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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 10/08
Verkündet am:
21. April 2010
Breskic,
Justizangstellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 288 Abs. 2; EG-RL 35/2000 Art. 2 Nr. 1
Voraussetzung für das Vorliegen einer Entgeltforderung gemäß § 288 Abs. 2 BGB
ist, dass die Geldforderung die Gegenleistung für eine von dem Gläubiger erbrachte
oder zu erbringende Leistung ist.
BGH, Urteil vom 21. April 2010 - XII ZR 10/08 - KG Berlin
LG Berlin
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. April 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin
Dr. Vézina und die Richter Dose, Schilling und Dr. Günter
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 22. November 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über die Höhe von Verzugszinsen für von der Beklagten geschuldete Zahlungen aus einem "Generalmietvertrag“.
2
Die Klägerin, ein Immobilienfonds, schloss am 10. Februar 1997 mit der
Beklagten einen insgesamt als "Generalmietvertrag" (im Folgenden: Vertrag)
bezeichneten Generalmietvertrag (Teil A) und Mietgarantievertrag (Teil B) über
in einer Anlage 2 aufgelistete Immobilienobjekte, die von der Klägerin zum Teil
bereits an Dritte vermietet worden waren.
3
Der für 25 Jahre zum Zweck der Untervermietung abgeschlossene Teil A
des Vertrages umfasste neben den von der Klägerin noch nicht vermieteten
Objekten auch von ihr bereits vermietete Objekte, soweit deren Mieter dem Eintritt der Beklagten in den Mietvertrag zustimmten (Präambel Ziff. 3; § 1 Nr. 1
Teil A des Vertrages). Der monatlich im Voraus zu zahlende Mietzins (§ 3 Ziff. 1
Teil A des Vertrages) war in einer Anlage 3 im Einzelnen festgelegt.
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4
Über die Objekte, deren Mieter dem Eintritt der Beklagten nicht zustimmten, schlossen die Parteien schon jetzt den Generalmietvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Beendigung dieser Mietverträge. Befristet bis zum
Eintritt dieser Bedingung schlossen die Parteien unter Teil B des Vertrages für
diese Mietobjekte einen Mietgarantievertrag (Präambel Ziff. 4.2; § 6 Teil B des
Vertrages). In diesem verpflichtete sich die Beklagte, den Mietzins gemäß der
Anlage 3 als Garantiezahlung monatlich im Voraus spätestens am achten
Werktag eines Monats an die Klägerin zu leisten (§ 3 Teil B des Vertrages).
Gleichzeitig trat die Klägerin sämtliche Mietzinsansprüche aus den von ihr mit
den Dritten abgeschlossenen Mietverträgen an die Beklagte ab (§ 2 Teil B des
Vertrages). Nach § 4 Teil B des Vertrages war die Beklagte verpflichtet, bauliche Veränderungen der Mietobjekte, die über ihre Instandhaltungsverpflichtung
hinausgehen und der Vermietbarkeit des Objektes unmittelbar dienen, auf ihre
Kosten durchzuführen.
5
Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung rückständiger
Mietgarantiebeträge für die Zeit von Januar 2005 bis Mai 2006 zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz aus einem von der Klägerin
vor Abschluss des Vertrages abgeschlossenen Mietvertrag im Fachmarktzentrum M.
verlangt, dessen Mieterin einem Eintritt der Beklagten auf
Vermieterseite nicht zugestimmt hatte.
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Nachdem die Beklagte die Hauptforderung und die Zinsforderung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz bezahlt hatte,
haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat der auf Zahlung von weiteren Zinsen in Höhe von
3 % gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg
geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
-4-
Entscheidungsgründe:
7
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
8
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe gemäß §§ 286,
288 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Teil B des Vertrages einen Anspruch auf Verzugszinsen aus den unstreitigen Mietgarantieforderungen in Höhe von insgesamt
acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, somit über die von der Beklagten
bereits bezahlten Verzugszinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hinaus einen Anspruch auf weitere 3 % Zinsen.
