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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 182/00
Verkündet am:
11. Oktober 2001
Freitag
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
RBerG Art. 1 § 1; BGB §§ 134, 167
Ist der Geschäftsbesorgungsvertrag zur Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Bauträgermodell wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig (BGHZ 145, 265), so erstreckt sich die Nichtigkeit auch auf die dem Treuhänder dazu erteilte Vollmacht.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2001 - III ZR 182/00 - OLG Köln
LG Köln
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die
Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Juni 2000 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt
worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 22. Zivilkammer
des Landgerichts Köln vom 14. Mai 1999 wird in vollem Umfang
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Im Jahre 1997 beteiligte sich die Klägerin an einer im Bauträgermodell
geplanten Modernisierung zweier Wohnhäuser in D. Hierzu bot sie der beklagten Steuerberatungsgesellschaft in notarieller Urkunde vom 4. August 1997
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den Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags zu dem Erwerb einer Eigentumswohnung an und erteilte ihr zugleich unwiderrufliche Vollmacht, sie bei
der Vorbereitung und Durchführung - gegebenenfalls auch bei der Rückabwicklung - des Erwerbs zu vertreten. Die Vollmacht sollte insbesondere folgende Geschäfte und Maßnahmen umfassen:
a) Abschluß eines Kauf- und/oder Werklieferungsvertrags,
b) Abgabe der auf die Begründung, Änderung, Ergänzung oder Berichtigung
von Wohnungs- oder Teileigentum gerichteten Erklärungen sowie den Abschluß von Vereinbarungen gemäß § 10 WEG (Gemeinschaftsordnung) und
Verwalterbestellung,
c) Abschluß eines Mietvertrags,
d) Abschluß von Darlehensverträgen zur Finanzierung des Kaufpreises mit
notariellem Schuldanerkenntnis des Kreditnehmers und Unterwerfung unter
die sofortige Zwangsvollstreckung aus der Urkunde,
e) Bestellung oder Übernahme von Grundpfandrechten,
f) Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen anläßlich der Eröffnung, Führung und Auflösung von Konten bei Kreditinstituten,
g) Abschluß von Lebensversicherungsverträgen und sonstigen Versicherungsverträgen im Zusammenhang mit der Finanzierung,
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h) Abschluß eines Mietgarantievertrags, eines Vertrags über die technische
Baubetreuung und eines Steuerberatungsvertrags,
i) Einholung von Gutachten und Beauftragung von Rechtsanwälten mit der
gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung von Rechten und Interessen des Erwerbers,
j) Abschluß weiterer Verträge, Aufhebung und Rückabwicklung aller Verträge
sowie Vornahme sonstiger im Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang stehender notwendiger, nützlicher oder dienlicher Maßnahmen.
Die Beklagte nahm das Angebot zu notarieller Urkunde vom 26. August
1997 an. In der Folge schloß sie unter anderem mit dem Bauträger einen
"Kauf- und Werklieferungsvertrag" über die schlüsselfertige Herstellung und
Übertragung der Eigentumswohnung zum Preis von 171.595 DM sowie zwei
Darlehensverträge über 190.661 DM und 33.756 DM.
Durch Anwaltsschreiben vom 8. Dezember 1997 nahm die Klägerin ihr
Angebot zum Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags einschließlich der
Vollmachtserteilung zurück und erklärte außerdem dessen Anfechtung wegen
arglistiger Täuschung. Unter dem 19. Januar 1998 widerrief sie nochmals die
Vollmacht. Mit der vorliegenden Klage begehrt sie die Feststellung, daß ihr Angebot zum Abschluß des Geschäftsbesorgungsvertrags mit Vollmacht nichtig
sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht lediglich die Feststellung, daß die in der
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notariellen Urkunde vom 4. August 1997 erteilte Vollmacht zum Abschluß von
Darlehensverträgen nichtig sei, aufrechterhalten und hat im übrigen die Klage
abgewiesen. Hiergegen richtet sich die nur von der Klägerin eingelegte Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
I.
Da die Beklagte das Berufungsurteil nicht angefochten hat, steht fest,
daß die ihr von der Klägerin erteilte Vollmacht nichtig ist, soweit sie den Abschluß von Darlehensverträgen zur Finanzierung des Kaufpreises umfaßt. Auf
die zwischen den Parteien weiterhin streitige Frage, ob die Entscheidung in
diesem Punkt nach materiellem Recht richtig ist, insbesondere die dem Urteil
zugrundeliegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, auch eine Vollmacht
müsse die Mindestangaben des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG enthalten,
zutrifft (anders nunmehr BGH, Urteil vom 24. April 2001 - XI ZR 40/00 - NJW
2001, 1931, für BGHZ vorgesehen), kommt es nicht an.
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II.
1.
