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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- V ZB 147/16
- vom
- 16. März 2017
- in der Transitaufenthaltssache
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- ECLI:DE:BGH:2017:160317BVZB147.16.0
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- Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2017 durch die
- Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Brückner und Weinland und die
- Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf
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- beschlossen:
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- Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer
- des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 2016 wird
- auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.
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- Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
- 5.000 €.
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- Gründe:
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- I.
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- Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht im Wege der
- einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 14. September 2016 den Aufenthalt des Betroffenen in der Asylbewerberunterkunft auf dem Flughafen Frankfurt
- am Main bis zum 26. Oktober 2016 zur Sicherung seiner Abreise angeordnet.
- Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2016 hat sein Verfahrensbevollmächtigter beantragt, den Beschluss des Gerichts aufzuheben, den Betroffenen sofort in
- Freiheit zu setzen und festzustellen, dass der angefochtene Beschluss den Betroffenen seit Stellung des Haftaufhebungsantrags in seinen Rechten verletzt.
- Zudem hat er angekündigt, dass nach Akteneinsicht „die Beschwerde begrün-
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- det“ werde. Das Amtsgericht hat der „Beschwerde“ nicht abgeholfen und die
- Sache dem Landgericht vorgelegt. Dieses hat die „Beschwerde“ als unzulässig
- verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der
- er die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und die Zurückverweisung an
- das Landgericht, hilfsweise an das Amtsgericht zur anderweitigen Behandlung
- und Entscheidung beantragt.
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- II.
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- Nach Ansicht des Beschwerdegerichts handelt es sich bei dem Antrag
- des Betroffenen um eine Beschwerde gegen die Anordnung des Amtsgerichts.
- Dies ergebe sich aus den darin verwendeten Formulierungen „angefochtener
- Beschluss“ und „Beschwerde“. Da die Beschwerdefrist nicht gewahrt sei, sei die
- Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
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- III.
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- Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
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- 1. Sie beanstandet zwar zu Recht, dass das Beschwerdegericht von einer Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung des Amtsgerichts
- ausgegangen ist. Das Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen vom 10. Oktober 2016, in dem von einem „Haftaufhebungsantrag“
- die Rede ist, enthält eindeutig (nur) einen Antrag auf Aufhebung der Haft, über
- den gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG das Amtsgericht zu entscheiden hat.
- Allein ein solcher Antrag war interessegerecht, weil im Zeitpunkt des Eingangs
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- des Schreibens die Frist zur Einlegung einer Beschwerde gegen den Haftanordnungsbeschluss bereits abgelaufen war (vgl. Senat, Beschluss vom
- 21. Juli 2016 - V ZB 42/16, juris Rn. 4). Letzte Zweifel hat der Betroffene - worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist - dadurch ausgeräumt, dass er
- sowohl bei dem Amtsgericht als auch bei dem Landgericht in einem weiteren
- Schriftsatz ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sein Antrag nicht als
- Beschwerde, sondern als Haftaufhebungsantrag zu verstehen sei.
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- 2. Die Rechtsbeschwerde ist aber gleichwohl nicht statthaft.
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- a) Unterbleibt eine Entscheidung über einen Haftaufhebungsantrag aus
- der unzutreffenden rechtlichen Erwägung, es handle sich um eine Beschwerde
- gegen den Haftanordnungsbeschluss, kann die Beschwerdeentscheidung zwar
- grundsätzlich mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden (vgl. Senat,
- Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 17/14, InfAuslR, 2014, 284 Rn. 4). Nach
- einer Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung haben
- sich die vorinstanzlichen Gerichte dann mit dem Aufhebungsantrag zu befassen
- (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juli 2016 - V ZB 42/16, juris Rn. 5).
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- b) Der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde steht im vorliegenden Fall
- aber § 70 Abs. 4 FamFG entgegen. Nach dieser Vorschrift sind die im Wege
- einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG ergangenen Beschlüsse
- über vorläufige Freiheitsentziehungen von der Rechtsbeschwerde ausgenommen. Um eine solche Entscheidung handelt es sich hier. Das Amtsgericht hat
- durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Entscheidung über den Aufenthalt
- des Betroffenen in der Asylbewerberunterkunft auf dem Flughafen getroffen.
- Daher unterliegt die Beschwerdeentscheidung, die Teil des Verfahrens über die
- einstweilige Anordnung ist, nicht der Rechtsbeschwerde.
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- c) Der von der Rechtsbeschwerde herangezogene Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 17. Oktober 1986 - V ZR 169/85,
- BGHZ 98, 362, 364 f.) führt nicht zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde. Der
- Grundsatz der Meistbegünstigung soll die beschwerte Partei vor Nachteilen
- schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen. Hier beruht der
- Ausschluss der Rechtsbeschwerde aber nicht auf der gewählten Entscheidungsform, sondern auf der Sondervorschrift des § 70 Abs. 4 FamFG. Der Betroffene stünde prozessual nicht anders, wenn die Vorinstanzen über den
- Haftaufhebungsantrag entschieden hätten; denn nach § 70 Abs. 4 FamFG findet gegen einen Beschluss im Verfahren über die Aufhebung einer einstweiligen Anordnung die Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht statt. Der Grundsatz der
- Meistbegünstigung führt nicht zu einer dem korrekten Verfahren widersprechenden Erweiterung des Instanzenzugs (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2015
- - XII ZB 586/14, MDR 2015, 1029 Rn. 8 f.).
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- IV.
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- Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des
- Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.
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- Schmidt-Räntsch
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- Brückner
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- Kazele
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- Weinland
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- Hamdorf
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- Vorinstanzen:
- AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 14.09.2016 - 934 XIV 1284/16 LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 21.10.2016 - 2-29 T 214/16 -
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