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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 405/04
vom
1. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2005,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode
als Vorsitzender
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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-4-
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Marburg vom 23. Juni 2004 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die der
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die zur Tatzeit 19jährige Angeklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen, Wohnungseinbruchsdiebstahls, versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es hat der
Angeklagten überdies die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von zwölf
Monaten für die Neuerteilung festgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, ist
im Ergebnis unbegründet.
1. Die Rüge, das Landgericht habe im Fall 6 der Urteilsgründe die Angeklagte rechtsfehlerhaft nicht wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt, ist unbegründet.
Mit der insoweit unverändert zugelassenen Anklage vom 1. Februar
2004 wurde der Angeklagten als Tat 6 zur Last gelegt, im Frühjahr 2003 mit
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2 kg "Speed" (Amphetamin) unerlaubt Handel getrieben zu haben. Als Tat 7
wurde ihr ein weiteres Handeltreiben mit 2 kg "Speed" vorgeworfen; als Tat 8
das Handeltreiben mit 1 kg "Speed" unter Beisichführen einer geladenen
Schreckschußpistole und eines Baseballschlägers. Die letztgenannte Rauschgiftmenge sowie die beiden Waffen wurden am 23. Oktober 2003 bei der Festnahme der Angeklagten in deren Pkw sichergestellt.
In der Hauptverhandlung ließ sich nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 8) die Angeklagte dahin ein, sie habe im Fall 6 von den 2 kg Amphetamin, die sie von dem gesondert verfolgten Q. zur Weitergabe an einen
Bekannten des C. erhalten hatte, ein halbes Kilogramm für sich abgezweigt.
Die - von ihr auf 1 kg gestreckte - Restmenge sei bei ihrer Festnahme sichergestellt worden; so daß es sich in den Fällen 6 und 8 der Anklage um dieselbe
Wirkstoffmenge gehandelt habe. Der Anklagevorwurf zu Fall 7 beruhe auf einem Mißverständnis bei der Protokollierung ihres Geständnisses bei der polizeilichen Vernehmung. Das als Tat 7 angeklagte Handeltreiben mit einer weiteren Menge von 2 kg Amphetamin habe es nicht gegeben; sie habe vielmehr nur
einmal 2 kg transportiert.
Nach dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 23. Juni 2004 hat das
Landgericht daraufhin die Anklagepunkte 7 und 8 auf Antrag der Staatsanwaltschaft "gemäß § 154 a Abs. 2 StPO eingestellt" (XIV/118 d.A.). Eine Wiedereinbeziehung ist nicht erfolgt; ein entsprechender Antrag ist nicht gestellt worden.
Bei dieser Sachlage kann die auf die Sachrüge gestützte Revision nicht
damit begründet werden, das Landgericht sei aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung zu der Ansicht gelangt, es sei der Angeklagten nicht zu widerlegen, daß sie von den bei ihrer Festnahme im Fahrzeug aufgefundenen
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gen, daß sie von den bei ihrer Festnahme im Fahrzeug aufgefundenen Waffen
nichts gewußt habe.
Es ist schon unklar, ob tatsächlich eine Verfahrensbeschränkung gemäß
§ 154 a Abs. 2 StPO erfolgen sollte und erfolgt ist oder ob nicht, wie auch der
Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung vor dem Senat vorgetragen
hat, tatsächlich eine Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorgenommen
wurde. Hierfür spricht namentlich auch der Umstand, daß sich auch nach der
im Urteil wiedergegebenen Einlassung der Angeklagten kein Anhaltspunkt dafür ergibt, die angeklagte Tat 7 könne vom Landgericht als nicht selbständige
Tat angesehen worden sein. Dem Antragserfordernis des § 154 Abs. 2 StPO
war genügt.
