
Der Vertrag verpflichtete die Beklagte, dem Kläger den Besitz an den im
Vertrag bezeichneten Grundstücken zur selbständigen Bewirtschaftung zu
überlassen. Die Leistung der Beklagten war nicht unentgeltlich; als Gegenleistung hatte der Kläger der Beklagten vielmehr den Besitz an anderen Grundstücken auf dieselbe Zeit zu überlassen, wie die Beklagte ihm an Grundstücken
aus ihrem Pachtbesitz den unmittelbaren Besitz zu überlassen hatte. Derartige
Verträge sind insbesondere nach der Aufhebung der kollektiven Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in den neuen Ländern üblich
(Staudinger/v. Jeinsen, BGB [2005], § 589 Rdn. 4; Fassbender/Hötzel/
Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 589 BGB Rdn. 7a). Sie werden üblicherweise als Pflugtausch bezeichnet (Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 4. Aufl., § 585 BGB Rdn. 24; Puls, NL-BzAR 2003, 152; ferner BGH, Urteil v. 5. März 1999, LwZR 7/98, VIZ 1999, 1293; OLG Jena OLGR Jena 1999,
59; OLG Naumburg NJW-RR 2000, 388).
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Bei dem Pflugtausch handelt es sich um ein gegenseitiges Vertragsverhältnis, auf das die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts des Bürgerlichen
Gesetzbuchs Anwendung finden. Darüber hinaus finden §§ 585 ff. BGB entsprechende Anwendung, soweit die Ausgestaltung der Gegenleistungsverpflichtung als Verpflichtung zur Besitzüberlassung keine Modifikation gegenüber der
Zahlungsverpflichtung
eines
Pächters
bedingt
(Fassbender/Hötzel/
Lukanow, aaO, § 589 BGB Rdn. 7c). Die Ausgestaltung der Gegenleistungsverpflichtung als Pflicht zur Überlassung des unmittelbaren Besitzes an anderen
Grundstücken macht jede der Vertragsparteien zu Pächtern der ihr überlassenen Grundstücke und zu Verpächtern der als Gegenleistung überlassenen
Grundstücke (vgl. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, aaO, § 585 BGB Rdn. 73;
§ 591b BGB Rdn. 7).
-7-
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c) Entzieht eine der Parteien eines Pflugtauschvertrags der anderen Partei den Besitz an einem der überlassenen Grundstücke, verstößt sie gegen eine
Hauptpflicht aus dem Vertrag und ist daher der anderen Partei nach § 325
Abs. 1 BGB a.F. zum Ersatz verpflichtet, sofern dieser aus der Besitzentziehung ein Schaden entsteht. So verhält es sich nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers.
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Die Frage eines Zurückbehaltungsrechts der Beklagten gemäß § 320
Abs. 1 Satz 1 BGB stellt sich insoweit nicht. Die Vorschrift berechtigt Parteien
eines gegenseitigen Vertrages, ihre Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zurückzubehalten. Einen Anspruch auf Rückgabe einer erbrachten Leistung oder gar das Recht zur eigenmächtigen Rücknahme gewährt die Bestimmung nicht.
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Ein Mangel der Berechtigung des Klägers zum fortdauernden Besitz einzelner an die Beklagte überlassener Grundstücke gegenüber seinen Verpächtern führt auch nicht dazu, dass der Kläger seine Leistungsverpflichtung gegenüber der Beklagten nicht erfüllt hätte, solange die Beklagte diese Grundstücke
nicht gemäß § 596 Abs. 3 BGB an die Verpächter des Klägers herauszugeben
hat. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte nutze die ihr von ihm aufgrund des Pflugtauschvertrags überlassenen Grundstücke weiterhin; eine Einlassung der Beklagten auf dieses Vorbringen fehlt.
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d) Trotzdem kann der Senat über den von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht abschließend entscheiden. Die Beklagte hat
in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht behauptet, der von
dem Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch sei gepfändet und einem
Gläubiger des Klägers zur Einziehung überwiesen worden. Zu dieser Behaup-
-8-
tung hat der Kläger einen Schriftsatznachlass beantragt, was das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - verweigert hat.
2. Die Revision ist nicht begründet, soweit das Berufungsgericht einen
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vertraglichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint hat, ihm den
Besitz an dem Flurstück "G.
" wieder zu überlassen. Dieser An-
spruch scheitert an der Kündigung des Pflugtauschvertrages durch die Beklagte.
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Pflugtauschverträge werden zur Sicherung einer Fruchtfolge oder zur Arrondierung von Betriebsflächen geschlossen (Puls, NL-BzAR 2003, 152). Im
ersteren Fall werden sie üblicherweise auf kurze Zeit oder unbefristet mit der
Möglichkeit der Kündigung entsprechend § 594a BGB geschlossen. Soll der
Pflugtausch dagegen zur Arrondierung der Betriebsfläche einer Vertragspartei
dienen, kommt dem Interesse an der Sicherung des Flächenbestands besondere Bedeutung zu. In diesem Fall wird der Pflugtausch üblicherweise auf lange
Dauer vereinbart (Puls, aaO, 153).
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Hierzu hat der Kläger behauptet, der Vertrag vom 10. Oktober 1992 habe
der Arrondierung seiner Betriebsfläche gedient. Durch Ziff. 2 des Vertrages,
nach welcher "der Flächentausch so lange Gültigkeit … (habe), bis durch eine
Flurneuordnung eine endgültige Festlegung" erfolge, sei das Recht zur ordentlichen Kündigung des Vertrages ausgeschlossen worden.
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Im Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger indessen eine weitere, auf
den 26. November 1996 datierte Fassung des Pflugtauchvertrags vorgelegt,
nach welcher die "Laufzeit (des Vertrages) auf ein oder mehrere Jahre befristet"
ist. Der einer ordentlichen Kündigung nicht zugängliche Pflugtauschvertrag vom
-9-
10. Oktober 1992 ist hiernach durch einen jährlich kündbaren Vertrag abgelöst
worden. Diesen Vortrag des Klägers hat sich die Beklagte zu Eigen gemacht.
Damit aber ist die Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden,
das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei aufgrund der schriftlichen
Kündigung der Beklagten vom 11. Juli 1997 in entsprechender Anwendung von
§ 594a Abs. 1 BGB seit Ablauf des 31. Dezember 1999 beendet.
Krüger
Klein
Schmidt-Räntsch
Lemke
Roth
Vorinstanzen:
LG Mühlhausen, Entscheidung vom 16.12.2004 - 5 O 418/02 OLG Jena, Entscheidung vom 27.07.2006 - 1 U 65/05 -