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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 65/15
vom
28. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Vergewaltigung
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2015,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
- in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und
Rechtsanwalt
, beide aus
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- bei der Verkündung -
-3-
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom
28. August 2014 werden verworfen.
2. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und der Nebenkläger je zur
Hälfte. Die dem Angeklagten durch die Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Revisionen der
Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers jeweils mit der Sachrüge; die
Staatsanwaltschaft beanstandet zudem das Verfahren. Beide Rechtsmittel
bleiben ohne Erfolg.
I.
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1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem
Angeklagten zur Last, während seines Dienstes als Polizist den Nebenkläger in
einer Polizeiwache anlässlich einer Anzeige wegen Fahrraddiebstahls durch
(konkludente) Drohungen sowie unter Ausnutzung einer Lage, in der der Ne-
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benkläger seiner Einwirkung schutzlos ausgesetzt gewesen sei (§ 177 Abs. 1
Nr. 2 und 3 StGB), genötigt zu haben, bei ihm den Oralverkehr auszuführen
sowie zu dulden, dass der Angeklagte ihn danach über der Hose an dessen
Penis gestreichelt hat. Bei dieser Tat habe der Angeklagte seine geladene
Dienstwaffe am Hosenbund getragen.
3
2. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
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Der Angeklagte hatte am 13. April 2013 ab 14:00 Uhr Dienst in einer
"Ein-Mann-Wache". Nach der Wachablösung begab er sich in die erste Etage
zu den Umkleideräumen und zog seine Dienstuniform an. Entgegen seiner
sonstigen Übung vergaß er an diesem Tag, seine Dienstwaffe anzulegen.
5
Der Nebenkläger begab sich zwischen 16:15 Uhr und 16:30 Uhr zu der
allein mit dem Angeklagten besetzten Polizeiwache, um den Diebstahl seines
Fahrrads anzuzeigen. Der Angeklagte bat den Nebenkläger unter anderem um
die Vorlage seines Personalausweises und forderte ihn auf, an einem Schreibtisch Platz zu nehmen. Der Angeklagte rief im weiteren Verlauf das Computerprogramm zur Erstellung von Anzeigen auf und legte den Vorgang an. Kurz
danach gab er den Namen des Nebenklägers mit Geburtsdatum ein. Einige Zeit
später druckte der Angeklagte die Strafanzeige aus und überreichte sie dem
Nebenkläger zur Durchsicht und Unterschrift. Dann begab er sich in die Toilettenräume der Wache. Der Nebenkläger folgte ihm und sah, dass der Angeklagte nach dem Urinieren seinen Penis durch den geöffneten Hosenschlitz in der
Hand hielt. Der Nebenkläger kniete sich vor den ihm den Penis entgegenhaltenden Angeklagten, nahm dessen Glied in den Mund und bewegte sich mit
geschlossenen Augen zweimal hin und her. Da der Nebenkläger sich ekelte
und auch würgen musste, brach er den Verkehr ab, ohne dass es zum Samen-
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erguss gekommen war. Diesen Abbruch nahm der Angeklagte hin und verschloss seine Hose. Anschließend rauchten beide vor der Wache gemeinsam
Zigaretten.
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3. Die Strafkammer hat den Angeklagten, der den Anklagevorwurf sowie
jeglichen sexualbezogenen Kontakt mit dem Nebenkläger bestritten hat, aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen; sie hat die Einlassung des Angeklagten,
es sei zu einem "sexualbezogenen Körperkontakt" nicht gekommen, zwar als
widerlegt angesehen, hat sich aber nicht davon zu überzeugen vermocht, dass
der festgestellte Oralverkehr hinsichtlich der Art seiner Durchführung, insbesondere im Hinblick auf die Aspekte "Unfreiwilligkeit, Zwang, Druck und Bedrohungscharakter" wie vom Nebenkläger geschildert abgelaufen ist.
II.
7
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers zeigen einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht auf und bleiben ohne Erfolg.
