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<TITLE>II. Zivilsenat: Bundesgerichtshof zu &quot;ungeschriebener Hauptversammlungs-zust&auml;ndigkeit&quot; bei grundlegenden Gesch&auml;ftsf&uuml;hrungs-ma&szlig;nahmen des Vorstandes</TITLE>
<META NAME="subject" CONTENT="Nr. 47 vom 26.04.04">
<META NAME="LfdNr" CONTENT="47">
<META NAME="Jahr" CONTENT="2004">
<META NAME="Senat" CONTENT="II. Zivilsenat">
<META NAME="Aktenzeichen" CONTENT="II ZR 154/02">
<META NAME="Datum" CONTENT="26.04.2004">
<META NAME="Entscheidungsdatum" CONTENT="26.04.2004">
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</FONT><FONT SIZE=6><P ALIGN="JUSTIFY">&#9;Bundesgerichtshof<BR>
</FONT><FONT SIZE=5>&#9;</FONT><FONT SIZE=4>Mitteilung der Pressestelle</P>
</FONT><FONT SIZE=1><P ALIGN="JUSTIFY"></P>
<P>&nbsp;</P>
<P>&nbsp;</P>
</FONT><FONT FACE="Arial"><P ALIGN="JUSTIFY">Nr. 47/2004</P>
<P ALIGN="JUSTIFY"></P>
<P ALIGN="JUSTIFY">&nbsp;</P>
</FONT><B><FONT FACE="Arial" SIZE=4><P ALIGN="CENTER">Bundesgerichtshof zu &quot;ungeschriebener Hauptversammlungs-zust&auml;ndigkeit&quot; bei grundlegenden Gesch&auml;ftsf&uuml;hrungs-</P>
<P ALIGN="CENTER">ma&szlig;nahmen des Vorstandes</P>
</B></FONT><FONT FACE="Arial"><P ALIGN="JUSTIFY"></P>
<P ALIGN="JUSTIFY">Die vier Kl&auml;ger sind Aktion&auml;re der beklagten Aktiengesellschaft. Zusammen halten sie rund 30% des Grundkapitals von 25 Mio. EUR, rund 60% liegt in den H&auml;nden eines anderen Familienstamms, w&auml;hrend die &uuml;brigen Aktien verschiedenen Minderheitsaktion&auml;ren geh&ouml;ren. Die Beklagte ist auf verschiedenen Gesch&auml;ftsfeldern t&auml;tig, Schwerpunkt ist die Herstellung und der Vertrieb von Gelatine. Auf diesem Feld ist die Gesellschaft nicht nur selbst operativ aktiv, sie verfolgt ihren Unternehmensgegenstand auch durch zahlreiche Tochtergesellschaften im In- und Ausland.</P>
<P ALIGN="JUSTIFY"></P>
<P ALIGN="JUSTIFY">Auf der Hauptversammlung des Jahres 2000 stand u.a. ein Plan des Vorstandes zur Abstimmung, der zum Ziel hatte, die Beklagte zu einer reinen Holdinggesellschaft umzustrukturieren. Er fand nicht die erforderliche Dreiviertel-Mehrheit des vertretenen Kapitals. Au&szlig;erdem hatte der Vorstand zu den TOP 10 und 11 zwei weitere Gegenst&auml;nde zur Abstimmung gestellt: Zu TOP 10 sollte die Hauptversammlung genehmigen, da&szlig; er im Jahre 1998 die 100%ige Beteiligung an zwei ausl&auml;ndischen Tochtergesellschaften auf eine ebenfalls der Beklagten allein geh&ouml;rende andere Tochtergesellschaft &uuml;bertragen hatte, wodurch die beiden Auslandst&ouml;chter zu Enkelgesellschaften der Beklagten geworden waren. W&auml;hrend die eine der beiden Gesellschaften ohne wesentliche wirtschaftliche Bedeutung f&uuml;r die Beklagte war, trug die andere mit bis zu 30% zum Vorsteuerergebnis des Konzerns bei. Zu TOP 11 sollte die Hauptversammlung beschlie&szlig;en, da&szlig; der Vorstand - zur Wahrung steuerlicher Vorteile, die sich durch das zu jener Zeit vom Parlament beratene Gesetz zur Unternehmenssteuerreform f&uuml;r den Fall einer Ver&auml;u&szlig;erung der Beteiligung