|
|
- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 5 StR 400/18
- vom
- 12. September 2018
- in der Strafsache
- gegen
-
- wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
-
- ECLI:DE:BGH:2018:120918B5STR400.18.0
-
- -2-
-
- Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. September 2018 gemäß § 349
- Abs. 4 StPO beschlossen:
-
- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 22. Januar 2018 mit den zugrundeliegenden
- Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt
- worden ist.
- Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
- über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
- des Landgerichts zurückverwiesen.
-
- Gründe:
- 1
-
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 95 Fällen, hiervon in 26 Fällen mit einer nicht geringen Menge,
- unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einem Urteil des Amtsgerichts Senftenberg zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen, hiervon in fünf
- Fällen mit einer nicht geringen Menge, und wegen unerlaubten Besitzes einer
- Schusswaffe und von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (bei bestimmter Vorwegvollzugsdauer) sowie
- die Einziehung von 12.600 Euro als Tatertrag und des Wertes des Tatertrages
- in Höhe von 124.790 Euro angeordnet. Die hiergegen erhobene Revision ist mit
-
- -3-
-
- der Sachrüge erfolgreich. Auf die zudem erhobenen Verfahrensrügen kommt
- es daher nicht mehr an.
- 2
-
- 1. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte in Mengen von einem bis 200 Gramm Crystal an die gesondert Verfolgten
-
- G.
-
- (zehn Fälle von Juli 2015 bis Anfang April 2016, wobei dieser zugleich Marihuana und im letzten Fall zudem Amphetamine erwarb),
- le von September 2015 bis 6. April 2017),
- tember 2016 bis 6. April 2017),
- bis 19. Februar 2017) sowie
-
- Ma.
- T.
-
- F.
-
- M.
-
- (75 Fäl-
-
- (neun Fälle von Sep-
-
- (neun Fälle von November 2016
-
- (sieben Fälle vom 24. Juni 2016 bis
-
- 19. Januar 2017). Am 6. April 2017 besaß der Angeklagte neben zum Handeln
- vorgesehenen Betäubungsmitteln (1.682,38 Gramm Methamphetamin Crystal,
- 793,19 Gramm Haschisch, 159,52 Gramm Marihuana, 81,22 Gramm Kokain
- und 738 LSD-Trips) eine neben einer Geldzählmaschine und aus Drogengeschäften stammenden 12.000 Euro aufbewahrte Pistole Ceska Zbrojovka (Modell CZ 50, Kaliber 7,65 mm Browning) mit passender Munition.
- 3
-
- 2. Diesen Feststellungen liegt eine nicht tragfähige Beweiswürdigung zugrunde. Sie erweist sich – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2015 – 5 StR 79/15
- mwN) – in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft. Dies führt zur Aufhebung des
- Urteils, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
-
- 4
-
- a) Den insofern schweigenden Angeklagten hat das Landgericht hinsichtlich der Lieferungen an seinen Abnehmer
-
- Ma.
-
- im Wesentlichen
-
- durch dessen Angaben bei seiner staatsanwaltschaftlichen Beschuldigtenvernehmung als überführt angesehen. Dieser hatte angegeben, die Lieferung am
- 19. Februar 2017 sei „außerplanmäßig“ erfolgt, „bevor der Angeklagte sich für
- längere Zeit in stationäre Behandlung begeben habe“. Angesichts dessen hätte
-
- -4-
-
- erläutert werden müssen, wie das Landgericht hat feststellen können, dass der
- Kunde
-
- M.
-
- bis Ende März 2017 weiterhin wöchentlich beim Ange-
-
- klagten – in den meisten Fällen in dessen Wohnung – Crystal hat erwerben
- können.
- 5
-
- Vergleichbares gilt für die jeweils auf Anfang Januar 2017 datierten, vom
- Angeklagten ebenfalls nicht eingeräumten Geschäfte mit den Erwerbern Ma.
- und M.
-
- , der auch in diesem Zeitraum wöchentlich kaufte. Denn nach den
-
- Feststellungen stand eine Ägyptenreise des Angeklagten bevor, nachdem dieser kurz vor Silvester 2016 Crystal an
- 6
-
- F.
-
- übergeben hatte.
-
- b) Das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass sämtliche am 6. April 2017 beim Angeklagten bzw. in ihm zuzurechnenden Räumen sichergestellten Betäubungsmittel zum Handeltreiben bestimmt waren. Dies hätte jedoch
- angesichts des seit vielen Jahren polytoxikomanen, insbesondere Crystal konsumierenden und gerade zur Finanzierung seines Konsums handelnden Angeklagten der Erläuterung bedurft, weil weitere zum Eigenverbrauch geeignete
- Substanzen nicht aufgefunden wurden. Das diesbezügliche Schweigen des
- Angeklagten entband das Landgericht nicht von einer entsprechenden Prüfung.
- Vielmehr hätte die für den Eigenkonsum bestimmte Menge gegebenenfalls geschätzt werden müssen.
