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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 128/05
  5. Verkündet am:
  6. 21. November 2007
  7. Breskic,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 21. November 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
  15. Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer
  18. des Landgerichts Nürnberg Fürth vom 15. Juli 2005 aufgehoben.
  19. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts
  20. Nürnberg vom 27. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
  21. Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen die Beklagte rückständige Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.
  26. 2
  27. Nach einem Verkehrsunfall am 30. Juli 2003, bei dem der Pkw der Beklagten beschädigt worden war, mietete diese am gleichen Tag von der Klägerin einen Ersatzwagen zum Unfallersatztarif.
  28. 3
  29. Mit Rechnung vom 28. April 2003 machte die Klägerin insgesamt
  30. 3.141,17 € geltend.
  31. -3-
  32. 4
  33. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, dessen volle Haftung für
  34. den Unfallschaden nicht streitig ist, zahlte 979,92 €, den Betrag, der bei
  35. Zugrundelegung des von der Klägerin über das Internet angebotenen Tarifs
  36. angefallen wäre. Die Differenz von 2.161,26 € verlangt die Klägerin von der Beklagten.
  37. 5
  38. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 2.161,26 €
  39. verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
  40. Entscheidungsgründe:
  41. 6
  42. Die Revision hat Erfolg.
  43. 7
  44. 1. Das Landgericht hat ausgeführt, ein gewerbliches Mietwagenunternehmen sei nicht verpflichtet, ungefragt auf eigene günstigere Tarifgestaltungen
  45. oder gar auf mögliche Schwierigkeiten bei der Schadensregulierung im Zusammenhang mit dem sogenannten Unfallersatztarif hinzuweisen. Der Beklagten stehe deshalb kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht zu. Der Mietvertrag verstoße auch nicht gegen § 138 Abs. 1, 2
  46. BGB. Für die Ausnutzung einer Schwächesituation, wie sie § 138 Abs. 2 BGB
  47. verlange, liege kein Anhaltspunkt vor. Für eine Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1
  48. BGB fehle es an der verwerflichen Gesinnung.
  49. 8
  50. 2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
  51. 9
  52. a) Im Ergebnis richtig ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag nicht wegen
  53. -4-
  54. Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) nichtig ist. Der Senat hat sich
  55. - nach Erlass des Berufungsurteils - in seinen Entscheidungen vom 10. Januar
  56. 2007 - XII ZR 72/04 - NJW 2007, 1447 und vom 7. Februar 2007 - XII ZR
  57. 125/04 - NJW 2007, 2181 mit der Frage der Sittenwidrigkeit von Mietverträgen
  58. bei Vereinbarung eines Unfallersatztarifs befasst. Danach können die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.) einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, wenn sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung
  59. nach § 249 BGB erforderlich sind. Eine Sittenwidrigkeit kann sich grundsätzlich
  60. nicht schon daraus ergeben, dass der Unfallersatztarif über dem sogenannten
  61. Normaltarif liegt. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob der im Einzelfall verlangte
  62. Unfallersatztarif den auf dem Markt üblichen Unfallersatztarif in sittenwidriger
  63. Weise übersteigt. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass unter diesem Gesichtspunkt bei Berücksichtigung der Risiken des Vermieters die Grenze zur
  64. Sittenwidrigkeit überschritten ist.
  65. 10
  66. b) Mit Erfolg macht die Revision aber geltend, dass das Berufungsgericht
  67. zu Unrecht eine Aufklärungspflicht verneint hat. Der Senat hat - nach Erlass des
  68. Berufungsurteils - eine Aufklärungspflicht gegenüber den Interessenten eines
  69. Unfallersatzwagens bejaht (Senatsurteile vom 28. Juni 2006 - XII ZR 50/04 NJW 2006, 2618 f.; vom 10. Januar 2007 - XII ZR 72/04 - aaO; vom 7. Februar
  70. 2007 - XII ZR 125/04 - aaO; vom 27. Juni 2007 - XII ZR 53/05 - NJW 2007,
  71. 2759; vom 24. Oktober 2007 - XII ZR 155/05 -). Zwar muss der Vermieter nicht
  72. über den gespaltenen Tarifmarkt, d.h. weder über die eigenen verschiedenen
  73. Tarife noch über günstigere Angebote der Konkurrenz aufklären; es ist grundsätzlich Sache des Mieters, sich zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Ver-
  74. -5-
  75. tragsbedingungen für ihn von Vorteil sind oder nicht. Bietet der Vermieter dem
  76. Unfallgeschädigten aber einen Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf
  77. dem örtlich relevanten Markt liegt, und besteht deshalb die Gefahr, dass die
  78. Haftpflichtversicherung des Unfallgegners nicht den vollen Tarif übernimmt, so
  79. muss er den Mieter darüber aufklären. Danach ist es erforderlich, aber auch
  80. ausreichend, den Mieter deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen,
  81. dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.
  82. 11
  83. c) Danach steht dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c.
  84. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB) zu, den er der geltend gemachten
  85. Mietzinsforderung entgegenhalten kann (Senatsurteil vom 10. Januar 2007
  86. aaO). Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Landgericht
  87. -6-
  88. Bezug genommen hat, hätte die Beklagte bei ausreichender Aufklärung ein
  89. Kraftfahrzeug zu einem Tarif von 979,92 € angemietet und sich damit Kosten in
  90. Höhe der Klageforderung erspart.
  91. Hahne
  92. Sprick
  93. Ahlt
  94. Fuchs
  95. Vézina
  96. Vorinstanzen:
  97. AG Nürnberg, Entscheidung vom 27.10.2004 - 21 C 4640/04 LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 15.07.2005 - 16 S 11842/04 -