abzeichneten - erm&auml;chtigt werde, die Gesellschaftsanteile (49%) an einer deutschen GmbH &amp; Co. KG in eine im Alleineigentum der Beklagten stehende Tochtergesellschaft einzubringen. Diese Gesellschaft produziert und vertreibt Gelatine-Kapseln f&uuml;r die Pharmaindustrie, unterh&auml;lt ihre Produktion auf einem von der Beklagten angemieteten Grundst&uuml;ck und ist auch durch kaufrechtliche Beziehungen mit ihr vielf&auml;ltig verbunden. Zum Ergebnis des von der Beklagten gef&uuml;hrten Konzerns tr&auml;gt sie mit rund einem Viertel bei.</P>
<P ALIGN="JUSTIFY"></P>
<P ALIGN="JUSTIFY">Beide Beschl&uuml;sse wurden gegen die Stimmen der Kl&auml;ger mit rund 66% bzw. rund 69% angenommen. Der Versammlungsleiter, der die Auffassung vertrat, sie bed&uuml;rften lediglich einer einfachen Mehrheit des vertretenen Kapitals, hat ihr Zustandekommen festgestellt. Dagegen haben die Kl&auml;ger Widerspruch zur Niederschrift des amtierenden Notars erkl&auml;rt und Anfechtungsklage erhoben. Sie vertreten - im Anschlu&szlig; an ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Februar 1982 (BGHZ 83, 122 - &quot;Holzm&uuml;ller&quot;) die Auffassung, beide Ma&szlig;nahmen enthielten grundlegende Entscheidungen des Vorstandes, die er nicht ohne die mit einer Dreiviertel-Mehrheit zu fassende Zustimmung der Hauptversammlung vollziehen d&uuml;rfe. Das Berufungsgericht hat beide Klagen abgewiesen und die Ansicht vertreten, es handele sich nicht um grundlegende Ma&szlig;nahmen im Sinne der &quot;Holzm&uuml;ller&quot;-Rechtsprechung, im &uuml;brigen reiche selbst dann die einfache Mehrheit aus, wenn den Kl&auml;gern in ihrer Beurteilung gefolgt werden k&ouml;nne.</P>
<P ALIGN="JUSTIFY"></P>
<P ALIGN="JUSTIFY">Der II. Zivilsenat hat die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Kl&auml;ger zur&uuml;ckgewiesen. Er hatte in diesen F&auml;llen erstmals seit 22 Jahren Gelegenheit, zu dem weit ausgreifenden, die Praxis erheblich verunsichernden Streit im Schrifttum um Grundlage und Grenzen der &uuml;blicherweise als &quot;Holzm&uuml;ller&quot;-Doktrin gekennzeichneten Problematik einer ungeschriebenen Hauptversammlungszust&auml;ndigkeit Stellung zu nehmen. Er ist Vorstellungen, die zu einer erheblichen Ausweitung einer Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung &uuml;ber die gesetzlich angeordneten F&auml;lle hinaus gef&uuml;hrt h&auml;tten, nicht gefolgt und hat insbesondere den Gedanken einer daraus abgeleiteten allgemeinen Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle abgelehnt. Nach dem gesetzlichen Modell der Kompetenzverteilung der Organe der Aktiengesellschaft f&uuml;hrt der Vorstand die Gesch&auml;fte der Gesellschaft in eigener Verantwortung. Dabei wird er von dem von der Hauptversammlung berufenen Aufsichtsrat kontrolliert. Die Aktion&auml;re bestimmen &uuml;ber Inhalt und &Auml;nderung der Satzung und geben damit den Rahmen vor, innerhalb dessen sich der Vorstand, &uuml;ber dessen Gesch&auml;ftsf&uuml;hrung sie im nachhinein zu befinden haben, bei seiner Leitungst&auml;tigkeit zu halten hat. Dieses aus wohl erwogenen