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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 182/00
  5. Verkündet am:
  6. 11. Oktober 2001
  7. Freitag
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. RBerG Art. 1 § 1; BGB §§ 134, 167
  19. Ist der Geschäftsbesorgungsvertrag zur Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Bauträgermodell wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig (BGHZ 145, 265), so erstreckt sich die Nichtigkeit auch auf die dem Treuhänder dazu erteilte Vollmacht.
  20. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2001 - III ZR 182/00 - OLG Köln
  21. LG Köln
  22. - 2 -
  23. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  24. vom 11. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die
  25. Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
  26. für Recht erkannt:
  27. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats
  28. des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Juni 2000 im Kostenpunkt
  29. und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt
  30. worden ist.
  31. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 22. Zivilkammer
  32. des Landgerichts Köln vom 14. Mai 1999 wird in vollem Umfang
  33. zurückgewiesen.
  34. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand
  37. Im Jahre 1997 beteiligte sich die Klägerin an einer im Bauträgermodell
  38. geplanten Modernisierung zweier Wohnhäuser in D. Hierzu bot sie der beklagten Steuerberatungsgesellschaft in notarieller Urkunde vom 4. August 1997
  39. - 3 -
  40. den Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags zu dem Erwerb einer Eigentumswohnung an und erteilte ihr zugleich unwiderrufliche Vollmacht, sie bei
  41. der Vorbereitung und Durchführung - gegebenenfalls auch bei der Rückabwicklung - des Erwerbs zu vertreten. Die Vollmacht sollte insbesondere folgende Geschäfte und Maßnahmen umfassen:
  42. a) Abschluß eines Kauf- und/oder Werklieferungsvertrags,
  43. b) Abgabe der auf die Begründung, Änderung, Ergänzung oder Berichtigung
  44. von Wohnungs- oder Teileigentum gerichteten Erklärungen sowie den Abschluß von Vereinbarungen gemäß § 10 WEG (Gemeinschaftsordnung) und
  45. Verwalterbestellung,
  46. c) Abschluß eines Mietvertrags,
  47. d) Abschluß von Darlehensverträgen zur Finanzierung des Kaufpreises mit
  48. notariellem Schuldanerkenntnis des Kreditnehmers und Unterwerfung unter
  49. die sofortige Zwangsvollstreckung aus der Urkunde,
  50. e) Bestellung oder Übernahme von Grundpfandrechten,
  51. f) Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen anläßlich der Eröffnung, Führung und Auflösung von Konten bei Kreditinstituten,
  52. g) Abschluß von Lebensversicherungsverträgen und sonstigen Versicherungsverträgen im Zusammenhang mit der Finanzierung,
  53. - 4 -
  54. h) Abschluß eines Mietgarantievertrags, eines Vertrags über die technische
  55. Baubetreuung und eines Steuerberatungsvertrags,
  56. i) Einholung von Gutachten und Beauftragung von Rechtsanwälten mit der
  57. gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung von Rechten und Interessen des Erwerbers,
  58. j) Abschluß weiterer Verträge, Aufhebung und Rückabwicklung aller Verträge
  59. sowie Vornahme sonstiger im Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang stehender notwendiger, nützlicher oder dienlicher Maßnahmen.
  60. Die Beklagte nahm das Angebot zu notarieller Urkunde vom 26. August
  61. 1997 an. In der Folge schloß sie unter anderem mit dem Bauträger einen
  62. "Kauf- und Werklieferungsvertrag" über die schlüsselfertige Herstellung und
  63. Übertragung der Eigentumswohnung zum Preis von 171.595 DM sowie zwei
  64. Darlehensverträge über 190.661 DM und 33.756 DM.
  65. Durch Anwaltsschreiben vom 8. Dezember 1997 nahm die Klägerin ihr
  66. Angebot zum Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags einschließlich der
  67. Vollmachtserteilung zurück und erklärte außerdem dessen Anfechtung wegen
  68. arglistiger Täuschung. Unter dem 19. Januar 1998 widerrief sie nochmals die
  69. Vollmacht. Mit der vorliegenden Klage begehrt sie die Feststellung, daß ihr Angebot zum Abschluß des Geschäftsbesorgungsvertrags mit Vollmacht nichtig
  70. sei.
