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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 189/06
  5. Verkündet am:
  6. 13. Juli 2007
  7. Weschenfelder,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2
  19. Auf Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis, die vor dem 31. Dezember 2003 zu
  20. erfüllen waren, ist das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner bis zum 31. Dezember 2002
  21. geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
  22. BGB §§ 585 ff.
  23. Auf die Vereinbarung eines Pflugtauschs finden §§ 585 ff. BGB entsprechende Anwendung, soweit die Ausgestaltung der Gegenleistungsverpflichtung als Verpflichtung zur Besitzüberlassung keine Modifikation gegenüber der Zahlungsverpflichtung
  24. eines Pächters bedingt.
  25. BGH, Urt. v. 13. Juli 2007 - V ZR 189/06 - OLG Jena
  26. LG Mühlhausen
  27. -2-
  28. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 13. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
  30. Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena
  33. vom 27. Juli 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über den von dem Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch zu dessen Nachteil erkannt
  34. worden ist.
  35. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen
  36. Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
  37. des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  38. Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Tatbestand:
  41. 1
  42. Der Kläger ist Landwirt in Thüringen. Am 10. Oktober 1992 schloss er mit
  43. der beklagten Genossenschaft einen Vertrag, auf Grund dessen er der Beklagten von ihm gepachtete Grundstücke zur Bewirtschaftung gegen das Recht zur
  44. -3-
  45. Bewirtschaftung von der Beklagten gepachteter Grundstücke überließ. Zu den
  46. von der Beklagten dem Kläger zur Bewirtschaftung überlassenen Grundstücken
  47. gehörte das 11,95 ha große Flurstück "G.
  48. ". Die jeweiligen Ver-
  49. pächter stimmten dem Vertrag zwischen den Parteien zu.
  50. Der Kläger nutzte das Flurstück "G.
  51. 2
  52. " als Grünland. Für
  53. diese Nutzung beantragte er bei dem zuständigen Landwirtschaftsamt Förderungsmittel nach dem Thüringischen Programm zur Förderung umweltgerechter
  54. Landwirtschaft, Erhaltung der Kulturlandschaft, Naturschutz und Landschaftspflege. Die Förderung hängt u.a. davon ab, dass die Nutzung als Grünland fünf
  55. Jahre andauert. Die Förderung lief an, der Kläger erhielt 13.133,70 DM Fördermittel.
  56. 3
  57. 1996 übergab die Beklagte das Flurstück "G.
  58. Landwirt P.
  59. " dem
  60. , der es mit Wintergerste bestellte. Im Hinblick auf diese Be-
  61. stellung widerrief das Landwirtschaftsamt die Förderungsbescheide und verlangte von dem Kläger Rückzahlung der ausgezahlten Fördermittel zuzüglich
  62. Zinsen, insgesamt 14.543,80 DM/7.435,76 €. Mit der Klage verlangt der Kläger
  63. Ersatz des von der Behörde zurückverlangten Betrags und entgangener weiterer 11.599,32 € Fördermittel sowie die Wiedereinräumung des Besitzes an dem
  64. Flurstück "G.
  65. 4
  66. ".
  67. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat
  68. sie abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der
  69. Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  70. -4-
  71. Entscheidungsgründe:
  72. I.
  73. Das Berufungsgericht hält die Klage für nicht begründet. Es qualifiziert
  74. 5
  75. das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien als Pflugtauschvertrag und wendet
  76. auf diesen §§ 585 ff. BGB an. Es meint, die von der Beklagten für 1996 behaupteten mündlichen Kündigungen des Vertrages hätten dessen Bestand unberührt
  77. gelassen, weil die Kündigung gemäß § 594f BGB schriftlich zu erfolgen habe.
  78. Trotzdem sei der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch
  79. nicht begründet. Der Kläger sei nämlich nicht mehr in der Lage gewesen, seine
  80. vertraglichen
  81. Z.
  82. Verpflichtungen
  83. und Ps.
  84. zu
  85. erfüllen,
  86. nachdem
  87. seine
  88. Verpächter
  89. die zwischen ihnen und dem Kläger bestehenden
  90. Pachtverträge über einen Teil der Grundstücke, die er der Beklagten überlassen habe, gekündigt hätten. Damit sei die Beklagte gemäß § 320 BGB berechtigt gewesen, ihre Verpflichtungen aus dem vereinbarten Vertrag zurückzuhalten und das Flurstück "G.
  91. " P.
  92. zu überlassen, nachdem
  93. dieser das Flurstück von dessen Eigentümer gepachtet gehabt habe.
