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7.7 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. II ZR 156/09
  4. vom
  5. 8. Februar 2010
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 42 Abs. 2; ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1
  14. a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die
  15. sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das
  16. abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn
  17. die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über
  18. Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige
  19. Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind.
  20. b) Vereinsvorstände haften nicht analog § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1
  21. GmbHG n.F.), § 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 92 Abs. 3 AktG, § 99 Abs. 2 i.V.m. § 34
  22. Abs. 3 Nr. 4 GenG für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins. § 42 Abs. 2 BGB enthält keine "planwidrige" Regelungslücke,
  23. die eine analoge Anwendung der genannten Vorschrift möglich oder erforderlich
  24. machen würde.
  25. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 156/09 - OLG Karlsruhe in Freiburg
  26. LG Offenburg
  27. -2-
  28. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. Februar 2010 durch
  29. den
  30. Vorsitzenden
  31. Richter
  32. Prof. Dr. Goette
  33. und
  34. die
  35. Richter
  36. Caliebe,
  37. Dr. Drescher, Dr. Löffler und Bender
  38. einstimmig beschlossen:
  39. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. Juni 2009 durch Beschluss gemäß
  40. § 552 a ZPO zurückzuweisen.
  41. Streitwert: 186.736,55 €
  42. Gründe:
  43. 1
  44. Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Revision des Klägers hat auch
  45. keine Aussicht auf Erfolg.
  46. 2
  47. 1. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist
  48. die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts geboten.
  49. 3
  50. a) aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat
  51. eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in
  52. einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (siehe grundlegend hierzu BGHZ 151, 221, 223 f.; 154, 288, 291 ff.). Klärungsbedürftig ist eine
  53. -3-
  54. Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift
  55. Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die
  56. Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der
  57. Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (s. MünchKommZPO/
  58. Wenzel 3. Aufl. § 543 Rdn. 7; Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl. § 543 Rdn. 5 a, jew.
  59. m.w.Nachw.). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar
  60. begründet sind (s. nur BVerfG, NJW-RR 2009, 1026 Tz. 14).
  61. 4
  62. bb) Danach hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die
  63. Frage, ob Vereinsvorstände analog §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1
  64. GmbHG n.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3
  65. Nr. 4 GenG für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife
  66. des Vereins haften, ist - jedenfalls jetzt - nicht mehr klärungsbedürftig, sondern
  67. nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten.
  68. 5
  69. Die vereinzelt in der Literatur (Passarge, ZInsO 2005, 176; ders.
  70. NZG 2008, 605; Wischemeyer, DZWIR 2005, 230; ihnen regelmäßig ohne eigene Begründung folgend MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 64 Rdn. 17;
  71. ebenso Werner, ZEV 2009, 366, 369 f.; Roth/Knof, KTS 2009, 173, 179 f.; Hirte,
  72. FS Werner, 222, 228 - letztere alle für Stiftungsvorstände) reklamierte "planwidrige" Regelungslücke in § 42 Abs. 2 BGB besteht de lege lata offensichtlich
  73. nicht. Ihr angebliches Vorhandensein war auf der Grundlage des geltenden
  74. Rechts vom Gesetzgeber selbst spätestens schon widerlegt worden, als dieser
  75. - mit entsprechender Begründung (BT-Drucks. 16/6140 S. 55) - § 42 Abs. 2
  76. BGB unverändert ließ, als § 15 a InsO geschaffen wurde (s. hierzu auch
  77. Haas/Goetsch in Beuthin/Gummert, MünchHdB GesR Bd. 5, 3. Aufl. § 60
  78. -4-
  79. Rdn. 41); erst Recht ist die These von der "planwidrigen" Regelungslücke unvertretbar geworden, als der Gesetzgeber seine gegenteiligen Vorstellungen
  80. durch das "Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereins- und Stiftungsvorständen" vom 28. September 2009 (BGBl. I, 3161) zum
  81. Ausdruck gebracht hat: Der Gesetzgeber hält die ehrenamtliche Tätigkeit der
  82. Bevölkerung für das Gemeinwesen für unabdingbar, er will sie fördern und hat
  83. zu diesem Zweck als Reaktion auf die negativen Folgen der Haftungsrisiken
  84. ehrenamtlich tätiger Vereinsvorstände für die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland mit diesem Gesetz Haftungserleichterungen
  85. geschaffen mit dem Ziel, die Haftungsrisiken der Vorstände auf ein zumutbares
  86. Maß zu begrenzen (BT-Drucks. 16/10120, S. 1, 6; BT-Drucks. 16/13537, S. 1).
  87. Auch wenn der durch das genannte Gesetz mit Wirkung ab 3. Oktober 2009
  88. eingefügte § 31 a BGB die hier zugrunde liegende Haftungsproblematik nicht
  89. unmittelbar betrifft, so spricht doch der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des
  90. Gesetzgebers eine eindeutige Sprache gegen eine Ausdehnung der Haftung
  91. von Vereinsvorständen (ebenso Klasen, BB 2009, 690; Hangebrauck,
  92. EWiR 2009, 699; Kunkel, jurisPR-HaGesR 8/2009 Anm. 3). Denn damit stünde
  93. die gesetzlich nicht fundierte Haftung für Masseschmälerungen - sie passt ohnehin schwerlich zur Struktur eines Vereins, der anders als GmbH oder Aktiengesellschaft keine Kapitalschutzregeln kennt - in einen unauflösbaren Wertungswiderspruch. Mit Recht wird deswegen de lege lata eine Massesicherungspflicht von Vereinsvorständen und eine Haftung für Masseschmälerungen
  94. im Schrifttum abgelehnt (vgl. Koza, DZWIR 2008, 98; Roth, EWiR 2009, 331;
  95. Umbeck, GWR 2009, 10; Kunkel aaO; Klasen aaO; Hangebrauck aaO; eine
  96. Analogie ebenfalls ablehnend Erman/H.P.Westermann, BGB 12. Aufl. § 42
  97. Rdn. 6; Schwarz/Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB-BeckOK § 42 Rdn. 9;
  98. Palandt/Ellenberger,
  99. BGB
  100. Beuthin/Gummert aaO).
  101. 69. Aufl.
  102. § 42
  103. Rdn. 4;
  104. Haas/Goetsch
  105. in
  106. -5-
  107. 6
  108. Diese klarstellende Wertentscheidung des Gesetzgebers konnte das Berufungsgericht bei seiner Zulassungsentscheidung, die vor dem 28. September
  109. 2009 ergangen ist, noch nicht berücksichtigen.
  110. 7
  111. Ob de lege ferenda eine Haftung für masseschmälernde Zahlungen nach
  112. Insolvenzreife, die allenfalls für sog. "großwirtschaftliche Vereine" und Stiftungen ernsthaft diskutiert werden könnte, sinnvoll sein kann, hat der Senat nicht
  113. zu entscheiden.
  114. 8
  115. b) Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts scheidet schon
  116. deswegen aus, weil die Bejahung einer Analogie zu den gesetzlich geregelten,
  117. auf ganz andere Verhältnisse zugeschnittenen Fällen auf eine Rechtsfortbildung
  118. contra legem hinausliefe.
  119. -6-
  120. 9
  121. 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg, da das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten für masseschmälernde Zahlungen wegen Fehlens einer Anspruchsgrundlage zutreffend abgelehnt hat.
  122. Goette
  123. Caliebe
  124. Löffler
  125. Drescher
  126. Bender
  127. Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
  128. Vorinstanzen:
  129. LG Offenburg, Entscheidung vom 25.07.2007 - 2 O 224/06 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 19.06.2009 - 14 U 137/07 -