  71. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht lediglich die Feststellung, daß die in der
  72. - 5 -
  73. notariellen Urkunde vom 4. August 1997 erteilte Vollmacht zum Abschluß von
  74. Darlehensverträgen nichtig sei, aufrechterhalten und hat im übrigen die Klage
  75. abgewiesen. Hiergegen richtet sich die nur von der Klägerin eingelegte Revision.
  76. Entscheidungsgründe
  77. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
  78. I.
  79. Da die Beklagte das Berufungsurteil nicht angefochten hat, steht fest,
  80. daß die ihr von der Klägerin erteilte Vollmacht nichtig ist, soweit sie den Abschluß von Darlehensverträgen zur Finanzierung des Kaufpreises umfaßt. Auf
  81. die zwischen den Parteien weiterhin streitige Frage, ob die Entscheidung in
  82. diesem Punkt nach materiellem Recht richtig ist, insbesondere die dem Urteil
  83. zugrundeliegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, auch eine Vollmacht
  84. müsse die Mindestangaben des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG enthalten,
  85. zutrifft (anders nunmehr BGH, Urteil vom 24. April 2001 - XI ZR 40/00 - NJW
  86. 2001, 1931, für BGHZ vorgesehen), kommt es nicht an.
  87. - 6 -
  88. II.
  89. 1.
  90. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der weitergehenden Klage im
  91. wesentlichen wie folgt begründet:
  92. Die Klägerin habe zwar ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen
  93. Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses mit der Beklagten
  94. (§ 256 ZPO). Indessen führe die Nichtigkeit der Kreditvollmacht nicht gemäß
  95. § 139 BGB zur Nichtigkeit der Vollmacht im übrigen oder zu einer Nichtigkeit
  96. des Geschäftsbesorgungsvertrags, da die Parteien in der notariellen Urkunde
  97. die Regelung des § 139 BGB abbedungen hätten. Dadurch werde die Vermutung des § 139 BGB in ihr Gegenteil verkehrt. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargetan, daß sich durch die Nichtigkeit der Kreditvollmacht der Gesamtcharakter des Geschäftsbesorgungsvertrags verändere. Auch beim Wegfall der Ermächtigung zum Abschluß von Darlehensverträgen bleibe die Erfüllung aller vertraglichen Verpflichtungen für die Beklagte möglich und aus Sicht
  98. der Klägerin sinnvoll. Die Finanzierung habe dann seitens der Klägerin selbst
  99. oder aufgrund einer den Anforderungen des § 4 VerbrKrG genügenden nachträglichen Vollmacht durch die Beklagte erfolgen können. Auch einen Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 BGB habe die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen.
  100. 2.
  101. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis nicht
  102. stand.
  103. a) Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen allerdings
  104. entgegen der von der Revisionserwiderung wiederholten Rechtsauffassung der
  105. - 7 -
  106. Beklagten keine Bedenken. Da die Beklagte den Widerruf der Vollmacht hinnimmt und das streitgegenständliche Angebot der Klägerin zum Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Annahmeerklärung der Beklagten im
  107. Vertragsschluß aufgegangen ist, begehrt die Klägerin zwar im Ausgangspunkt
  108. die Feststellung des Nichtbestehens vergangener Rechtsverhältnisse. Eine auf
  109. eine solche Feststellung gerichtete Klage ist nur dann zulässig, wenn sich
  110. hieraus noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben können
  111. (BGHZ 27, 190, 196; BAG NZA 1999, 669, 670; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl.,
  112. § 256 Rn. 3 a). Die Klärung, ob der Geschäftsbesorgungsvertrag gültig zustande gekommen ist und die Klägerin der Beklagten wirksam Vollmacht zum Abschluß anderer Rechtsgeschäfte erteilt hat, kann aber für die weitere Abwicklung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien bedeutsam sein, insbesondere für etwaige gegenseitige Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche. Daß Dritte, etwa der Bauträger oder die von der Beklagten eingeschalteten Kreditinstitute, an die in diesem Rechtsstreit getroffenen Feststellungen
  113. nicht gebunden sind, worauf die Revisionserwiderung hinweist, läßt deshalb
  114. das Feststellungsinteresse noch nicht entfallen.
