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16 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VI ZR 634/15
  4. vom
  5. 16. August 2016
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 280, § 823 I; ZPO § 138
  14. Zur sekundären Darlegungslast des Krankenhausträgers bei behaupteten Hygieneverstößen.
  15. BGH, Beschluss vom 16. August 2016 - VI ZR 634/15 - OLG Celle
  16. LG Bückeburg
  17. ECLI:DE:BGH:2016:160816BVIZR634.15.0
  18. -2-
  19. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2016 durch den
  20. Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch, die
  21. Richterin Müller und den Richter Dr. Klein
  22. beschlossen:
  23. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil
  24. des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Oktober
  25. 2015 aufgehoben.
  26. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  27. über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde,
  28. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  29. Streitwert: 97.868,26 €
  30. Gründe:
  31. I.
  32. 1
  33. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung
  34. und unzureichender Aufklärung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
  35. 2
  36. Der am 8. Juli 1973 geborene Kläger litt ab Sommer 2009 unter Beschwerden im rechten Ellenbogen. Im November 2009 wurde er wegen eines
  37. sog. "Tennisarms" krankgeschrieben und konnte seiner Berufstätigkeit als KfzMeister nicht mehr nachgehen. Die Hausärztin des Klägers überwies ihn an das
  38. beklagte Krankenhaus. Dort stellte sich der Kläger erstmalig am 11. Februar
  39. -3-
  40. 2010 vor. Nachdem die zunächst durchgeführten konservativen Maßnahmen
  41. wie Gipsbehandlung, Spritzen, Salbenverbände, Schmerzmittel und Krankengymnastik nicht zu einer Besserung der Beschwerdesymptomatik geführt hatten, stellten die den Kläger behandelnden Ärzte am 4. März 2010 die Indikation
  42. zu einem operativen Eingriff. Die empfohlene Operation wurde am 9. März 2010
  43. durchgeführt. Am 11. März 2010 wurde der Kläger bei reizlosen Wundverhältnissen in die hausärztliche Nachsorge entlassen. Am 19. April 2010 stellte sich
  44. der Kläger erneut in der Sprechstunde der Beklagten vor und berichtete über
  45. anhaltende Schmerzen im rechten Ellenbogen. Die ihn behandelnden Ärzte
  46. stellten eine deutliche Schwellung über der Ecksensorenplatte fest und empfahlen ihm eine Revisionsoperation. Diese wurde für den 30. April 2010 vereinbart.
  47. Aufgrund sehr starker Schmerzen im Bereich des angeschwollenen rechten
  48. Ellenbogengelenks und sichtbarer Eiterbildung stellte sich der Kläger aber bereits am 23. April 2010 bei der Beklagten vor. Am selben Tag wurde die Revision durchgeführt. Die alte Wunde wurde eröffnet. Nachdem sich Eiter entleert
  49. hatte, wurde ein Abstrich genommen. Die Wunde wurde ausgiebig gesäubert
  50. und ein Debridement durchgeführt. Wegen der Wundinfektion wurde eine antibiotische Therapie eingeleitet. Eine Untersuchung des entnommenen Abstrichs
  51. ergab, dass die Wunde mit dem Staphylococus aureus infiziert war, der multisensibel auf Antibiotika reagierte. Eine Nachkontrolle am 10. Mai 2010 ergab
  52. keine Auffälligkeiten. Die Beschwerdesymptomatik verbesserte sich allerdings
  53. nicht wesentlich. Der Kläger stellte sich deshalb am 23. Juni 2010 erneut bei
  54. der Beklagten vor und vereinbarte eine weitere Operation für den 28. Juni 2010.
  55. Hierbei wurde die alte Wunde erneut eröffnet. Ein Keimwachstum wurde nicht
  56. mehr festgestellt. Die Beschwerden des Klägers besserten sich auch nach der
  57. dritten Operation nicht. Der Kläger litt weiter unter einer Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogens und unter einem Schnappen im lateralen Bereich
  58. des Ellenbogens bei körperlicher Belastung. In der A.