  94. 6
  95. Die Wiedereinräumung des Besitzes an dem Flurstück könne der Kläger
  96. nicht verlangen, weil die Beklagte mit Schreiben vom 11. Juli 1997 den Vertrag
  97. vom 10. Oktober 1992 und einen möglicherweise am 26. November 1996 zustande gekommenen weiteren Pflugtauschvertrag mit Wirkung zum 31. Dezember 1999 wirksam gekündigt habe.
  98. -5-
  99. II.
  100. 7
  101. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.
  102. 8
  103. 1. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist der
  104. von dem Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch nach § 325 Abs. 1 BGB
  105. a.F. begründet.
  106. 9
  107. a) Auf die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung
  108. Anwendung. Bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Vertrag handelt es
  109. sich zwar um ein Dauerschuldverhältnis, auf das seit dem 1. Januar 2003 das
  110. Bürgerliche Gesetzbuch grundsätzlich in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden
  111. Fassung anzuwenden ist. Dies gilt jedoch nicht für vor dem 1. Januar 2003 beendete Dauerschuldverhältnisse und nicht für Ansprüche aus einem am
  112. 1. Januar 2003 fortbestehenden Dauerschuldverhältnis, die vor Ablauf dieses
  113. Tages zu erfüllen waren. Insoweit trifft der Sinn von Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB,
  114. das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner Fassung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auf zuvor begründete Dauerschuldverhältnisse anwendbar zu
  115. machen - und den Parteien eine Frist zur Anpassung der laufenden Pflichten
  116. aus einem Dauerschuldverhältnis auf die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene
  117. Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzuräumen - nicht zu (Staudinger/Löwisch, BGB [2003], Art. 229 EGBGB Rdn. 44).
  118. 10
  119. b) Das Berufungsgericht hat den Vertrag zwischen den Parteien zutreffend als Pflugtausch qualifiziert und auf diesen §§ 585 ff. BGB angewendet.
  120. Das wird von der Revision nicht beanstandet und lässt einen Rechtsfehler auch
  121. nicht erkennen.
  122. -6-
  123. 11
  124. Der Vertrag verpflichtete die Beklagte, dem Kläger den Besitz an den im
  125. Vertrag bezeichneten Grundstücken zur selbständigen Bewirtschaftung zu
  126. überlassen. Die Leistung der Beklagten war nicht unentgeltlich; als Gegenleistung hatte der Kläger der Beklagten vielmehr den Besitz an anderen Grundstücken auf dieselbe Zeit zu überlassen, wie die Beklagte ihm an Grundstücken
  127. aus ihrem Pachtbesitz den unmittelbaren Besitz zu überlassen hatte. Derartige
  128. Verträge sind insbesondere nach der Aufhebung der kollektiven Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in den neuen Ländern üblich
  129. (Staudinger/v. Jeinsen, BGB [2005], § 589 Rdn. 4; Fassbender/Hötzel/
  130. Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 589 BGB Rdn. 7a). Sie werden üblicherweise als Pflugtausch bezeichnet (Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 4. Aufl., § 585 BGB Rdn. 24; Puls, NL-BzAR 2003, 152; ferner BGH, Urteil v. 5. März 1999, LwZR 7/98, VIZ 1999, 1293; OLG Jena OLGR Jena 1999,
  131. 59; OLG Naumburg NJW-RR 2000, 388).
  132. 12
  133. Bei dem Pflugtausch handelt es sich um ein gegenseitiges Vertragsverhältnis, auf das die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts des Bürgerlichen
  134. Gesetzbuchs Anwendung finden. Darüber hinaus finden §§ 585 ff. BGB entsprechende Anwendung, soweit die Ausgestaltung der Gegenleistungsverpflichtung als Verpflichtung zur Besitzüberlassung keine Modifikation gegenüber der
  135. Zahlungsverpflichtung
  136. eines
  137. Pächters
  138. bedingt
  139. (Fassbender/Hötzel/
  140. Lukanow, aaO, § 589 BGB Rdn. 7c). Die Ausgestaltung der Gegenleistungsverpflichtung als Pflicht zur Überlassung des unmittelbaren Besitzes an anderen
  141. Grundstücken macht jede der Vertragsparteien zu Pächtern der ihr überlassenen Grundstücke und zu Verpächtern der als Gegenleistung überlassenen
  142. Grundstücke (vgl. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, aaO, § 585 BGB Rdn. 73;
  143. § 591b BGB Rdn. 7).
  144. -7-
  145. 13
  146. c) Entzieht eine der Parteien eines Pflugtauschvertrags der anderen Partei den Besitz an einem der überlassenen Grundstücke, verstößt sie gegen eine
  147. Hauptpflicht aus dem Vertrag und ist daher der anderen Partei nach § 325
  148. Abs. 1 BGB a.F. zum Ersatz verpflichtet, sofern dieser aus der Besitzentziehung ein Schaden entsteht. So verhält es sich nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers.
