You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

194 lines
11 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 2 StR 405/04
  5. vom
  6. 1. Juni 2005
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
  10. u. a.
  11. -2-
  12. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2005,
  13. an der teilgenommen haben:
  14. Richter am Bundesgerichtshof
  15. Dr. Bode
  16. als Vorsitzender
  17. und die Richterin am Bundesgerichtshof
  18. Dr. Otten,
  19. der Richter am Bundesgerichtshof
  20. Prof. Dr. Fischer,
  21. die Richterin am Bundesgerichtshof
  22. Roggenbuck,
  23. der Richter am Bundesgerichtshof
  24. Dr. Appl,
  25. Bundesanwalt
  26. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  27. Rechtsanwalt
  28. als Verteidiger,
  29. Justizangestellte
  30. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  31. für Recht erkannt:
  32. -3-
  33. -4-
  34. 1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
  35. Landgerichts Marburg vom 23. Juni 2004 wird verworfen.
  36. 2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die der
  37. Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu
  38. tragen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Gründe:
  41. Das Landgericht hat die zur Tatzeit 19jährige Angeklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen, Wohnungseinbruchsdiebstahls, versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
  42. nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren
  43. verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es hat der
  44. Angeklagten überdies die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von zwölf
  45. Monaten für die Neuerteilung festgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, ist
  46. im Ergebnis unbegründet.
  47. 1. Die Rüge, das Landgericht habe im Fall 6 der Urteilsgründe die Angeklagte rechtsfehlerhaft nicht wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt, ist unbegründet.
  48. Mit der insoweit unverändert zugelassenen Anklage vom 1. Februar
  49. 2004 wurde der Angeklagten als Tat 6 zur Last gelegt, im Frühjahr 2003 mit
  50. -5-
  51. 2 kg "Speed" (Amphetamin) unerlaubt Handel getrieben zu haben. Als Tat 7
  52. wurde ihr ein weiteres Handeltreiben mit 2 kg "Speed" vorgeworfen; als Tat 8
  53. das Handeltreiben mit 1 kg "Speed" unter Beisichführen einer geladenen
  54. Schreckschußpistole und eines Baseballschlägers. Die letztgenannte Rauschgiftmenge sowie die beiden Waffen wurden am 23. Oktober 2003 bei der Festnahme der Angeklagten in deren Pkw sichergestellt.
  55. In der Hauptverhandlung ließ sich nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 8) die Angeklagte dahin ein, sie habe im Fall 6 von den 2 kg Amphetamin, die sie von dem gesondert verfolgten Q. zur Weitergabe an einen
  56. Bekannten des C. erhalten hatte, ein halbes Kilogramm für sich abgezweigt.
  57. Die - von ihr auf 1 kg gestreckte - Restmenge sei bei ihrer Festnahme sichergestellt worden; so daß es sich in den Fällen 6 und 8 der Anklage um dieselbe
  58. Wirkstoffmenge gehandelt habe. Der Anklagevorwurf zu Fall 7 beruhe auf einem Mißverständnis bei der Protokollierung ihres Geständnisses bei der polizeilichen Vernehmung. Das als Tat 7 angeklagte Handeltreiben mit einer weiteren Menge von 2 kg Amphetamin habe es nicht gegeben; sie habe vielmehr nur
  59. einmal 2 kg transportiert.
  60. Nach dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 23. Juni 2004 hat das
  61. Landgericht daraufhin die Anklagepunkte 7 und 8 auf Antrag der Staatsanwaltschaft "gemäß § 154 a Abs. 2 StPO eingestellt" (XIV/118 d.A.). Eine Wiedereinbeziehung ist nicht erfolgt; ein entsprechender Antrag ist nicht gestellt worden.
  62. Bei dieser Sachlage kann die auf die Sachrüge gestützte Revision nicht
  63. damit begründet werden, das Landgericht sei aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung zu der Ansicht gelangt, es sei der Angeklagten nicht zu widerlegen, daß sie von den bei ihrer Festnahme im Fahrzeug aufgefundenen
  64. -6-
  65. gen, daß sie von den bei ihrer Festnahme im Fahrzeug aufgefundenen Waffen
  66. nichts gewußt habe.
  67. Es ist schon unklar, ob tatsächlich eine Verfahrensbeschränkung gemäß
  68. § 154 a Abs. 2 StPO erfolgen sollte und erfolgt ist oder ob nicht, wie auch der
  69. Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung vor dem Senat vorgetragen
  70. hat, tatsächlich eine Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorgenommen
  71. wurde. Hierfür spricht namentlich auch der Umstand, daß sich auch nach der
  72. im Urteil wiedergegebenen Einlassung der Angeklagten kein Anhaltspunkt dafür ergibt, die angeklagte Tat 7 könne vom Landgericht als nicht selbständige
  73. Tat angesehen worden sein. Dem Antragserfordernis des § 154 Abs. 2 StPO
  74. war genügt.