-
- 7
-
- c) Schließlich hätte das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung
- prüfen müssen, ob und inwieweit einzelne Verkaufsmengen jeweils aus einem
- hierfür vorgesehenen Vorrat stammten. Zwar ist es nach ständiger Rechtsprechung nicht geboten, zugunsten eines Angeklagten eine Tatvariante zu unterstellen, für die ein realer Anknüpfungspunkt fehlt (vgl. nur BGH, Urteil vom
- 21. Juni 2007 – 5 StR 532/06). Hier aber bestanden zahlreiche Anhaltspunkte
- dafür, dass der Angeklagte sich nicht vor jedem Verkauf die entsprechende
-
- -5-
-
- Menge erst beschafft hatte. Dies gilt insbesondere für die Geschäfte mit nur
- wenigen Gramm Crystal. Vielmehr hatte der Angeklagte am 6. April 2017 eine
- die üblichen Margen bei weitem überschreitende Betäubungsmittelmenge vorrätig, einen Großteil hiervon aufbewahrt in einem Rucksack. Die Zeiträume der
- Verkäufe an die fünf Abnehmer überlappten sich erheblich. Soweit er dem Käufer Ma.
-
- kleinere Crystalmengen überließ, entnahm er diese jeweils einer un-
-
- ter dem Wohnzimmertisch aufbewahrten Tüte mit einem größeren Vorrat. Bei
- der Lieferung am 6. April 2017 äußerte er gegenüber dem Abnehmer M.
-
- ,
-
- dieser wäre der erste, welcher an diesem Tag beliefert würde. Tatsächlich kam
- es im Anschluss hieran zum Betäubungsmittelgeschäft mit dem Käufer F.
- .
- 8
-
- 3. Die fehlerhafte Beweiswürdigung führt nicht nur zur Aufhebung der
- wegen der Betäubungsmitteltaten ergangenen Schuldsprüche, sondern auch
- desjenigen wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz, jeweils einschließlich der zugrundeliegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Denn nach
- den bisherigen Feststellungen kommt insofern in Betracht, dass dieses Delikt
- wegen der Aufbewahrung von Waffe und Munition gemeinsam mit Taterlösen
- aus Betäubungsmittelgeschäften und einem diesen dienenden Tatmittel mit
- dem am 6. April 2017 begangenen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
- Tateinheit steht. Dies alles bedingt den Wegfall sämtlicher Rechtsfolgenentscheidungen.
-
- 9
-
- 4. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
-
- 10
-
- Sollte in den Fällen 1 bis 10 wiederum festgestellt werden, dass der Käufer G.
-
- die auf Kommission erworbenen Betäubungsmittel jeweils persön-
-
- lich bezahlt hat, wenn er die nächste Lieferung vereinbarte, so wird das Gesamtgeschehen als einheitliche Tat zu bewerten sein (vgl. BGH [Großer Senat
-
- -6-
-
- für Strafsachen], Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17). Sofern die Feststellungen erneut ergeben, dass auch die Kunden M.
- se) und F.
-
- (jedenfalls teilwei-
-
- „auf Kommission“ gekauft haben, werden mit Blick auf die
-
- soeben zitierte Rechtsprechung die näheren Umstände der Geschäftsabwicklungen aufzuklären sein.
- 11
-
- Der Freispruch vom Vorwurf, am 6. April 2017 dem Abnehmer M.
- 20 Gramm Crystal verkauft zu haben, geht ins Leere. Denn das Landgericht hat
- sich vom als Tat 86 angeklagten Geschehen zwar überzeugt, es aber – nach
- den bisherigen Feststellungen zutreffend – als Teil des abgeurteilten Handeltreibens mit der am selben Tag beim Angeklagten sichergestellten Betäubungsmittelmenge angesehen. Ein Angeklagter kann jedoch nicht wegen einer
- Tat verurteilt und wegen derselben freigesprochen werden. Daran ändert auch
- die Aufnahme in die Anklageschrift als tatmehrheitliche Fälle nichts (vgl. BGH,
- Urteil vom 24. September 1998 – 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 202; MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 260 Rn. 13). Eine Aufhebung des Freispruchs kommt vorliegend nicht in Betracht. Denn der Angeklagte ist aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden, soweit ihm drei weitere Taten zur
- Last gelegt wurden.
-
- 12
-
- Angesichts der relativ geringen Höhe der einbezogenen Strafen aus dem
- nach den bisherigen Feststellungen eine Zäsur bildenden Urteil des Amtsgerichts Senftenberg (eine sechsmonatige Freiheitsstrafe und zwei 30 Tagessätze
- betragende Geldstrafen) wird das neue Tatgericht bei der Bemessung der Gesamtstrafen das Gesamtstrafübel im Blick zu behalten haben (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2000 – 4 StR 488/00).
-
- -7-
-
- 13
-
- Da der Angeklagte auf die Rückgabe der sichergestellten, direkt aus Betäubungsmittelgeschäften herrührenden 12.600 Euro wirksam verzichtet hat,
- bedarf es insoweit keiner Einziehungsanordnung mehr (vgl. BGH, Urteil vom
- 10. April 2018 – 5 StR 611/17, NStZ 2018, 333). Sofern wiederum die Einziehung des Wertes des Tatertrages angeordnet werden sollte, wird der gesamte
- Verzichtsbetrag hiervon abzuziehen sein.
- Mutzbauer
-
- Sander
- Berger
-
- Schneider
- Köhler
-
|