8
Revision der Staatsanwaltschaft
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1. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwaltes dargelegten Gründen nicht durch (§ 349 Abs. 2 StPO).
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2. Die auf die erhobene Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung
des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler erbracht. Entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführerin ist insbesondere die Beweiswürdigung des
Landgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden.
-6-
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a) Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261
StPO). Es obliegt daher allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der
Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu
bilden. Seine beweisrechtlichen Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu
sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das
ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten
überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das
Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher
liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR
154/14, NStZ 2014, 507, 508 mwN).
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b) An diesen revisionsrechtlichen Maßstäben und Grundsätzen gemessen, zeigt die Revision der Staatsanwaltschaft keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist im Ergebnis weder
lückenhaft noch widersprüchlich. Sie lässt insgesamt gesehen auch nicht besorgen, dass das Landgericht an seine Überzeugungsbildung überspannte Anforderungen gestellt hat.
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Mit Blick auf die Revisionsbegründung gilt:
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Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft als lückenhaft beanstandet,
das Landgericht habe sich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass
der Angeklagte jeglichen sexuellen Kontakt mit dem Nebenkläger nicht einge-
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räumt, sondern bis zuletzt vehement bestritten hat, geht diese Rüge fehl. Nach
den Urteilsgründen hat das Landgericht umfassend erörtert, dass diese Einlassung des Angeklagten zwar widerlegt ist, allerdings allein damit eine dem Angeklagten ungünstige Sachverhaltsfeststellung oder der Beweis seiner Täterschaft nicht begründet werden kann, weil auch ein Unschuldiger vor Gericht
"Zuflucht zur Lüge nehmen kann". Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu
erinnern.
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Die Rüge, das Landgericht habe sich nicht mit der sich aufdrängenden
Frage befasst, weshalb der Nebenkläger sich ohne den Einsatz von Nötigungsmitteln darauf eingelassen haben sollte, den Oralverkehr an dem Angeklagten zu vollziehen, verkennt den Inhalt der Urteilsgründe: Durch welches
konkrete Verhalten des Angeklagten das (sexualbezogene) Verhalten des
Nebenklägers tatsächlich verursacht wurde, hat das Landgericht zwar nicht
feststellen können. Insoweit hat es jedoch erwogen, es sei auch denkbar,
dass der Angeklagte den Nebenkläger zwar durch sein Auftreten, seine Stimme und die Uniform sowie seine Stellung als Polizist und seine Einmischung
in das Privatleben des Nebenklägers verunsichert haben, nicht aber durch
eine strafbare Handlung unter Druck gesetzt haben könnte und dieser sich
aufgrund dessen dazu habe verleiten lassen, die sexuelle Handlung an dem
Angeklagten vorzunehmen. Diese Erwägungen und Schlüsse sind noch möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist auch die Beweiswürdigung zu der vom Nebenkläger geschilderten Durchsuchung und Entkleidung
ohne durchgreifende Rechtsfehler; sie ist insbesondere nicht lückenhaft. Anders als die Beschwerdeführerin meint, hat sich das Landgericht eingehend mit
den Angaben des Nebenklägers hierzu befasst und auch berücksichtigt, dass
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an der Unterhose des Nebenklägers DNA-Spuren festgestellt worden sind, die
auf einen Kontakt des Angeklagten mit diesem Kleidungsstück hindeuten und
damit die Angaben des Angeklagten zu einer Durchsuchung stützen. Dass das
Landgericht sich von einer Durchsuchung des Nebenklägers - jedenfalls wie
von diesem beschrieben - aufgrund von mehreren, gegen die Richtigkeit der
Darstellung dieses Geschehens sprechenden Umständen - keine DNA an der
Oberbekleidung des Nebenklägers, unzureichende Konstanz der Angaben des
Nebenklägers zur Ablage ausgezogener Kleidungsstücke und das Fehlen von
Fingerspuren des Nebenklägers in dem Raum, in dem die Durchsuchung stattgefunden haben soll - nicht zu überzeugen vermocht hat, kann nach den zuvor
dargestellten rechtlichen Maßstäben einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht
begründen, da die Beschwerdeführerin letztlich lediglich ihre eigene Bewertung
und Gewichtung der Beweisumstände an die Stelle der Würdigung des Landgerichts setzt. Entsprechendes gilt für die Wertung der Beschwerdeführerin, es
sei "nach aussagepsychologischen Erkenntnissen fernliegend", dass der Nebenkläger bei Anlastung einer Vergewaltigung "seine Geschichte" mit einer
derartigen Komplikation wie einer Durchsuchung belaste.
