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5.2 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 305/14
  4. vom
  5. 10. September 2014
  6. in der Betreuungssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 1896
  14. Kann der Betroffene aufgrund einer psychischen Erkrankung seine Angelegenheiten
  15. hinsichtlich des Aufgabenkreises der Gesundheitssorge nicht selbst besorgen, so ist
  16. ihm hierfür grundsätzlich auch dann ein Betreuer zu bestellen, wenn er die notwendige Behandlung ablehnt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013
  17. - XII ZB 395/12 - FamRZ 2013, 618).
  18. BGH, Beschluss vom 10. September 2014 - XII ZB 305/14 - LG Zwickau
  19. AG Zwickau
  20. -2-
  21. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2014 durch
  22. den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
  23. Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
  24. beschlossen:
  25. Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der
  26. Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom
  27. 7. Mai 2014 aufgehoben.
  28. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
  29. über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
  30. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
  31. Beschwerdewert: 5.000 €
  32. Gründe:
  33. I.
  34. 1
  35. Die 64jährige Betroffene leidet an einer schizophrenen Grunderkrankung,
  36. wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Der
  37. Beteiligte zu 1 (Ehemann der Betroffenen) hat deshalb angeregt, einen Berufsbetreuer für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung,
  38. Unterbringung und Vermögenssorge zu bestellen.
  39. 2
  40. Das Amtsgericht hat von der Einrichtung einer Betreuung abgesehen und
  41. das Verfahren eingestellt. Dagegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt,
  42. -3-
  43. mit der er die Einrichtung einer Betreuung für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge weiter verfolgt hat. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
  44. II.
  45. 3
  46. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist zulassungsfrei auch gegen
  47. eine die Einrichtung einer Betreuung ablehnende Entscheidung statthaft (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 519/13 - FamRZ 2014, 652 Rn. 8).
  48. Der im ersten Rechtszug beteiligte Ehemann ist gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1
  49. FamFG beschwerdebefugt.
  50. 4
  51. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
  52. 5
  53. a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Betreuerbestellung komme nur in Betracht, soweit davon auszugehen sei, dass der Betreuer in seinen Aufgabenkreisen tatsächlich
  54. tätig werden und dem Betroffenen Hilfe zukommen lassen könne. Eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge könne nur eingerichtet werden, wenn der Betroffene entweder freiwillig die benötigte Hilfe des Betreuers
  55. zumindest teilweise annehmen würde oder bei vollständig fehlender Bereitschaft, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, eine Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung nach § 1906 BGB in Betracht komme. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, weil die Betroffene sich - bei vorhandenem natürlichen Willen und eigener Einwilligungsfähigkeit in Heilbehandlungen - jeglicher
  56. Maßnahme zur psychiatrischen Heilbehandlung nachhaltig widersetze. Auch
  57. die Voraussetzungen einer geschlossenen Unterbringung mit Zwangsbehandlung seien nicht gegeben.
  58. -4-
  59. 6
  60. b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  61. 7
  62. Gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht dem
  63. Betroffenen einen Betreuer, wenn jener aufgrund einer psychischen Krankheit
  64. seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Nach § 1896
  65. Abs. 2 Satz 1 BGB darf dieser nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen
  66. die Betreuung erforderlich ist.
  67. 8
  68. Nach den getroffenen Feststellungen bedarf die Betroffene einer medizinischen Behandlung ihrer psychischen Grunderkrankung, für die sie wegen fehlender Krankheitseinsicht nicht selbst sorgen kann. Daraus folgt ein Betreuungsbedarf für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge.
  69. 9
  70. Die vom Landgericht weiter zugrunde gelegte Annahme, wonach sich die
  71. Betroffene jeglicher Maßnahme zur psychiatrischen Heilbehandlung nachhaltig
  72. widersetzen werde, lässt den Betreuungsbedarf für sich genommen nicht entfallen. Denn es lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass ein Betreuer
  73. die Betroffene noch von der Notwendigkeit einer Behandlung überzeugen kann.
  74. Auch dies zählt zu seinem Aufgabenbereich (Senatsbeschluss vom 23. Januar
  75. 2013 - XII ZB 395/12 - FamRZ 2013, 618 Rn. 13; vgl. außerdem Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ 2014, 1358 Rn. 17 ff.). Es ist
  76. daher zumindest der Versuch zu unternehmen, der Betroffenen im Wege der
  77. Einrichtung einer Betreuung die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.
  78. 10
  79. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil
  80. sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
  81. -5-
  82. 11
  83. 3. Da der Senat über die Betreuerbestellung nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
  84. Dose
  85. Weber-Monecke
  86. Nedden-Boeger
  87. Klinkhammer
  88. Guhling
  89. Vorinstanzen:
  90. AG Zwickau, Entscheidung vom 17.03.2014 - 12 XVII 0790/13 LG Zwickau, Entscheidung vom 07.05.2014 - 9 T 124/14 -