  115. b) Im übrigen vermag der Senat dem Berufungsgericht hingegen nicht zu
  116. folgen. Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist wegen Verstoßes gegen das
  117. Rechtsberatungsgesetz nichtig (§ 134 BGB). Diese Nichtigkeit erstreckt sich
  118. auch auf die zur Ausführung des Vertrags erteilte Vollmacht.
  119. aa) Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom
  120. 28. September 2000 - nach Erlaß des Berufungsurteils - entschieden, derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines
  121. Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträgermodells für den Erwerber be-
  122. - 8 -
  123. sorge, bedürfe der Genehmigung nach Art. 1 § 1 RBerG. Verfüge er darüber
  124. nicht, sei ein solcher Geschäftsbesorgungsvertrag nichtig (BGHZ 145, 265 =
  125. LM § 1 RechtsberatG Nr. 60 m. Anm. Strunz). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Auch im vorliegenden Fall geht es um derartige rechtsbesorgende
  126. Tätigkeiten von Gewicht beim Abschluß der Kauf-, Finanzierungs-, Miet- und
  127. Mietgarantieverträge, der dinglichen Belastung des Eigentums und bei Geschäften zur Bildung einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die der Beklagten hierfür ausschließlich - und nicht etwa neben einem Steuerberatungsmandat oder einer wirtschaftlichen oder kaufmännischen Betreuungstätigkeit übertragenen Aufgaben sind nach den Bestimmungen des Vertrags umfassend
  128. und können, insbesondere bei Schwierigkeiten in der Durchführung des Objekts, erheblichen Beratungsbedarf bedingen. Auch angesichts dessen, daß
  129. der Stammurkunde zur Vorbereitung eines Geschäftsbesorgungsvertrags detaillierte Vertragsmuster beigefügt waren, die die wesentlichen Rechte und
  130. Pflichten der Vertragsparteien umreißen sollten, läßt sich deshalb nicht sagen,
  131. daß die Bedingungen der von der Beklagten abzuschließenden Verträge in
  132. jeder Hinsicht durch das Angebot vom 4. August 1997 von vornherein festgelegt gewesen seien, wie die Revisionserwiderung meint. Die in einem Bauträgermodell regelmäßig bereits eingetretenen tatsächlichen Festlegungen durch
  133. die Gesamtkonzeption des Objekts sowie durch vorausgegangene Verhandlungen und Vertragsschlüsse zwischen Dritten, etwa des Bauträgers mit den
  134. finanzierenden Banken, schließen den Auftrag zur Rechtsbesorgung gleichfalls
  135. nicht aus. Es mag schließlich sein, daß zwischen einer "Vollbetreuung" durch
  136. einen gewerblichen Baubetreuer, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Rücksicht auf den Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 5 RBerG
  137. erlaubnisfrei ist (vgl. BGHZ 145, 265, 272 f. m.w.N.)., und den im Bauträgermodell auf mehrere Personen verteilten Gesamtleistungen wenig Unterschied
  138. - 9 -
  139. besteht (so Edelmann, DB 2001, 687, 688; Maaß, ZNotP 2001, 170, 171). Diese Aufspaltung der Verträge ist indes von den Parteien gewollt und der rechtlichen Beurteilung daher zugrunde zu legen. Bietet sonach der Initiator den Interessenten den Abschluß mehrerer voneinander unabhängiger Verträge mit
  140. rechtlich selbständigen Gesellschaften an, muß jeder dieser Verträge unabhängig von den anderen am Maßstab des Rechtsberatungsgesetzes gemessen
  141. werden.