9
Die Voraussetzungen des § 288 Abs. 2 BGB seien erfüllt. Die geltend
gemachte Garantieforderung resultiere aus einem Rechtsgeschäft, an dem kein
Verbraucher beteiligt sei. Es handle sich bei ihr auch um eine Entgeltforderung
im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die
Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr auch
Mietzinsforderungen oder diesen gleichzustellende Forderungen erfasse. Denn
aus den Materialien zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, mit dem
§ 288 Abs. 2 BGB neu gefasst worden sei, ergebe sich, dass Entgeltforderungen Geldforderungen aus gegenseitigen Verträgen beträfen und nicht auf Ansprüche aus Lieferung von Gütern und der Erbringung von Dienstleistungen
beschränkt seien.
-5-
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Aus dem vertraglichen Zusammenhang folge, dass der gesamte Vertrag
der Parteien auf Leistung und Gegenleistung gerichtet sei. Denn die von der
Klägerin begehrten Zahlungen hätten nach der vertraglichen Regelung jedenfalls auch für eine - gegebenenfalls zukünftige - Gebrauchsüberlassung der
Mietsache durch die Klägerin erfolgen sollen, ohne dass es im Einzelfall darauf
angekommen sei, ob die Zahlung als Mietzins oder als garantierte Miete erbracht werde. Die Höhe des Mietzinses und des garantierten Mietzinses seien
identisch geregelt worden. Für die Parteien sei es auf den Wert der Leistung als
Gegenleistung für das Mietobjekt und nicht darauf angekommen, ob die Beklagte Zahlungen als Mietzins oder garantierte Miete erbracht habe. So seien die
Verpflichtungen der Beklagten auch jederzeit im Sinne eines Automatismus
austauschbar gewesen. Habe ein Mietvertrag geendet, sei automatisch ein
Mietverhältnis zwischen den Parteien begründet worden und die zuvor garantierte Miete als Mietzins geschuldet worden. Aus diesem vertraglich geregelten
Zusammenhang könne die Garantie nicht als Leistung ohne Gegenleistung herausgenommen werden. Es komme deshalb nicht darauf an, ob die Garantiezahlungen auch Gegenleistungen für die von der Klägerin geleistete Vergütung
oder die erfolgten Abtretungen sein könnten.
11
Das Gesamtgefüge der Regelung sei folglich so angelegt gewesen, dass
bereits die konkrete Gebrauchsüberlassung an den Dritten sich als eine Gegenleistung an die Beklagte dargestellt habe. Im Übrigen sei auch die Abtretung der
Mietzinsansprüche aus den Mietverträgen mit den Dritten an die Beklagte als
Gegenleistung für die Übernahme der Mietgarantie erfolgt, so dass schon deswegen ein Gegenseitigkeitsverhältnis gegeben sei.
12
Soweit die Beklagte geltend mache, ihr seien keine Ansprüche in Bezug
auf die Mietsache eingeräumt worden, sei dies nicht zutreffend. Der Beklagten
sei der mittelbare Besitz im Wege der konkludenten Abtretung der Herausga-
-6-
beansprüche, die der Klägerin gegenüber den Mietern der Flächen zugestanden habe, eingeräumt worden. In Ziff. 4 der Präambel hätten die Parteien geregelt, dass die Beklagte auf Vermieterseite in die bereits bestehenden Mietverhältnisse anstelle der Klägerin habe eintreten sollen. Es habe der Beklagten
oblegen, die erforderliche Zustimmung der Mieter einzuholen. Nur im Falle der
fehlenden Zustimmung habe die Regelung zur Mietgarantie eingreifen sollen
(Präambel Ziff. 4.2). Die Beklagte habe nach dem Gesamtkonzept der Regelungen letztlich die Verwaltung und Vermietung des Objektes übernehmen sollen.
II.
13
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.
