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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 305/14
vom
10. September 2014
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1896
Kann der Betroffene aufgrund einer psychischen Erkrankung seine Angelegenheiten
hinsichtlich des Aufgabenkreises der Gesundheitssorge nicht selbst besorgen, so ist
ihm hierfür grundsätzlich auch dann ein Betreuer zu bestellen, wenn er die notwendige Behandlung ablehnt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013
- XII ZB 395/12 - FamRZ 2013, 618).
BGH, Beschluss vom 10. September 2014 - XII ZB 305/14 - LG Zwickau
AG Zwickau
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der
Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom
7. Mai 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 5.000 €
Gründe:
I.
1
Die 64jährige Betroffene leidet an einer schizophrenen Grunderkrankung,
wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Der
Beteiligte zu 1 (Ehemann der Betroffenen) hat deshalb angeregt, einen Berufsbetreuer für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung,
Unterbringung und Vermögenssorge zu bestellen.
2
Das Amtsgericht hat von der Einrichtung einer Betreuung abgesehen und
das Verfahren eingestellt. Dagegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt,
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mit der er die Einrichtung einer Betreuung für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge weiter verfolgt hat. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
II.
3
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist zulassungsfrei auch gegen
eine die Einrichtung einer Betreuung ablehnende Entscheidung statthaft (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 519/13 - FamRZ 2014, 652 Rn. 8).
Der im ersten Rechtszug beteiligte Ehemann ist gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1
FamFG beschwerdebefugt.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
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a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Betreuerbestellung komme nur in Betracht, soweit davon auszugehen sei, dass der Betreuer in seinen Aufgabenkreisen tatsächlich
tätig werden und dem Betroffenen Hilfe zukommen lassen könne. Eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge könne nur eingerichtet werden, wenn der Betroffene entweder freiwillig die benötigte Hilfe des Betreuers
zumindest teilweise annehmen würde oder bei vollständig fehlender Bereitschaft, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, eine Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung nach § 1906 BGB in Betracht komme. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, weil die Betroffene sich - bei vorhandenem natürlichen Willen und eigener Einwilligungsfähigkeit in Heilbehandlungen - jeglicher
Maßnahme zur psychiatrischen Heilbehandlung nachhaltig widersetze. Auch
die Voraussetzungen einer geschlossenen Unterbringung mit Zwangsbehandlung seien nicht gegeben.
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b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht dem
Betroffenen einen Betreuer, wenn jener aufgrund einer psychischen Krankheit
seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Nach § 1896
Abs. 2 Satz 1 BGB darf dieser nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen
die Betreuung erforderlich ist.
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Nach den getroffenen Feststellungen bedarf die Betroffene einer medizinischen Behandlung ihrer psychischen Grunderkrankung, für die sie wegen fehlender Krankheitseinsicht nicht selbst sorgen kann. Daraus folgt ein Betreuungsbedarf für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge.
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Die vom Landgericht weiter zugrunde gelegte Annahme, wonach sich die
Betroffene jeglicher Maßnahme zur psychiatrischen Heilbehandlung nachhaltig
widersetzen werde, lässt den Betreuungsbedarf für sich genommen nicht entfallen. Denn es lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass ein Betreuer
die Betroffene noch von der Notwendigkeit einer Behandlung überzeugen kann.
Auch dies zählt zu seinem Aufgabenbereich (Senatsbeschluss vom 23. Januar
2013 - XII ZB 395/12 - FamRZ 2013, 618 Rn. 13; vgl. außerdem Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ 2014, 1358 Rn. 17 ff.). Es ist
daher zumindest der Versuch zu unternehmen, der Betroffenen im Wege der
Einrichtung einer Betreuung die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.
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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil
sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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3. Da der Senat über die Betreuerbestellung nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Dose
Weber-Monecke
Nedden-Boeger
Klinkhammer
Guhling
Vorinstanzen:
AG Zwickau, Entscheidung vom 17.03.2014 - 12 XVII 0790/13 LG Zwickau, Entscheidung vom 07.05.2014 - 9 T 124/14 -