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Auch die Beanstandung, die Beweiswürdigung des Landgerichts zu dem
vom Nebenkläger beschriebenen Spreizen seiner Gesäßbacken sei widersprüchlich, da es fälschlicherweise davon ausgegangen sei, der Nebenkläger
habe dies im Rahmen seiner ersten Schilderung nicht erwähnt, greift nicht
durch. Nach den Urteilsfeststellungen besteht insoweit kein Widerspruch. Vielmehr hat der Nebenkläger danach - im Anschluss an seine von sich aus gemachten Angaben bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung - ein solches
Geschehen (erst) "auf spätere Nachfrage" ergänzend angegeben.
-9-
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Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Angaben von Zeugen bezieht,
etwa auf die der Zeuginnen K.
, Kr.
und S.
, begründet sie ihre Be-
anstandungen mit urteilsfremdem Vorbringen, mit dem sie ihr Rechtsmittel im
Rahmen der Sachrüge nicht erfolgreich begründen kann. Gleiches gilt für die
weiteren Beanstandungen, die von der Revision mit eigenen Schlussfolgerungen begründet werden, die sie an die Stelle der vom Landgericht gezogenen
Schlüssen setzt. Auch dies kann dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen.
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Schließlich lässt die Beweiswürdigung auch nicht durchgreifend besorgen, das Landgericht habe an seine Überzeugungsbildung hinsichtlich der
Schuld des Angeklagten insgesamt zu hohe, letztlich überspannte Anforderungen gestellt. Soweit die Beschwerdeführerin insoweit beanstandet, das Landgericht sei zu Unrecht von einer sogenannten Aussage-gegen-AussageKonstellation ausgegangen, liegt ein durchgreifender Rechtsfehler nicht vor;
denn zumindest hinsichtlich des Kerngeschehens der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat ist diese Annahme zutreffend. Im Übrigen ist sich das Landgericht
ersichtlich der neben den Angaben des Angeklagten und den Bekundungen
des Nebenklägers vorhandenen Beweismittel und Beweisanzeichen bewusst
gewesen. Dass es sich gleichwohl nicht von der Schuld des Angeklagten zu
überzeugen vermocht hat, ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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Auch im Übrigen hat die umfassende Überprüfung des Urteils, auch unter Berücksichtigung der weiteren Revisionsrechtfertigung, keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erbracht.
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Revision des Nebenklägers
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Auch die Revision des Nebenklägers ist unbegründet.
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Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war das Landgericht aus
Rechtsgründen nicht gehalten, den Inhalt der Aussage der sachverständigen
Zeugin K.
näher darzustellen. Die Beweiswürdigung dient nicht der Doku-
mentation der Beweisaufnahme. Aus den Angaben von Zeugen ist nur das für
die Sache Wesentliche darzustellen und zu würdigen. Für Sachverständigengutachten gilt grundsätzlich nichts anderes. Daran gemessen wäre die Beweiswürdigung des Landgerichts auch dann nicht zu beanstanden, wenn die Zeugin
K.
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(auch) als Sachverständige gehört worden sein sollte.
Auch im Übrigen hat die auf die Sachbeschwerde des Nebenklägers
veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden
Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erbracht.
Schäfer
Hubert
Gericke
Mayer
Spaniol