14
Die Klägerin hat gemäß §§ 286, 288 Abs. 2 BGB für den Zeitraum, in
dem sich die Beklagte unstreitig mit der Zahlung der Mietgarantiebeträge in
Verzug befunden hat, einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von (insgesamt) acht
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
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1. Entgegen der Ansicht der Revision findet der am 1. Januar 2002 mit
dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001
(BGBl. I S. 3138) in Kraft getretene § 288 Abs. 2 BGB auf die geltend gemachten, auf den Vertrag vom 10. Februar 1997 gestützten Mietgarantieforderungen
aus den Jahren 2005 und 2006 Anwendung.
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Nach Art. 229 § 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist auf Dauerschuldverhältnisse,
die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, ab dem 1. Januar 2003 nur das
Bürgerliche Gesetzbuch in der dann geltenden Fassung anzuwenden. Bei dem
an das Bestehen der Mietverträge zwischen der Klägerin und Dritten gekoppel-
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ten, unter Teil B des Vertrages vereinbarten Mietgarantievertrag, der die Beklagte zu monatlich im voraus zu erbringenden Zahlungen in Höhe des vereinbarten Mietzinses verpflichtet (Teil B § 3 Ziff. 2 des Vertrages), handelt es sich
um ein Dauerschuldverhältnis.
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2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die auf Zahlung der Mietgarantie
gerichtete Hauptforderung sei unter Berücksichtigung der gesamten vertraglichen Vereinbarungen der Parteien Gegenleistung für eine Leistung der Klägerin
und damit eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Nach § 288 Abs. 2 BGB beträgt bei Rechtsgeschäften, an denen ein
Verbraucher nicht beteiligt ist, der Zinssatz für Entgeltforderungen acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei der Auslegung des Begriffs Entgeltforderung ist ausgehend vom Wortlaut auch der Zweck des § 288 Abs. 2 BGB zu
berücksichtigen.
19
aa) § 288 Abs. 2 BGB ist durch das Gesetz zur Modernisierung des
Schuldrechts
vom
26. November
2001
zur
Umsetzung
der
Richtlinie
2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000
zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr eingeführt worden
(BGBl. I S. 3138; BT-Drucks. 14/6857 S. 1; ABl.EG vom 8. August 2000,
L 2000/35 = NJW 2001, 132 - im Folgenden: Richtlinie 2000/35/EG). Die in
§ 288 Abs. 2 BGB enthaltene Beschränkung auf Entgeltforderungen war im Gesetzesentwurf noch nicht vorgesehen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 14/6040, S. 8). Sie wurde auf Antrag des Bundesrats eingefügt, der zur
Begründung ausführte, die Richtlinie 2000/35/EG, deren Art. 1 den höheren
Zinssatz nur für Entgeltzahlungen vorschreibe, solle nicht über deren Geltungsbereich hinaus umgesetzt werden (BT-Drucks. 14/6857, S. 14). Dem schloss
-8-
sich die Bundesregierung an und schlug mit dem Hinweis, der Anwendungsbereich des § 288 Abs. 2 BGB-RE solle auf Entgeltforderungen aus Verträgen
beschränkt werden, die Gesetz gewordene Fassung vor (BT-Drucks. 14/6857,
S. 51). Bei der Auslegung des Begriffs der Entgeltforderung in § 288 Abs. 2
BGB sind somit das Ziel der Richtlinie 2000/35/EG und deren Inhalt zu berücksichtigen.
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Ziel der Richtlinie 2000/35/EG ist die Bekämpfung des Zahlungsverzugs
im Geschäftsverkehr, der als einer der Hauptgründe für die Insolvenzen von
Unternehmen angesehen wird (Erwägungsgrund 7). Die Richtlinie ist demgemäß auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt
und umfasst weder Geschäfte mit Verbrauchern noch die Zahlung von Zinsen
im Zusammenhang mit anderen Zahlungen, z.B. unter das Scheck- und Wechselrecht fallenden Zahlungen oder Schadensersatzzahlungen einschließlich
Zahlungen von Versicherungsgesellschaften (Erwägungsgrund 13).