Gr&uuml;nden ausbalancierte Verh&auml;ltnis darf nicht ohne zwingende Gr&uuml;nde durch im Gesetz nicht vorgesehene Mitwirkungsbefugnisse der Aktion&auml;re gest&ouml;rt werden. Deswegen hat der II. Zivilsenat in seinen beiden Urteilen vom heutigen Tage im Anschlu&szlig; an die &quot;Holzm&uuml;ller&quot;-Entscheidung ausgesprochen, da&szlig; eine solche Mitwirkung der Hauptversammlung nur in Ausnahmef&auml;llen in Betracht kommt, wenn eine von dem Vorstand in Aussicht genommene Umstrukturierung der Gesellschaft an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, &uuml;ber die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, r&uuml;hrt, weil sie nahezu Ver&auml;nderungen nach sich zieht, die allein durch eine Satzungs&auml;nderung herbeigef&uuml;hrt werden k&ouml;nnen. Wann diese besondere Voraussetzung f&uuml;r eine ungeschriebene Hauptversamlungszust&auml;ndigkeit erf&uuml;llt ist, hat der II. Zivilsenat nicht in allgemeing&uuml;ltiger Weise entschieden, sondern dies &uuml;ber Ausgliederungsf&auml;lle hinaus nur f&uuml;r die Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft als denkbar anerkannt. Auch dann reicht es aber nicht aus, da&szlig; die Schwellenwerte der wirtschaftlichen Bedeutung einer solchen Ma&szlig;nahme zwischen 10% und 50% liegen, wie das Schrifttum erw&auml;gt. Von einer wesentlichen Beeintr&auml;chtigung der ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse der Aktion&auml;re kann vielmehr erst dann gesprochen werden, wenn sie in etwa die Ausma&szlig;e des &quot;Holzm&uuml;ller&quot;-Falls - dort ging es um eine Ausgliederung eines Teilbetriebs, der 80% des Gesellschaftsverm&ouml;gens ausmachte - erreicht. Dann allerdings bedarf die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung wegen der Bedeutung der Ma&szlig;nahme f&uuml;r die Aktion&auml;re - ungeachtet der Tatsache, da&szlig; es sich um eine Gesch&auml;ftsf&uuml;hrungsangelegenheit handelt - einer Dreiviertel-Mehrheit.</P>
<P ALIGN="JUSTIFY"></P>
<P ALIGN="JUSTIFY">In den beiden zu Lasten der Kl&auml;ger ausgegangenen Revisionsverfahren war diese &quot;Wesentlichkeitsschwelle&quot; bei weitem nicht &uuml;berschritten, so da&szlig; es einer Mitwirkung der Hauptversammlung, die der Vorstand nur mit R&uuml;cksicht auf die die Praxis verunsichernde Diskussion um Grund und Grenzen einer ungeschriebenen Hauptversammlungszust&auml;ndigkeit erbeten hatte, nicht bedurfte, der mit einfacher Mehrheit gefa&szlig;te Beschlu&szlig; entgegen der Ansicht der Kl&auml;ger also nicht gesetzwidrig war und das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht die Klagen abgewiesen hatte.</P>
<P ALIGN="JUSTIFY"></P>
<P ALIGN="JUSTIFY">Urteile vom 26. April 2004 - II ZR 154/02 und II ZR 155/02</P>
<P ALIGN="JUSTIFY">Karlsruhe, den 26. April 2004</P>
</FONT><FONT SIZE=2><P>&#9;</FONT><FONT SIZE=1>Pressestelle des Bundesgerichtshofs</P>
<P>&#9;76125 Karlsruhe</P>
<P>&#9;Telefon (0721) 159-5013</P>
<P>&#9;Telefax (0721) 159-5501</P>
</FONT><FONT FACE="Arial"><P ALIGN="JUSTIFY"></P></FONT></BODY>
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