Auch wenn aber der Tatrichter die ursprünglich als selbständige Tat 8
angeklagte Handlung im Ergebnis der Beweisaufnahme als unselbständigen
Teilakt der Tat 6 angesehen hat und die antragsgemäße Verfahrensbeschränkung in diesem Fall gemäß § 154 a Abs. 2 StPO erfolgte, ergriff die Beschränkung diesen Tatteil insgesamt und daher auch seine mögliche Qualifikation. Es
wäre daher jedenfalls nicht zulässig gewesen, die qualifizierenden Umstände
der antragsgemäß ausgeschiedenen Tat 8 zur rechtlichen Beurteilung der abgeurteilten Tat 6 heranzuziehen, bei der diese Umstände gerade nicht festgestellt worden sind. Das Landgericht war somit auf der Grundlage des Verfahrensstandes zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht gehalten, über die Frage
einer Bewaffnung der Angeklagten bei der Tat 6 zu entscheiden.
Die Einwände der Revision gegen die Ausführungen des Urteils zur Beweiswürdigung hinsichtlich des ausgeschiedenen Verfahrensstoffs verfehlen
daher im Revisionsverfahren ihren Gegenstand. Es kann dahinstehen, ob die
- insoweit überflüssigen, möglicherweise zur nachträglichen Begründung der
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Verfahrensbeschränkung eingefügten - Ausführungen zur Unwiderleglichkeit
der Einlassung der Angeklagten (UA S. 8/9) die von der Revision gerügten
Rechtsfehler enthalten. Ihre Überprüfung ist dem Revisionsgericht entzogen,
weil dieser Teil des Anklagevorwurfs wirksam aus dem Prozeßstoff ausgeschieden wurde.
Eine Wiedereinbeziehung des ausgeschiedenen Tatteils in der Revisionsinstanz ist hier nicht möglich, denn dadurch würde dem Urteil des Tatgerichts nachträglich die Grundlage entzogen, ohne daß das Revisionsgericht
abschließend über den wiedereinbezogenen Tatteil entscheiden könnte (vgl.
BGHSt 21, 326, 329 f.).
2. Auch im übrigen weist das Urteil der Jugendkammer keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten - oder, was gemäß § 301 StPO zu prüfen
war - zu Lasten der Angeklagten auf.
a) Die insgesamt überaus knappen Feststellungen des Landgerichts genügen im Ergebnis noch den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die
Rüge, hinsichtlich der Taten I. 1 und I. 2 fehle es an einer hinreichenden Konkretisierung von Tatzeit, Tatort und Geschädigtem, greift nicht durch. Tatort
und Geschädigter (Autohaus) ergeben sich aus den Feststellungen ohne weiteres. Das gilt auch für die Tat 2; der Tatzeitpunkt ist mit "etwa 14 Tage später"
entgegen der Ansicht der Revision hinreichend bestimmt festgestellt. Daß die
genaue Anschrift der Wohnung des Geschädigten Sch. im Fall I. 3 nicht mitgeteilt wird, ist unschädlich. Es ist nicht ersichtlich, daß eine Verwechslung mit
einer anderen Wohnung des Geschädigten möglich sein könnte. Das gilt im
Ergebnis auch für die Tat I. 4 zu Lasten des Geschädigten Bernd C., der in den
Urteilsgründen fälschlich als "Bernd Sch." bezeichnet ist. Das Schreibversehen
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hinsichtlich des Namens des Geschädigten hat die Jugendkammer mit
Beschluß vom 25. August 2004 berichtigt.
b) Auch die Feststellungen zu Art und Wirkstoffgehalt des von der Angeklagten gehandelten Rauschgifts genügen noch den Anforderungen. Daß
das Betäubungsmittel als "Speed" (UA S. 7) bzw. als "Speed (Amphetamin)"
(UA S. 9) bezeichnet wurde, folgte den Formulierungen der Anklageschrift.
Zwar enthält das Urteil keinen Hinweis darauf, wie das Landgericht zu seinen
Feststellungen gelangt ist. Da das Landgericht aber festgestellt hat, es habe
sich um (gestrecktes) Amphetamin "guter Qualität" gehandelt, ist letztlich trotz
der sehr knappen Feststellungen nicht zu besorgen, es habe den Schuldgehalt
der Taten bei der Bemessung der - wenngleich milden - Jugendstrafe in einer
die
Revision
rechtfertigenden
Weise
verkannt.
