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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 156/09
vom
8. Februar 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 42 Abs. 2; ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1
a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die
sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das
abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn
die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über
Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige
Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind.
b) Vereinsvorstände haften nicht analog § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1
GmbHG n.F.), § 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 92 Abs. 3 AktG, § 99 Abs. 2 i.V.m. § 34
Abs. 3 Nr. 4 GenG für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins. § 42 Abs. 2 BGB enthält keine "planwidrige" Regelungslücke,
die eine analoge Anwendung der genannten Vorschrift möglich oder erforderlich
machen würde.
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 156/09 - OLG Karlsruhe in Freiburg
LG Offenburg
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. Februar 2010 durch
den
Vorsitzenden
Richter
Prof. Dr. Goette
und
die
Richter
Caliebe,
Dr. Drescher, Dr. Löffler und Bender
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. Juni 2009 durch Beschluss gemäß
§ 552 a ZPO zurückzuweisen.
Streitwert: 186.736,55 €
Gründe:
1
Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Revision des Klägers hat auch
keine Aussicht auf Erfolg.
2
1. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist
die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts geboten.
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a) aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat
eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in
einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (siehe grundlegend hierzu BGHZ 151, 221, 223 f.; 154, 288, 291 ff.). Klärungsbedürftig ist eine
-3-
Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift
Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die
Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der
Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (s. MünchKommZPO/
Wenzel 3. Aufl. § 543 Rdn. 7; Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl. § 543 Rdn. 5 a, jew.
m.w.Nachw.). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar
begründet sind (s. nur BVerfG, NJW-RR 2009, 1026 Tz. 14).
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bb) Danach hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die
Frage, ob Vereinsvorstände analog §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1
GmbHG n.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3
Nr. 4 GenG für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife
des Vereins haften, ist - jedenfalls jetzt - nicht mehr klärungsbedürftig, sondern
nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten.
5
Die vereinzelt in der Literatur (Passarge, ZInsO 2005, 176; ders.
NZG 2008, 605; Wischemeyer, DZWIR 2005, 230; ihnen regelmäßig ohne eigene Begründung folgend MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 64 Rdn. 17;
ebenso Werner, ZEV 2009, 366, 369 f.; Roth/Knof, KTS 2009, 173, 179 f.; Hirte,
FS Werner, 222, 228 - letztere alle für Stiftungsvorstände) reklamierte "planwidrige" Regelungslücke in § 42 Abs. 2 BGB besteht de lege lata offensichtlich
nicht. Ihr angebliches Vorhandensein war auf der Grundlage des geltenden
Rechts vom Gesetzgeber selbst spätestens schon widerlegt worden, als dieser
- mit entsprechender Begründung (BT-Drucks. 16/6140 S. 55) - § 42 Abs. 2
BGB unverändert ließ, als § 15 a InsO geschaffen wurde (s. hierzu auch
Haas/Goetsch in Beuthin/Gummert, MünchHdB GesR Bd. 5, 3. Aufl. § 60
-4-
Rdn. 41); erst Recht ist die These von der "planwidrigen" Regelungslücke unvertretbar geworden, als der Gesetzgeber seine gegenteiligen Vorstellungen
durch das "Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereins- und Stiftungsvorständen" vom 28. September 2009 (BGBl. I, 3161) zum
Ausdruck gebracht hat: Der Gesetzgeber hält die ehrenamtliche Tätigkeit der
Bevölkerung für das Gemeinwesen für unabdingbar, er will sie fördern und hat
zu diesem Zweck als Reaktion auf die negativen Folgen der Haftungsrisiken
ehrenamtlich tätiger Vereinsvorstände für die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland mit diesem Gesetz Haftungserleichterungen
geschaffen mit dem Ziel, die Haftungsrisiken der Vorstände auf ein zumutbares
Maß zu begrenzen (BT-Drucks. 16/10120, S. 1, 6; BT-Drucks. 16/13537, S. 1).
Auch wenn der durch das genannte Gesetz mit Wirkung ab 3. Oktober 2009
eingefügte § 31 a BGB die hier zugrunde liegende Haftungsproblematik nicht
unmittelbar betrifft, so spricht doch der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des
Gesetzgebers eine eindeutige Sprache gegen eine Ausdehnung der Haftung
von Vereinsvorständen (ebenso Klasen, BB 2009, 690; Hangebrauck,
EWiR 2009, 699; Kunkel, jurisPR-HaGesR 8/2009 Anm. 3). Denn damit stünde
die gesetzlich nicht fundierte Haftung für Masseschmälerungen - sie passt ohnehin schwerlich zur Struktur eines Vereins, der anders als GmbH oder Aktiengesellschaft keine Kapitalschutzregeln kennt - in einen unauflösbaren Wertungswiderspruch. Mit Recht wird deswegen de lege lata eine Massesicherungspflicht von Vereinsvorständen und eine Haftung für Masseschmälerungen
im Schrifttum abgelehnt (vgl. Koza, DZWIR 2008, 98; Roth, EWiR 2009, 331;
Umbeck, GWR 2009, 10; Kunkel aaO; Klasen aaO; Hangebrauck aaO; eine
Analogie ebenfalls ablehnend Erman/H.P.Westermann, BGB 12. Aufl. § 42
Rdn. 6; Schwarz/Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB-BeckOK § 42 Rdn. 9;
Palandt/Ellenberger,
BGB
Beuthin/Gummert aaO).
69. Aufl.
§ 42
Rdn. 4;
Haas/Goetsch
in
-5-
6
Diese klarstellende Wertentscheidung des Gesetzgebers konnte das Berufungsgericht bei seiner Zulassungsentscheidung, die vor dem 28. September
2009 ergangen ist, noch nicht berücksichtigen.
7
Ob de lege ferenda eine Haftung für masseschmälernde Zahlungen nach
Insolvenzreife, die allenfalls für sog. "großwirtschaftliche Vereine" und Stiftungen ernsthaft diskutiert werden könnte, sinnvoll sein kann, hat der Senat nicht
zu entscheiden.
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b) Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts scheidet schon
deswegen aus, weil die Bejahung einer Analogie zu den gesetzlich geregelten,
auf ganz andere Verhältnisse zugeschnittenen Fällen auf eine Rechtsfortbildung
contra legem hinausliefe.
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9
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg, da das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten für masseschmälernde Zahlungen wegen Fehlens einer Anspruchsgrundlage zutreffend abgelehnt hat.
Goette
Caliebe
Löffler
Drescher
Bender
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Offenburg, Entscheidung vom 25.07.2007 - 2 O 224/06 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 19.06.2009 - 14 U 137/07 -