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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 547/11
vom
20. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011 beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 6. Juni 2011 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben
hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger S.
Ü.
im Revisionsverfahren entstande-
nen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Rüge einer Verletzung des § 252 StPO ist unbegründet.
a) Dieser Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
Der Angeklagten liegt zur Last, ihrem Ehemann mit einem Butterflymesser
zwei Stichverletzungen in den linken Oberkörperbereich versetzt zu haben,
nachdem dieser sich schützend vor seine neue Partnerin gestellt hatte, der
die Angeklagte als Nebenbuhlerin das Gesicht zerschneiden wollte. Der Geschädigte - als Ehemann der Angeklagten gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO zur
Verweigerung des Zeugnisses berechtigt - hatte zunächst die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbunden. In der Hauptverhandlung
machten dann sowohl der Geschädigte (gemäß § 52 StPO, UA S. 28) als
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auch die behandelnden Ärzte (gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO, UA
S. 38), gegenüber denen der Geschädigte mittlerweile die Entbindung von
der Schweigepflicht widerrufen hatte, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht
Gebrauch. Das Landgericht hat deshalb die Angaben des behandelnden
Arztes Dr. S.
über die Verletzungen des Geschädigten dadurch in die
Hauptverhandlung eingeführt, dass es die polizeiliche Vernehmungsbeamtin
K.
zu den von diesem im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung ge-
machten Angaben vernommen hat (UA S. 39 ff.). Zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Vernehmung waren die behandelnden Ärzte vom Geschädigten
von der Schweigepflicht entbunden gewesen (UA S. 40). Das Landgericht
hat die auf diese Weise in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des
Arztes Dr. S.
über die Verletzungen des Geschädigten dem Urteil
auch zugrunde gelegt (UA S. 41).
b) Entgegen der Annahme der Revision stand der Verwertung dieser Angaben
kein sich aus § 252 StPO ergebendes Verwertungsverbot entgegen.
aa) Zwar ist die Vorschrift des § 252 StPO grundsätzlich auch auf Berufsgeheimnisträger i.S.v. § 53 StPO anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom
20. November 1962 - 5 StR 462/62, BGHSt 18, 146; Beschluss vom
24. September 1996 - 5 StR 441/96, StV 1997, 233). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der der Senat festhält, darf aber der
Ermittlungsrichter über den Inhalt der Aussage eines gemäß § 53 Abs. 1
Nr. 3 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Arztes vernommen werden, die dieser vor dem Ermittlungsrichter gemacht hat, wenn der
Arzt bei dieser Aussage gemäß § 53 Abs. 2 StPO von der Verpflichtung zur
Verschwiegenheit entbunden war; § 252 StPO ist dann nicht anwendbar
(BGHSt 18, 146; BGH StV 1997, 233; glA Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl.,
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§ 53 Rn. 49 und § 252 Rn. 3; Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 252 Rn. 6;
Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 53 Rn. 83; Neubeck in
KMR-StPO § 53 Rn. 41; Sander/Cirener in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl.,
§ 252 Rn. 4; aA OLG Hamburg, NJW 1962, 689, 691; Geppert, Jura 1988,
305, 311 f.; Eb. Schmidt JR 1963, 267).
Grund hierfür ist, dass in einem solchen Fall der Pflichtenwiderstreit, auf
den das Verwertungsverbot des § 252 StPO Rücksicht nimmt, nicht auftreten kann (zutr. Diemer aaO). Denn durch das Zeugnisverweigerungsrecht
des § 53 StPO wird der Berufsgeheimnisträger geschützt und nicht diejenige Person, die ihn von der Schweigepflicht entbinden kann. Ihr Recht beschränkt sich darauf, darüber zu entscheiden, ob sie den Berufsgeheimnisträger von der Schweigepflicht entbindet oder nicht. Sie hat indes keinen
Anspruch darauf, dass der Berufsgeheimnisträger die Aussage verweigert
und das Gericht nicht verwertet, was er gleichwohl ausgesagt hat (BGHSt
18, 146, 147). War der Berufsgeheimnisträger zum Zeitpunkt seiner Aussage vor dem Ermittlungsrichter von der Schweigepflicht befreit, befand er
sich nicht in einem Pflichtenwiderstreit zwischen Wahrheitspflicht und
Schweigepflicht.
bb) Für die hier vorliegende Fallkonstellation, dass der zunächst von der
Schweigepflicht entbundene Berufsgeheimnisträger im Ermittlungsverfahren seine Angaben nicht vor einem Ermittlungsrichter, sondern im Rahmen
einer polizeilichen Vernehmung gemacht hat, führt ebenfalls nicht zum Vorliegen eines Verwertungsverbots gemäß § 252 StPO. Denn die Verwertbarkeit der Angaben der Vernehmungsperson ergibt sich im Fall der Vernehmung einer jedenfalls zu diesem Zeitpunkt von der Schweigepflicht entbundenen Person nicht erst aus der besonderen Bedeutung der richterlichen
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gegenüber einer sonstigen Vernehmung (vgl. dazu BGHSt 49, 72, 77;
Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 252 Rn. 14 mwN), sondern bereits daraus, dass die Vorschrift des § 252 StPO mangels der von ihr vorausgesetzten Pflichtenkollision des bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren
von seiner Schweigepflicht entbundenen Berufsgeheimnisträgers von vornherein nicht anwendbar ist (vgl. BGH StV 1997, 233). Die vom Zeugen
Dr. S.
nach Entbindung von seiner ärztlichen Schweigepflicht im
Rahmen einer polizeilichen Vernehmung gemachten Angaben durften daher auch nach Widerruf der Entbindungserklärung seitens des Geschädigten durch Vernehmung der polizeilichen Vernehmungsbeamtin in die
Hauptverhandlung eingeführt und im Urteil verwertet werden.
2. Die Rüge einer Verletzung des sich aus Art. 6 I Satz 1 und 6 III Buchst. d
MRK ergebenden Konfrontationsrechts, weil dem behandelnden Arzt des
Geschädigten, dem Zeugen Dr. S.
, keine "dem kontradiktorischen
Verfahren entsprechenden Fragen" hätten gestellt werden können, ist bereits
unzulässig.
Zum einen ist die Rüge nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des
§ 345 StPO erhoben worden, sondern erst in der Gegenerklärung auf die
Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Zum anderen genügt die Rüge
nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil sie sich lediglich auf die Behauptung einer Verletzung des Konfrontationsrechts beschränkt und weder Angaben zum Inhalt der Vernehmung noch dazu enthält,
ob die Angeklagte oder die Verteidigung von dem Vernehmungstermin unterrichtet waren, wann sie vom Inhalt der Vernehmung Kenntnis erlangt haben
und ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens die Gelegenheit hatten,
den Zeugen Dr. S.
zu befragen oder befragen zu lassen (vgl. dazu
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BGHSt 51, 150, 154 ff. sowie Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Art. 6 MRK
Rn. 22a mwN). Es wird nicht einmal mitgeteilt, ob sie einen derartigen Versuch unternommen haben. Schließlich teilt die Revision auch nicht mit, welche über die von den vernehmenden Polizeibeamten gestellten hinausgehenden weiteren Fragen aus ihrer Sicht dem Zeugen hätten gestellt werden
sollen.
Wahl
Rothfuß
Graf
Elf
Jäger