21
Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/35/EG ist sie auf alle Zahlungen, die als
Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden. Dabei bezeichnet der
Ausdruck Geschäftsverkehr gemäß Art. 2 der Richtlinie 2000/35/EG Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen
Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen. Der Begriff "Dienstleistung" bestimmt sich allerdings
nicht nach § 611 BGB (vgl. Ahlt Europarecht 3. Aufl. S. 47). Er ist weiter gefasst. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellt z.B. auch
die Gewährung eines Kredits eine Dienstleistung dar (EuGHE C-45/96,
1998 I -1199 = NJW 1998, 1295 - Dietzinger).
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Hier folgt freilich aus der Beschränkung des Anwendungsbereichs der
Richtlinie 2000/35/EG auf Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu
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leisten sind, und aus dem ausdrücklichen Ausschluss der Anwendung auf andere Zahlungen (Erwägungsgrund 13), dass die Richtlinie 2000/35/EG nicht für
alle Geldforderungen gilt, sondern nur für solche, die Gegenleistungen aus zwischen Unternehmen geschlossenen Verträgen darstellen.
23
bb) Der Gesetzgeber hat unter Berücksichtigung dieser Vorgaben in
§ 288 Abs. 2 BGB den nach Art. 3 Abs. 1 d der Richtlinie 2000/35/EG vorgeschriebenen höheren Zinssatz für alle Entgeltforderungen aus Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, angeordnet. Voraussetzung für
das Vorliegen einer Entgeltforderung ist somit, dass die Geldforderung die Gegenleistung für eine von dem Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung
ist (MünchKomm/Ernst 5. Aufl. § 288 BGB Rdn. 19, § 286 BGB Rdn. 75; Staudinger/Löwisch/Feldmann [Neubearbeitung 2009] BGB § 288 Rdn. 17, § 286
Rdn. 90 ff.; Jauernig/Stadler 13. Aufl. § 288 BGB Rdn. 32).
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In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sind als Entgeltforderungen gemäß § 288 Abs. 2 BGB angesehen worden: Mietzinsansprüche (OLG
Rostock MDR 2005, 139), Ansprüche auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a
BGB (OLG Köln ZMR 2006, 772, 773) und der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b HGB (OLG München MDR 2009, 339; a.A. KG Urteil
vom 27. August 2009 - 23 U 52/09 - juris). Demgegenüber werden nicht als Entgeltforderungen eingeordnet Ansprüche aus einem Vertragsstrafeversprechen
(OLG Hamburg OLGR 2004, 432), auf Erstattung von Abmahnkosten (OLG
Celle NJW-RR 2007, 393), aus § 765 BGB (OLG Düsseldorf WM 2009, 449)
und der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters (OLG Karlsruhe MDR 2006, 101).
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25
b) Die geltend gemachte Forderung der Klägerin auf Zahlung rückständigen Mietzinses als Garantie gemäß § 3 Teil B des Vertrages ist eine Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB.
26
aa) Zwar trifft der Einwand der Revision zu, dass, wenn ein Unternehmer
Vermietungsleistungen erbringt und ein Dritter eine Garantie für deren Ausfall
gibt, der bei Ausfall in Anspruch genommene Dritte für seine Garantiezahlungen
keine Gegenleistung erhält. Etwaige Garantiezahlungen sind in diesem Fall wie
eine Art Versicherungsleistung anzusehen, die keine Entgeltforderung i.S.d.
§ 288 Abs. 2 BGB ist (vgl. Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2000/35/EG).
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Hier liegt der Fall jedoch anders.
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bb) Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des
Vertrages vom 10. Februar 1997 durch das Berufungsgericht ist die Forderung
der Klägerin auf Zahlung rückständigen Mietzinses als Garantie die Gegenleistung für von der Klägerin erbrachte vertragliche Leistungen.