  59. -Klinik in
  60. -4-
  61. B.
  62. stellte man eine radiale kollaterale Bandinstabilität fest, wes-
  63. halb eine Seitenbandplastik durch Entnahme eines Bindegewebstreifens aus
  64. dem Oberschenkel durchgeführt wurde. Der Kläger leidet heute noch unter einem Ruhe- und Belastungsschmerz.
  65. 3
  66. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
  67. die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
  68. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
  69. II.
  70. 4
  71. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544
  72. Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung
  73. des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagten sei ein Verstoß gegen Hygienestandards nicht vorzuwerfen, beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung
  74. rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
  75. 5
  76. 1. Ohne Erfolg wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings
  77. gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger müsse einen von der
  78. Beklagten zu verantwortenden Hygienefehler beweisen. Das Berufungsgericht
  79. hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger eine Beweislastumkehr nach den
  80. Grundsätzen über das vollbeherrschbare Risiko nicht zugutekommt.
  81. 6
  82. a) Verwirklicht sich ein Risiko, das von der Behandlungsseite voll hätte
  83. beherrscht werden können und müssen, so muss sie darlegen und beweisen,
  84. dass sie alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen
  85. ergriffen hatte, um das Risiko zu vermeiden (vgl. Senatsurteile vom
  86. 18. Dezember 1990 - VI ZR 189/90, VersR 1991, 310, 311; vom 8. Januar 1991
  87. -5-
  88. - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468; vgl. nunmehr § 630h Abs. 1 BGB). Voll
  89. beherrschbare Risiken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch den Klinikoder Praxisbetrieb gesetzt werden und durch dessen ordnungsgemäße Gestaltung ausgeschlossen werden können und müssen. Sie sind abzugrenzen von
  90. den Gefahren, die aus den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus
  91. bzw. den Besonderheiten des Eingriffs in diesen Organismus erwachsen und
  92. deshalb der Patientensphäre zuzurechnen sind. Denn die Vorgänge im lebenden Organismus können auch vom besten Arzt nicht immer so beherrscht werden, dass schon der ausbleibende Erfolg oder auch ein Fehlschlag auf eine
  93. fehlerhafte Behandlung hindeuten würden (Senatsurteil vom 18. Dezember
  94. 1990 - VI ZR 189/90, VersR 1991, 310, 311). Dem voll beherrschbaren Bereich
  95. ist beispielsweise die Reinheit des benutzten Desinfektionsmittels (Senatsurteil
  96. vom 9. Mai 1978 - VI ZR 81/77, VersR 1978, 764) oder die Sterilität der verabreichten Infusionsflüssigkeit (Senatsurteil vom 3. November 1981 - VI ZR
  97. 119/80, VersR 1982, 161) zuzurechnen. Gleiches gilt für die vermeidbare
  98. Keimübertragung durch an der Behandlung beteiligte Personen (Senatsurteile
  99. vom 20. März 2007 - VI ZR 158/06, BGHZ 171, 358 Rn. 8 f.; vom 8. Januar
  100. 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468). All diesen Fällen ist gemeinsam,
  101. dass objektiv eine Gefahr besteht, deren Quelle jeweils festgestellt und die
  102. deshalb mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (Senatsurteil vom
  103. 20. März 2007 - VI ZR 158/06, BGHZ 171, 358 Rn. 11). Bei ungeklärter Infektionsquelle kommt eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach den
  104. Grundsätzen über das voll beherrschbare Risiko dagegen nicht in Betracht. Sie
  105. tritt vielmehr nur dann ein, wenn feststeht, dass der Gesundheitsschaden aus
  106. der von der Behandlungsseite vollbeherrschbaren Sphäre hervorgegangen ist
  107. (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - VI ZR 158/06, BGHZ 171, 358 Rn. 9;
  108. vom 17. Januar 2012 - VI ZR 336/10, VersR 2012, 363 Rn. 20; vom
  109. -6-
  110. 18. Dezember 1990 - VI ZR 189/90, VersR 1991, 310, 311; vom 8. Januar 1991
  111. - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468).