  75. Auch wenn aber der Tatrichter die ursprünglich als selbständige Tat 8
  76. angeklagte Handlung im Ergebnis der Beweisaufnahme als unselbständigen
  77. Teilakt der Tat 6 angesehen hat und die antragsgemäße Verfahrensbeschränkung in diesem Fall gemäß § 154 a Abs. 2 StPO erfolgte, ergriff die Beschränkung diesen Tatteil insgesamt und daher auch seine mögliche Qualifikation. Es
  78. wäre daher jedenfalls nicht zulässig gewesen, die qualifizierenden Umstände
  79. der antragsgemäß ausgeschiedenen Tat 8 zur rechtlichen Beurteilung der abgeurteilten Tat 6 heranzuziehen, bei der diese Umstände gerade nicht festgestellt worden sind. Das Landgericht war somit auf der Grundlage des Verfahrensstandes zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht gehalten, über die Frage
  80. einer Bewaffnung der Angeklagten bei der Tat 6 zu entscheiden.
  81. Die Einwände der Revision gegen die Ausführungen des Urteils zur Beweiswürdigung hinsichtlich des ausgeschiedenen Verfahrensstoffs verfehlen
  82. daher im Revisionsverfahren ihren Gegenstand. Es kann dahinstehen, ob die
  83. - insoweit überflüssigen, möglicherweise zur nachträglichen Begründung der
  84. -7-
  85. Verfahrensbeschränkung eingefügten - Ausführungen zur Unwiderleglichkeit
  86. der Einlassung der Angeklagten (UA S. 8/9) die von der Revision gerügten
  87. Rechtsfehler enthalten. Ihre Überprüfung ist dem Revisionsgericht entzogen,
  88. weil dieser Teil des Anklagevorwurfs wirksam aus dem Prozeßstoff ausgeschieden wurde.
  89. Eine Wiedereinbeziehung des ausgeschiedenen Tatteils in der Revisionsinstanz ist hier nicht möglich, denn dadurch würde dem Urteil des Tatgerichts nachträglich die Grundlage entzogen, ohne daß das Revisionsgericht
  90. abschließend über den wiedereinbezogenen Tatteil entscheiden könnte (vgl.
  91. BGHSt 21, 326, 329 f.).
  92. 2. Auch im übrigen weist das Urteil der Jugendkammer keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten - oder, was gemäß § 301 StPO zu prüfen
  93. war - zu Lasten der Angeklagten auf.
  94. a) Die insgesamt überaus knappen Feststellungen des Landgerichts genügen im Ergebnis noch den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die
  95. Rüge, hinsichtlich der Taten I. 1 und I. 2 fehle es an einer hinreichenden Konkretisierung von Tatzeit, Tatort und Geschädigtem, greift nicht durch. Tatort
  96. und Geschädigter (Autohaus) ergeben sich aus den Feststellungen ohne weiteres. Das gilt auch für die Tat 2; der Tatzeitpunkt ist mit "etwa 14 Tage später"
  97. entgegen der Ansicht der Revision hinreichend bestimmt festgestellt. Daß die
  98. genaue Anschrift der Wohnung des Geschädigten Sch. im Fall I. 3 nicht mitgeteilt wird, ist unschädlich. Es ist nicht ersichtlich, daß eine Verwechslung mit
  99. einer anderen Wohnung des Geschädigten möglich sein könnte. Das gilt im
  100. Ergebnis auch für die Tat I. 4 zu Lasten des Geschädigten Bernd C., der in den
  101. Urteilsgründen fälschlich als "Bernd Sch." bezeichnet ist. Das Schreibversehen
  102. -8-
  103. hinsichtlich des Namens des Geschädigten hat die Jugendkammer mit
  104. Beschluß vom 25. August 2004 berichtigt.
  105. b) Auch die Feststellungen zu Art und Wirkstoffgehalt des von der Angeklagten gehandelten Rauschgifts genügen noch den Anforderungen. Daß
  106. das Betäubungsmittel als "Speed" (UA S. 7) bzw. als "Speed (Amphetamin)"
  107. (UA S. 9) bezeichnet wurde, folgte den Formulierungen der Anklageschrift.
  108. Zwar enthält das Urteil keinen Hinweis darauf, wie das Landgericht zu seinen
  109. Feststellungen gelangt ist. Da das Landgericht aber festgestellt hat, es habe
  110. sich um (gestrecktes) Amphetamin "guter Qualität" gehandelt, ist letztlich trotz
  111. der sehr knappen Feststellungen nicht zu besorgen, es habe den Schuldgehalt
  112. der Taten bei der Bemessung der - wenngleich milden - Jugendstrafe in einer
  113. die
  114. Revision
  115. rechtfertigenden
  116. Weise
  117. verkannt.