  142. Allerdings greift die mit dem Urteil des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eingeleitete Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum
  143. Bauträgermodell, die - soweit ersichtlich - bis dahin keine Bedenken gegen den
  144. Abschluß gesonderter Geschäftsbesorgungsverträge mit einem Treuhänder
  145. (Abwicklungsbeauftragten) unter dem Gesichtspunkt des Rechtsberatungsgesetzes erhoben hatte, rückwirkend tief in weithin abgeschlossene Vorgänge
  146. ein. Eine solche Rückwirkung ist aber bei gerichtlichen Urteilen grundsätzlich
  147. hinzunehmen. Der Schutz des Vertrauens einer Partei auf die Fortdauer der
  148. bisherigen Rechtsprechung kann im Einzelfall zwar eine abweichende Beurteilung gebieten (vgl. BGHZ 132, 119, 129 ff.). Das gilt jedoch nicht schon für
  149. die hier allein zu treffende Feststellung, daß die rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Klägerin nicht rechtswirksam abgegeben worden sind, sondern wird
  150. erst bei einer Rückabwicklung der Verträge zu erwägen sein.
  151. bb) Nach der Zielsetzung des Rechtsberatungsgesetzes nichtig ist dann
  152. zugleich die zur Ausführung des nichtigen Geschäftsbesorgungsvertrags erteilte umfassende Vollmacht, soweit über sie im Revisionsverfahren noch zu
  153. befinden ist (oben I). Das Verbot unerlaubter Rechtsbesorgung soll in erster
  154. Linie die Rechtsuchenden vor unsachgemäßer Erledigung ihrer rechtlichen
  155. - 10 -
  156. Angelegenheiten schützen (BGHZ 37, 258, 262; Senatsurteil vom 26. Juli 2001
  157. - III ZR 172/00 - WM 2001, 1861, 1863, für BGHZ bestimmt). Hierzu umfaßt es
  158. deren Beratung und Vertretung (BGHZ 37, 258, 262). Mit dieser Zweckrichtung
  159. wäre es aber unvereinbar, den unbefugten Rechtsberater gleichwohl rechtlich
  160. - bei Wirksamkeit der Ausführungsvollmacht - in den Stand zu setzen, seine
  161. gesetzlich mißbilligte Tätigkeit zu Ende zu führen, indem er Rechtsgeschäfte
  162. zu Lasten des Geschützten abschließt, und den Rechtsuchenden allein auf
  163. Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsberater zu verweisen (im Ergebnis ebenso Reiter/Methner, VuR 2001, 193, 196; abweichend Ganter, WM
  164. 2001, 195; Hermanns, DNotZ 2001, 6, 8 f.; Sommer, NotBZ 2001, 28, 29; für
  165. den Sonderfall der Prozeßvollmacht auch KG OLGZ 1966, 112, 115 f.; OLG
  166. Saarbrücken NJW 1994, 1423, 1424; Henssler/Prütting/Weth, BRAO, Art. 1 § 1
  167. RBerG Rn. 64; Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rn. 199 f.; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 79 Rn. 4; anders OLG Stuttgart AnwBl. 1964,
  168. 144 f.). Daß es sich bei der Vollmacht um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt und das Verbot unerlaubter Rechtsberatung sich nicht gegen den Vollmachtgeber richtet (so KG, Ganter, Hermanns, Sommer, jeweils aaO), ist angesichts seines vom Rechtsberatungsgesetz beabsichtigten Schutzes nicht
  169. - 11 -
  170. entscheidend. Ob dasselbe Ergebnis hier außerdem aus § 139 BGB wegen
  171. Verknüpfung des Grundgeschäfts mit der Vollmacht zu einem einheitlichen
  172. Rechtsgeschäft folgen würde, kann offenbleiben.
  173. Rinne
  174. Wurm
  175. Dörr
  176. Kapsa
  177. Galke