  112. 7
  113. b) Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts steht nicht fest, wo und wann
  114. sich der Kläger infiziert hat. Der bei ihm nachgewiesene Erreger ist ein physiologischer Hautkeim, der bei jedem Menschen vorzufinden ist. Es ist möglich,
  115. dass der Kläger selbst Träger des Keims war und dieser in die Wunde gewandert ist oder der Keim durch einen Besucher übertragen worden ist.
  116. 8
  117. 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich aber mit Erfolg gegen
  118. die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Verstoß gegen
  119. Hygienestandards nicht bewiesen, er habe insoweit nur Mutmaßungen mitgeteilt. Sie macht zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht den Prozessstoff
  120. nicht vollständig gewürdigt und wesentliche, dem Kläger günstige Ausführungen
  121. des gerichtlichen Sachverständigen unberücksichtigt gelassen hat.
  122. 9
  123. a) Nach dem mangels abweichender Feststellungen zu unterstellenden
  124. Sachvortrag des Klägers war er im Anschluss an die Operation vom 9. März
  125. 2010 in einem Zimmer neben einem Patienten untergebracht, der unter einer
  126. offenen, eiternden und mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt,
  127. sein "offenes Knie" dem Kläger und allen anderen Anwesenden bei den verschiedenen Verbandswechseln zeigte und darüber klagte, dass man den Keim
  128. nicht "in den Griff" bekomme.
  129. 10
  130. b) Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht und das
  131. Berufungsgericht im Ansatz gesehen hat, ist die gemeinsame Unterbringung
  132. eines Patienten mit einer offenen infizierten Wunde neben einem Patienten, der
  133. einen unauffälligen postoperativen Heilverlauf aufweist, nach den Ausführungen
  134. des gerichtlichen Sachverständigen dann nicht zu beanstanden, wenn folgende
  135. -7-
  136. Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert-Koch-Institutes eingehalten werden:
  137. - "Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet",
  138. - "Zur Beherrschbarkeit von Infektionsrisiken primum non nocere",
  139. - "Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven
  140. Eingriffen"
  141. - "Anforderungen der Hygiene beim ambulanten Operieren im Krankenhaus und Praxis".
  142. 11
  143. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet mit Erfolg, dass die Feststellung des Berufungsgerichts, der gerichtliche Sachverständige habe keine
  144. Anhaltspunkte für eine Verletzung der von ihm beschriebenen Hygienestandards gefunden, in den Ausführungen des Sachverständigen keine Grundlage
  145. findet. Der Sachverständige hatte vielmehr angegeben, es entziehe sich seiner
  146. Kenntnis, inwieweit die vom Robert-Koch-Institut veröffentlichten Empfehlungen
  147. im Rahmen der damaligen ersten stationären Behandlung des Klägers beachtet
  148. worden seien; hier müsse ggf. eine entsprechende Recherche betrieben werden, z.B. dazu, ob die Vorschriften zur hygienischen Händedesinfektion und
  149. zum Verbandswechsel unter keimarmen Bedingungen eingehalten worden seien. Dies könne er aus den ihm vorgelegten Unterlagen nicht ableiten. Er selbst
  150. vermeide derartige Patientenkonstellationen, um derartige Diskussionen nicht
  151. führen zu müssen.
  152. 12
  153. c) Diese ihm günstigen Ausführungen des Sachverständigen hatte sich
  154. der Kläger zumindest konkludent zu Eigen gemacht (vgl. Senatsurteil vom
  155. 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger; Senatsbeschlüsse vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, VersR 2010, 497
  156. Rn. 5; vom 4. Dezember 2012 - VI ZR 320/11, juris Rn. 4; vom 14. Januar 2014
  157. -8-
  158. - VI ZR 340/13, VersR 2014, 632 Rn. 11; vom 24. März 2015 - VI ZR 179/13,
  159. NJW 2015, 2125 Rn. 17). Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass
  160. eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden Umstände, soweit
  161. sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind, auch ohne dahingehende ausdrückliche Erklärung in ihr Klagevorbringen aufnimmt. Dieser Grundsatz verdient im Arzthaftungsprozess nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zugunsten des geschädigten Patienten umso mehr Beachtung, als der Patient im allgemeinen die medizinischen Vorgänge und Zusammenhänge nur
  162. unvollkommen zu überblicken vermag und deshalb in gewissem Umfange darauf angewiesen ist, dass der Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufbereitet wird (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR
  163. 102/90, VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger). Die Nichtberücksichtigung der
  164. die Rechtsposition des Klägers stützenden Ausführungen des Sachverständigen bedeutet, dass erhebliches Vorbringen des Klägers im Ergebnis übergangen und damit dessen verfassungsrechtlich gewährleisteter Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse
  165. vom 1. Juli 2014 - VI ZR 243/10, juris Rn. 8; vom 14. Januar 2014 - VI ZR
  166. 340/13, VersR 2014, 632 Rn. 11).