Soweit
in
der
Revisionshauptverhandlung vom Generalbundesanwalt darauf hingewiesen
wurde, das Landgericht habe ein vorliegendes Sachverständigengutachten
nicht verwertet, ergibt sich für den Senat nicht, daß ein solches Gutachten dem
Tatrichter vorgelegen hat. Ein Beweisantrag ist offenbar nicht gestellt, eine
Verfahrensrüge nicht erhoben worden.
c) Die Anwendung von Jugendrecht auf die zur Tatzeit 19jährige Angeklagte weist keinen Rechtsfehler auf. Soweit die Revision rügt, es fehlten Feststellungen zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten, erschöpft sich diese Rüge im Ergebnis in einer vom Urteil abweichenden Bewertung. Die Jugendkammer hat sich mit der nach ihrer Überzeugung vorliegenden gestörten
Reife und den jugendtypischen Verhaltensweisen und Lebenseinstellungen der
Angeklagten aber ausführlich auseinandergesetzt (UA S. 10-12). Der Tatrichter
hat insoweit einen erheblichen Beurteilungsspielraum; daß die Gewichtung ein-
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zelner Umstände und die Beurteilung insgesamt auch anders hätte ausfallen
können, macht diese noch nicht rechtsfehlerhaft.
d) Auch die Einwendungen der Revision gegen die Bemessung der milden Jugendstrafe und gegen die Strafaussetzung zur Bewährung zeigen
durchgreifende Rechtsfehler des Urteils nicht auf. Eine erschöpfende Aufzählung aller Zumessungsgesichtspunkte kann vom Tatrichter nicht verlangt werden. Anhaltspunkte dafür, das Landgericht habe den Gesichtspunkt des
Schuldausgleichs hier übersehen, ergeben sich aus dem Zusammenhang der
Urteilsgründe nicht, namentlich da die Jugendkammer die "Gemeinheit" des
Wohnungseinbruchs bei guten Bekannten ausdrücklich zur Feststellung der
Schwere der Schuld herangezogen hat (UA S. 12).
Soweit die Staatsanwaltschaft es als widersprüchlich rügt, daß das
Landgericht zur Begründung der Strafaussetzung zur Bewährung ausgeführt
hat, die "Wirkung (dürfte) durch die Freiheitsentziehung als solche eintreten"
(UA S. 12), so handelt es sich hier allenfalls um eine mißverständliche Formulierung. Schon im darauffolgenden Satz ist ausgeführt, dies gelte nur für den
Fall, daß die Angeklagte die derzeitige positive Prognoseerwartung enttäusche. Auch die Ausführungen UA S. 13 zur Strafaussetzung belegen, daß die
Rüge, das Landgericht habe die Vollstreckung "entgegen seiner Überzeugung"
zur Bewährung ausgesetzt, der Grundlage entbehrt.
e) Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Festsetzung einer Sperrfrist für die Neuerteilung gemäß §§ 69, 69 a StGB können hier Bestand haben.
Rechtlich bedenklich ist allerdings die von der Jugendkammer hierfür gegebene Begründung, wonach insbesondere der Erziehungsgedanke es erfordere,
die Angeklagte davon abzuhalten, "jederzeit viele und schöne Autos zu fahren", da sie ihre Mobilität zur Begehung von Straftaten ausgenutzt habe (UA S.
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13). Diese Erwägungen sind mit den Grundsätzen, welche im Beschluß des
Großen Senats für Strafsachen vom 27. April 2005 - GSSt 2/04 - für die Voraussetzungen der Maßregelanordnung aufgestellt worden sind, nicht vereinbar
(vgl. schon Senatsbeschluß NStZ 2004, 144 m.w.N.). Die insoweit ausreichenden Feststellungen zur Tatbegehung im Fall 1 ergeben aber noch hinreichend
konkrete Anhaltspunkte für die Bereitschaft der Angeklagten, Belange der Sicherheit des Straßenverkehrs ihren Interessen an der erfolgreichen Beendigung der von ihr begangenen Straftat unterzuordnen.
Bode
Otten
Roggenbuck
Fischer
Appl