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der weitergehenden Klage im
wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klägerin habe zwar ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen
Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses mit der Beklagten
(§ 256 ZPO). Indessen führe die Nichtigkeit der Kreditvollmacht nicht gemäß
§ 139 BGB zur Nichtigkeit der Vollmacht im übrigen oder zu einer Nichtigkeit
des Geschäftsbesorgungsvertrags, da die Parteien in der notariellen Urkunde
die Regelung des § 139 BGB abbedungen hätten. Dadurch werde die Vermutung des § 139 BGB in ihr Gegenteil verkehrt. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargetan, daß sich durch die Nichtigkeit der Kreditvollmacht der Gesamtcharakter des Geschäftsbesorgungsvertrags verändere. Auch beim Wegfall der Ermächtigung zum Abschluß von Darlehensverträgen bleibe die Erfüllung aller vertraglichen Verpflichtungen für die Beklagte möglich und aus Sicht
der Klägerin sinnvoll. Die Finanzierung habe dann seitens der Klägerin selbst
oder aufgrund einer den Anforderungen des § 4 VerbrKrG genügenden nachträglichen Vollmacht durch die Beklagte erfolgen können. Auch einen Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 BGB habe die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen.
2.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis nicht
stand.
a) Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen allerdings
entgegen der von der Revisionserwiderung wiederholten Rechtsauffassung der
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Beklagten keine Bedenken. Da die Beklagte den Widerruf der Vollmacht hinnimmt und das streitgegenständliche Angebot der Klägerin zum Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Annahmeerklärung der Beklagten im
Vertragsschluß aufgegangen ist, begehrt die Klägerin zwar im Ausgangspunkt
die Feststellung des Nichtbestehens vergangener Rechtsverhältnisse. Eine auf
eine solche Feststellung gerichtete Klage ist nur dann zulässig, wenn sich
hieraus noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben können
(BGHZ 27, 190, 196; BAG NZA 1999, 669, 670; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl.,
§ 256 Rn. 3 a). Die Klärung, ob der Geschäftsbesorgungsvertrag gültig zustande gekommen ist und die Klägerin der Beklagten wirksam Vollmacht zum Abschluß anderer Rechtsgeschäfte erteilt hat, kann aber für die weitere Abwicklung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien bedeutsam sein, insbesondere für etwaige gegenseitige Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche. Daß Dritte, etwa der Bauträger oder die von der Beklagten eingeschalteten Kreditinstitute, an die in diesem Rechtsstreit getroffenen Feststellungen
nicht gebunden sind, worauf die Revisionserwiderung hinweist, läßt deshalb
das Feststellungsinteresse noch nicht entfallen.
b) Im übrigen vermag der Senat dem Berufungsgericht hingegen nicht zu
folgen. Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist wegen Verstoßes gegen das
Rechtsberatungsgesetz nichtig (§ 134 BGB). Diese Nichtigkeit erstreckt sich
auch auf die zur Ausführung des Vertrags erteilte Vollmacht.
aa) Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom
28. September 2000 - nach Erlaß des Berufungsurteils - entschieden, derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines
Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträgermodells für den Erwerber be-
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sorge, bedürfe der Genehmigung nach Art. 1 § 1 RBerG. Verfüge er darüber
nicht, sei ein solcher Geschäftsbesorgungsvertrag nichtig (BGHZ 145, 265 =
LM § 1 RechtsberatG Nr. 60 m. Anm. Strunz). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Auch im vorliegenden Fall geht es um derartige rechtsbesorgende
Tätigkeiten von Gewicht beim Abschluß der Kauf-, Finanzierungs-, Miet- und
Mietgarantieverträge, der dinglichen Belastung des Eigentums und bei Geschäften zur Bildung einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die der Beklagten hierfür ausschließlich - und nicht etwa neben einem Steuerberatungsmandat oder einer wirtschaftlichen oder kaufmännischen Betreuungstätigkeit übertragenen Aufgaben sind nach den Bestimmungen des Vertrags umfassend
und können, insbesondere bei Schwierigkeiten in der Durchführung des Objekts, erheblichen Beratungsbedarf bedingen. Auch angesichts dessen, daß
der Stammurkunde zur Vorbereitung eines Geschäftsbesorgungsvertrags detaillierte Vertragsmuster beigefügt waren, die die wesentlichen Rechte und
Pflichten der Vertragsparteien umreißen sollten, läßt sich deshalb nicht sagen,
daß die Bedingungen der von der Beklagten abzuschließenden Verträge in
jeder Hinsicht durch das Angebot vom 4. August 1997 von vornherein festgelegt gewesen seien, wie die Revisionserwiderung meint. Die in einem Bauträgermodell regelmäßig bereits eingetretenen tatsächlichen Festlegungen durch
die Gesamtkonzeption des Objekts sowie durch vorausgegangene Verhandlungen und Vertragsschlüsse zwischen Dritten, etwa des Bauträgers mit den
finanzierenden Banken, schließen den Auftrag zur Rechtsbesorgung gleichfalls
nicht aus. Es mag schließlich sein, daß zwischen einer "Vollbetreuung" durch
einen gewerblichen Baubetreuer, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Rücksicht auf den Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 5 RBerG
erlaubnisfrei ist (vgl. BGHZ 145, 265, 272 f. m.w.N.)., und den im Bauträgermodell auf mehrere Personen verteilten Gesamtleistungen wenig Unterschied
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besteht (so Edelmann, DB 2001, 687, 688; Maaß, ZNotP 2001, 170, 171). Diese Aufspaltung der Verträge ist indes von den Parteien gewollt und der rechtlichen Beurteilung daher zugrunde zu legen. Bietet sonach der Initiator den Interessenten den Abschluß mehrerer voneinander unabhängiger Verträge mit
rechtlich selbständigen Gesellschaften an, muß jeder dieser Verträge unabhängig von den anderen am Maßstab des Rechtsberatungsgesetzes gemessen
werden.