  118. Soweit
  119. in
  120. der
  121. Revisionshauptverhandlung vom Generalbundesanwalt darauf hingewiesen
  122. wurde, das Landgericht habe ein vorliegendes Sachverständigengutachten
  123. nicht verwertet, ergibt sich für den Senat nicht, daß ein solches Gutachten dem
  124. Tatrichter vorgelegen hat. Ein Beweisantrag ist offenbar nicht gestellt, eine
  125. Verfahrensrüge nicht erhoben worden.
  126. c) Die Anwendung von Jugendrecht auf die zur Tatzeit 19jährige Angeklagte weist keinen Rechtsfehler auf. Soweit die Revision rügt, es fehlten Feststellungen zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten, erschöpft sich diese Rüge im Ergebnis in einer vom Urteil abweichenden Bewertung. Die Jugendkammer hat sich mit der nach ihrer Überzeugung vorliegenden gestörten
  127. Reife und den jugendtypischen Verhaltensweisen und Lebenseinstellungen der
  128. Angeklagten aber ausführlich auseinandergesetzt (UA S. 10-12). Der Tatrichter
  129. hat insoweit einen erheblichen Beurteilungsspielraum; daß die Gewichtung ein-
  130. -9-
  131. zelner Umstände und die Beurteilung insgesamt auch anders hätte ausfallen
  132. können, macht diese noch nicht rechtsfehlerhaft.
  133. d) Auch die Einwendungen der Revision gegen die Bemessung der milden Jugendstrafe und gegen die Strafaussetzung zur Bewährung zeigen
  134. durchgreifende Rechtsfehler des Urteils nicht auf. Eine erschöpfende Aufzählung aller Zumessungsgesichtspunkte kann vom Tatrichter nicht verlangt werden. Anhaltspunkte dafür, das Landgericht habe den Gesichtspunkt des
  135. Schuldausgleichs hier übersehen, ergeben sich aus dem Zusammenhang der
  136. Urteilsgründe nicht, namentlich da die Jugendkammer die "Gemeinheit" des
  137. Wohnungseinbruchs bei guten Bekannten ausdrücklich zur Feststellung der
  138. Schwere der Schuld herangezogen hat (UA S. 12).
  139. Soweit die Staatsanwaltschaft es als widersprüchlich rügt, daß das
  140. Landgericht zur Begründung der Strafaussetzung zur Bewährung ausgeführt
  141. hat, die "Wirkung (dürfte) durch die Freiheitsentziehung als solche eintreten"
  142. (UA S. 12), so handelt es sich hier allenfalls um eine mißverständliche Formulierung. Schon im darauffolgenden Satz ist ausgeführt, dies gelte nur für den
  143. Fall, daß die Angeklagte die derzeitige positive Prognoseerwartung enttäusche. Auch die Ausführungen UA S. 13 zur Strafaussetzung belegen, daß die
  144. Rüge, das Landgericht habe die Vollstreckung "entgegen seiner Überzeugung"
  145. zur Bewährung ausgesetzt, der Grundlage entbehrt.
  146. e) Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Festsetzung einer Sperrfrist für die Neuerteilung gemäß §§ 69, 69 a StGB können hier Bestand haben.
  147. Rechtlich bedenklich ist allerdings die von der Jugendkammer hierfür gegebene Begründung, wonach insbesondere der Erziehungsgedanke es erfordere,
  148. die Angeklagte davon abzuhalten, "jederzeit viele und schöne Autos zu fahren", da sie ihre Mobilität zur Begehung von Straftaten ausgenutzt habe (UA S.
  149. - 10 -
  150. 13). Diese Erwägungen sind mit den Grundsätzen, welche im Beschluß des
  151. Großen Senats für Strafsachen vom 27. April 2005 - GSSt 2/04 - für die Voraussetzungen der Maßregelanordnung aufgestellt worden sind, nicht vereinbar
  152. (vgl. schon Senatsbeschluß NStZ 2004, 144 m.w.N.). Die insoweit ausreichenden Feststellungen zur Tatbegehung im Fall 1 ergeben aber noch hinreichend
  153. konkrete Anhaltspunkte für die Bereitschaft der Angeklagten, Belange der Sicherheit des Straßenverkehrs ihren Interessen an der erfolgreichen Beendigung der von ihr begangenen Straftat unterzuordnen.
  154. Bode
  155. Otten
  156. Roggenbuck
  157. Fischer
  158. Appl