  167. 13
  168. d) Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht
  169. ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen zu einer anderen Beurteilung
  170. gelangt wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 230/12,
  171. VersR 2014, 586 Rn. 7 mwN).
  172. 14
  173. 3. Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit
  174. haben, auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Es wird dabei
  175. zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Maßnahmen trifft, die sie ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die
  176. -9-
  177. vom Sachverständigen als Voraussetzung für ein behandlungsfehlerfreies Vorgehen aufgeführten Hygienebestimmungen eingehalten wurden (vgl. auch OLG
  178. München, Urteil vom 6. Juni 2013 - 1 U 319/13, GesR 2013, 618 Rn. 37; Stöhr,
  179. GesR 2015, 257, 261; Schultze-Zeu/Riehn, VersR 2012, 1208, 1212). Zwar
  180. muss grundsätzlich der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten, aus denen
  181. sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedarf aber einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihr eine nähere Substantiierung nicht
  182. möglich oder nicht zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen
  183. Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 2005
  184. - VI ZR 179/04, BGHZ 163, 210 Rn. 18; vom 10. Februar 2013 - VI ZR 343/13,
  185. NJW-RR 2015, 1279 Rn. 11; vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, VersR 2016, 666
  186. Rn. 47 f. - jameda.de II; vom 28. Juni 2016 - VI ZR 559/14, juris Rn. 18; BGH,
  187. Urteil vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, WM 2016, 1231 Rn. 19). So verhält es
  188. sich hier. Der Kläger hatte konkrete Anhaltspunkte für einen Hygienevorstoß
  189. vorgetragen. Er hatte insbesondere darauf hingewiesen, dass er als frisch operierter Patient neben einen Patienten gelegt worden war, der unter einer offenen, mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt und sein "offenes
  190. Knie" allen Anwesenden zeigte. Dieser Vortrag genügt, um eine erweiterte Darlegungslast der Beklagten auszulösen. Denn an die Substantiierungspflichten
  191. der Parteien im Arzthaftungsprozess sind nur maßvolle und verständige Anforderungen zu stellen. Vom Patienten kann regelmäßig keine genaue Kenntnis
  192. der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden. Er ist insbesondere nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches
  193. Fachwissen anzueignen. Vielmehr darf er sich auf Vortrag beschränken, der die
  194. Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für
  195. den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03,
  196. - 10 -
  197. BGHZ 159, 245, 252; vom 24. Februar 2015 - VI ZR 106/13, VersR 2015, 712
  198. Rn. 19). Zu der Frage, ob die Beklagte den vom Sachverständigen genannten
  199. Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert-Koch-Institutes nachgekommen ist, konnte und musste der Kläger nicht näher vortragen. Er stand insoweit außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs. Welche Maßnahmen die Beklagte getroffen hat, um eine
  200. sachgerechte Organisation und Koordinierung der Behandlungsabläufe und die
  201. Einhaltung der Hygienebestimmungen sicherzustellen (interne Qualitätssicherungsmaßnahmen, Hygieneplan, Arbeitsanweisungen), entzieht sich seiner
  202. Kenntnis (vgl. Stöhr, GesR 2015, 257, 261; Schultze-Zeu/Riehn, VersR 2012,
  203. 1208, 1212).
  204. Galke
  205. von Pentz
  206. Müller
  207. Offenloch
  208. Klein
  209. Vorinstanzen:
  210. LG Bückeburg, Entscheidung vom 07.04.2015 - 2 O 244/13 OLG Celle, Entscheidung vom 12.10.2015 - 1 U 29/15 -