Allerdings greift die mit dem Urteil des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eingeleitete Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum
Bauträgermodell, die - soweit ersichtlich - bis dahin keine Bedenken gegen den
Abschluß gesonderter Geschäftsbesorgungsverträge mit einem Treuhänder
(Abwicklungsbeauftragten) unter dem Gesichtspunkt des Rechtsberatungsgesetzes erhoben hatte, rückwirkend tief in weithin abgeschlossene Vorgänge
ein. Eine solche Rückwirkung ist aber bei gerichtlichen Urteilen grundsätzlich
hinzunehmen. Der Schutz des Vertrauens einer Partei auf die Fortdauer der
bisherigen Rechtsprechung kann im Einzelfall zwar eine abweichende Beurteilung gebieten (vgl. BGHZ 132, 119, 129 ff.). Das gilt jedoch nicht schon für
die hier allein zu treffende Feststellung, daß die rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Klägerin nicht rechtswirksam abgegeben worden sind, sondern wird
erst bei einer Rückabwicklung der Verträge zu erwägen sein.
bb) Nach der Zielsetzung des Rechtsberatungsgesetzes nichtig ist dann
zugleich die zur Ausführung des nichtigen Geschäftsbesorgungsvertrags erteilte umfassende Vollmacht, soweit über sie im Revisionsverfahren noch zu
befinden ist (oben I). Das Verbot unerlaubter Rechtsbesorgung soll in erster
Linie die Rechtsuchenden vor unsachgemäßer Erledigung ihrer rechtlichen
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Angelegenheiten schützen (BGHZ 37, 258, 262; Senatsurteil vom 26. Juli 2001
- III ZR 172/00 - WM 2001, 1861, 1863, für BGHZ bestimmt). Hierzu umfaßt es
deren Beratung und Vertretung (BGHZ 37, 258, 262). Mit dieser Zweckrichtung
wäre es aber unvereinbar, den unbefugten Rechtsberater gleichwohl rechtlich
- bei Wirksamkeit der Ausführungsvollmacht - in den Stand zu setzen, seine
gesetzlich mißbilligte Tätigkeit zu Ende zu führen, indem er Rechtsgeschäfte
zu Lasten des Geschützten abschließt, und den Rechtsuchenden allein auf
Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsberater zu verweisen (im Ergebnis ebenso Reiter/Methner, VuR 2001, 193, 196; abweichend Ganter, WM
2001, 195; Hermanns, DNotZ 2001, 6, 8 f.; Sommer, NotBZ 2001, 28, 29; für
den Sonderfall der Prozeßvollmacht auch KG OLGZ 1966, 112, 115 f.; OLG
Saarbrücken NJW 1994, 1423, 1424; Henssler/Prütting/Weth, BRAO, Art. 1 § 1
RBerG Rn. 64; Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rn. 199 f.; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 79 Rn. 4; anders OLG Stuttgart AnwBl. 1964,
144 f.). Daß es sich bei der Vollmacht um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt und das Verbot unerlaubter Rechtsberatung sich nicht gegen den Vollmachtgeber richtet (so KG, Ganter, Hermanns, Sommer, jeweils aaO), ist angesichts seines vom Rechtsberatungsgesetz beabsichtigten Schutzes nicht
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entscheidend. Ob dasselbe Ergebnis hier außerdem aus § 139 BGB wegen
Verknüpfung des Grundgeschäfts mit der Vollmacht zu einem einheitlichen
Rechtsgeschäft folgen würde, kann offenbleiben.
Rinne
Wurm
Dörr
Kapsa
Galke