  149. 14
  150. Die Frage eines Zurückbehaltungsrechts der Beklagten gemäß § 320
  151. Abs. 1 Satz 1 BGB stellt sich insoweit nicht. Die Vorschrift berechtigt Parteien
  152. eines gegenseitigen Vertrages, ihre Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zurückzubehalten. Einen Anspruch auf Rückgabe einer erbrachten Leistung oder gar das Recht zur eigenmächtigen Rücknahme gewährt die Bestimmung nicht.
  153. 15
  154. Ein Mangel der Berechtigung des Klägers zum fortdauernden Besitz einzelner an die Beklagte überlassener Grundstücke gegenüber seinen Verpächtern führt auch nicht dazu, dass der Kläger seine Leistungsverpflichtung gegenüber der Beklagten nicht erfüllt hätte, solange die Beklagte diese Grundstücke
  155. nicht gemäß § 596 Abs. 3 BGB an die Verpächter des Klägers herauszugeben
  156. hat. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte nutze die ihr von ihm aufgrund des Pflugtauschvertrags überlassenen Grundstücke weiterhin; eine Einlassung der Beklagten auf dieses Vorbringen fehlt.
  157. 16
  158. d) Trotzdem kann der Senat über den von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht abschließend entscheiden. Die Beklagte hat
  159. in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht behauptet, der von
  160. dem Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch sei gepfändet und einem
  161. Gläubiger des Klägers zur Einziehung überwiesen worden. Zu dieser Behaup-
  162. -8-
  163. tung hat der Kläger einen Schriftsatznachlass beantragt, was das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - verweigert hat.
  164. 2. Die Revision ist nicht begründet, soweit das Berufungsgericht einen
  165. 17
  166. vertraglichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint hat, ihm den
  167. Besitz an dem Flurstück "G.
  168. " wieder zu überlassen. Dieser An-
  169. spruch scheitert an der Kündigung des Pflugtauschvertrages durch die Beklagte.
  170. 18
  171. Pflugtauschverträge werden zur Sicherung einer Fruchtfolge oder zur Arrondierung von Betriebsflächen geschlossen (Puls, NL-BzAR 2003, 152). Im
  172. ersteren Fall werden sie üblicherweise auf kurze Zeit oder unbefristet mit der
  173. Möglichkeit der Kündigung entsprechend § 594a BGB geschlossen. Soll der
  174. Pflugtausch dagegen zur Arrondierung der Betriebsfläche einer Vertragspartei
  175. dienen, kommt dem Interesse an der Sicherung des Flächenbestands besondere Bedeutung zu. In diesem Fall wird der Pflugtausch üblicherweise auf lange
  176. Dauer vereinbart (Puls, aaO, 153).
  177. 19
  178. Hierzu hat der Kläger behauptet, der Vertrag vom 10. Oktober 1992 habe
  179. der Arrondierung seiner Betriebsfläche gedient. Durch Ziff. 2 des Vertrages,
  180. nach welcher "der Flächentausch so lange Gültigkeit … (habe), bis durch eine
  181. Flurneuordnung eine endgültige Festlegung" erfolge, sei das Recht zur ordentlichen Kündigung des Vertrages ausgeschlossen worden.
  182. 20
  183. Im Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger indessen eine weitere, auf
  184. den 26. November 1996 datierte Fassung des Pflugtauchvertrags vorgelegt,
  185. nach welcher die "Laufzeit (des Vertrages) auf ein oder mehrere Jahre befristet"
  186. ist. Der einer ordentlichen Kündigung nicht zugängliche Pflugtauschvertrag vom
  187. -9-
  188. 10. Oktober 1992 ist hiernach durch einen jährlich kündbaren Vertrag abgelöst
  189. worden. Diesen Vortrag des Klägers hat sich die Beklagte zu Eigen gemacht.
  190. Damit aber ist die Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden,
  191. das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei aufgrund der schriftlichen
  192. Kündigung der Beklagten vom 11. Juli 1997 in entsprechender Anwendung von
  193. § 594a Abs. 1 BGB seit Ablauf des 31. Dezember 1999 beendet.
  194. Krüger
  195. Klein
  196. Schmidt-Räntsch
  197. Lemke
  198. Roth
  199. Vorinstanzen:
  200. LG Mühlhausen, Entscheidung vom 16.12.2004 - 5 O 418/02 OLG Jena, Entscheidung vom 27.07.2006 - 1 U 65/05 -