29
Welche Pflichten im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, ist anhand des
Parteiwillens unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu
ermitteln. Entgegen der Ansicht der Revision kann danach für die Frage, ob ein
Gegenseitigkeitsverhältnis vorliegt, nicht allein auf den im Vertrag unter Teil B
geregelten Mietgarantievertrag abgestellt werden. Vielmehr ist der gesamte
Vertrag zur Beantwortung der Frage heranzuziehen, ob und gegebenenfalls für
welche Pflichten der Klägerin nach dem Willen der Parteien die geforderte Mietgarantiezahlung Gegenleistung sein sollte.
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cc) Ziel des als "Generalmietvertrag" bezeichneten Vertrages war der
Abschluss eines Mietvertrages zwischen den Parteien über sämtliche sich im
Eigentum der Klägerin befindlichen Grundstücke gemäß Anlage 2 des Vertra-
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ges gegen Zahlung des sich aus der Mietenkalkulation gemäß Anlage 3 ergebenden Gesamtmietzinses (Präambel Ziff. 3, 4, § 1 Ziff. 1 Teil A, § 3 Ziff. 1
Teil A, § 3 Ziff. 1 Teil B des Vertrages).
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Durch den in Teil B des Vertrages vereinbarten Mietgarantievertrag sollte
dieses Ziel - zumindest weitgehend - auch für die bereits vermieteten Objekte
erreicht werden, deren Mieter einem Eintritt der Beklagten in den Mietvertrag
nicht zustimmten. Die Rechtsposition der Beklagten wurde der eines Hauptmieters und Untervermieters angenähert. Gemäß § 3 Teil B des Vertrages war die
Beklagte zur monatlichen Zahlung des festgelegten Mietzinses an die Klägerin
verpflichtet, unabhängig davon, ob der Mieter die Miete zahlte oder nicht. Im
Gegenzug trat die Klägerin ihre Mietzinsforderungen gegen die Mieter an die
Beklagte ab (§ 2 Teil B des Vertrages), so dass die Beklagte wie eine Untervermieterin Mietzins von den Mietern verlangen konnte und wie eine Untervermieterin deren Insolvenzrisiko trug. Ihre künftige Position als Hauptmieterin
auch dieser Objekte wurde darüber hinaus durch den insoweit aufschiebend
bedingt abgeschlossenen Generalmietvertrag Teil A gesichert. Schließlich
spricht auch die in § 4 Teil B des Vertrages übernommene Verpflichtung der
Beklagten, bauliche Veränderungen der Mietobjekte, die über die Instandhaltungsverpflichtung der Beklagten hinausgehen und der Vermietbarkeit der Objekte unmittelbar dienen, auf ihre Kosten durchzuführen, dafür, dass der Beklagten nach dem Willen der Parteien die Objekte wie einer Mieterin und Untervermieterin überlassen werden sollten, auch soweit sie noch nicht Mieterin geworden war.
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Mit der gewählten vertraglichen Konstruktion wollten die Parteien ihren
Willen verwirklichen, die gesamten der Klägerin gehörenden Grundstücke zu
dem kalkulierten Gesamtmietzins der Beklagten zur Nutzung zu überlassen.
Deshalb ist nach dem Willen der Parteien die Gesamtmietzahlung, unabhängig
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davon, ob sie gemäß § 3 Teil A als Miete oder gemäß § 3 Teil B des Vertrages
als Mietgarantie geschuldet wird, die Gegenleistung für die Überlassung der
Mietobjekte. Die Beklagte sollte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nach dem Gesamtkonzept der Regelungen letztlich die Verwaltung
und Vermietung des gesamten Objektes übernehmen.
Hahne
Vézina
Schilling
Dose
Günter
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 07.03.2007 - 101 O 124/06 KG Berlin, Entscheidung vom 22.11.2007 - 8 U 96/07 -