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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- XII ZB 221/14
- vom
- 10. September 2014
- in der Betreuungssache
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- Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2014 durch
- den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
- Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
- beschlossen:
- Auf ihre Gegenvorstellung wird der Betroffenen ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bewilligt
- und Rechtsanwalt W.
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- beigeordnet.
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- Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der
- 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 20. März 2014
- aufgehoben.
- Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
- über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
- Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
- Beschwerdewert: 5.000 €
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- Gründe:
- I.
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- Die 85jährige Betroffene leidet unter einer organisch wahnhaften Störung
- mit chronifiziertem Wahn. Unter Ausnutzung ihrer Wahnvorstellungen wurde sie
- von einem Betrüger über einen längeren Zeitraum mit Wahrsagung manipuliert.
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- An ihn zahlte die Betroffene mehrfach Geldbeträge in Höhe von insgesamt mindestens 3.500 €, wodurch sie sich zu verschulden drohte.
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- Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, Bestellung eines
- Verfahrenspflegers und persönlicher Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht in ihrem Einverständnis eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten einschließlich Empfang und Öffnen der Post eingerichtet und die Beteiligte zu 1 (Betreuerin) als Berufsbetreuerin bestimmt.
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- Dagegen hat die Betreuerin im Namen der Betroffenen Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, dass die Betroffene ihr Einverständnis
- mit der Betreuung widerrufen habe. Das Landgericht hat die Beschwerde nach
- erneuter Anhörung der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die
- Rechtsbeschwerde der Betroffenen.
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- II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
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- 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Betroffene infolge einer psychischen Krankheit nicht
- in der Lage sei, ihre Angelegenheiten in den übertragenen Aufgabenkreisen
- selbst zu besorgen. Die Einrichtung der Betreuung sei daher auch gegen den
- Willen der Betroffenen erforderlich, da diese zu einer freien Willensbestimmung
- nicht in der Lage sei.
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- 2. Die Rechtsbeschwerde rügt zutreffend, dass die Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist.
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- Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich
- im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 275 FamFG) zur Verfügung zu
- stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG
- abgesehen werden (Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 691/12 FamRZ 2013, 1725 Rn. 11 mwN).
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- Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren nicht gerecht. Aus
- der Gerichtsakte lässt sich nicht ersehen, dass das vom Amtsgericht eingeholte
- Gutachten der Betroffenen bekannt gegeben worden ist. Ebenso wenig enthält
- das Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass die Betroffene
- durch dessen Bekanntgabe an sie Gesundheitsnachteile entsprechend § 288
- Abs. 1 FamFG zu befürchten hätte.
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- Der angefochtene Beschluss beruht auf diesem Verfahrensfehler. Denn
- es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei ordnungsgemäßem Verfahren zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
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- Dose
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- Weber-Monecke
- Nedden-Boeger
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- Klinkhammer
- Guhling
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- Vorinstanzen:
- AG Brakel, Entscheidung vom 06.02.2014 - 4 XVII Z 4016 LG Paderborn, Entscheidung vom 20.03.2014 - 5 T 83/14 -
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