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- BUNDESGERICHTSHOF
- IM NAMEN DES VOLKES
- URTEIL
- X ZR 197/03
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- Verkündet am:
- 13. Juni 2006
- Wermes
- Justizhauptsekretär
- als Urkundsbeamter
- der Geschäftsstelle
- in dem Rechtsstreit
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- Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Dr. Kirchhoff
- für Recht erkannt:
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- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats
- des Kammergerichts vom 12. September 2003 aufgehoben, soweit
- darin die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zu 1 a im
- Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 23. Juni
- 2000 zurückgewiesen worden ist.
- Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
- auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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- Von Rechts wegen
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- Tatbestand:
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- Die Klägerin und die Beklagte zu 1 sind Wettbewerber auf dem Gebiet
- der Herstellung und des Vertriebs von Kapillarrohrmatten. Der Beklagte zu 2 ist
- Inhaber des europäischen Patents 0 299 909, das eine Raumdecke aus Metallplatten betrifft, die zum Heizen oder Kühlen eingesetzt werden kann.
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- Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
- "Aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese bestehende Raumdecke, die von einem Heiz- oder Kühlmedium durchströmbare rohrförmige Leitungen zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte innerhalb des Raumes trägt,
- d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die rohrförmigen Leitungen als flexible Röhrchen (4) ausgebildet sind, die mattenförmig
- zusammengefasst lose auf den Metallplatten (1) direkt aufliegen."
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- Die Klägerin wurde in einem Vorprozess, in dem der Senat ebenfalls
- durch Urteil vom 13. Juni 2006 entschieden hat, verurteilt, es zu unterlassen, im
- Bereich der Bundesrepublik Deutschland aus flexiblen Röhrchen bestehende
- Matten an Dritte anzubieten oder zu liefern, die geeignet und bestimmt sind, zur
- Leitung eines Heiz- oder Kühlmediums vorgesehen und für die Herstellung von
- aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese bestehenden Raumdecken, bei denen Matten direkt lose auf den Metallplatten aufliegen, verwendet
- zu werden. Zugleich wurde die Klägerin dazu verurteilt, über derartige seit dem
- 1. Oktober 1995 vorgenommene Handlungen Rechnung zu legen, und es wurde festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, den aus solchen Handlungen
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- entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Berufung gegen dieses Urteil des
- Landgerichts Berlin wies das Kammergericht durch Urteil vom 12. September
- 2003 zurück. Dieses Urteil verschickte die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer
- der Beklagte zu 2 ist, auch an Kunden der Klägerin und fügte eine so genannte
- "Beschreibung der Ist-Situation" bei, in der sie Ausführungen zum angeblichen
- Schutzbereich des Patents machte. Dort heißt es, das Patent umfasse auch
- Ausführungen, bei denen die gelochten Deckenplatten mit Akustikvlies ausgerüstet seien, wobei die Kapillarrohrmatten durch Akustikmatten und Blech- oder
- Gipskarton abgedeckt würden. Weiter heißt es dort:
- "Anspruch 1 sagt, dass die Kapillarrohre 'direkt' auf den Platten aufliegen. Eine immer häufiger anzutreffende Ausführung von
- Akustikdecken verwendet in etwa 0,3 mm starkes Akustikvlies, das
- auf die gelochten Blechplatten aufgeklebt wird. In diesem Fall können die KaRo-Matten natürlich nur auf das Vlies und nicht mehr direkt auf das Blech gelegt werden. Auch diese Ausführung ist von
- dem Anspruch 1 abgedeckt, da das Akustikvlies nicht zu Verbesserung der Kühlleistung eingesetzt wird, sondern als Akustikvlies Bestandteil der Deckenplatte ist."
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- Gegen die Versendung des Begleitschreibens wendet sich die Klägerin,
- soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, mit dem Antrag,
- die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen
- Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit der Beschreibung der Reichweite des zugunsten des Beklagten zu 2 erteilten europäischen Patents 0 299 909 zu behaupten, dieses umfasse auch "auf einem Akustikvlies aufliegende Kapillarrohrmatten",
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- bei denen die Matten nicht mehr direkt auf das Blech, sondern auf
- das Akustikvlies selbst gelegt würden.
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- Das Landgericht hat antragsgemäß erkannt. Die Berufung hiergegen ist
- ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat die Revision zugelassen, mit der die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollen. Die Klägerin tritt
- dem Rechtsmittel entgegen.
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- Entscheidungsgründe:
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- Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung
- und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.
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- 1. Das Berufungsgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung der Behauptung verurteilt, der Schutzbereich des europäischen Patents
- 0 299 909 umfasse auch auf einem Akustikvlies aufliegende Kapillarrohrmatten.
- Zur Begründung hat es ausgeführt, es gehe vorliegend nicht um die im Verletzungsprozess bereits entschiedene Frage, ob die Klägerin flexible Röhrchen
- verwenden dürfe, die befüllt mit Wasser aus sich heraus in der Lage seien,
- recht großflächig auf einem Blech lose aufzuliegen. Denn die Röhrchen würden
- nicht in diesem Sinne flexibel verwendet, wenn sie auf ein Akustikvlies aufgeklebt würden. Diese Verwendungsweise betreffe die Unteransprüche 6 und 11
- des Patents. Aus den abhängigen Unteransprüchen könne Patentschutz jedoch
- nur in Verbindung mit dem rückbezogenen unabhängigen Hauptanspruch begehrt werden. Ein selbständiger Schutz der Elemente eines Unteranspruchs
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- scheide im Rahmen des § 14 PatG aus. Da die Unteransprüche 6 und 11 den
- Schutzbereich des Patents nicht erweiterten, sei die von der Beklagten zu 1 in
- dem Rundschreiben beanstandete Verwendung von auf einem Akustikvlies aufliegenden Kapillarmatten, bei denen die Matten nicht mehr direkt auf das Blech,
- sondern auf das Akustikvlies selbst aufgeklebt würden, nicht vom Schutzbereich des Patents erfasst.
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- 2. Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
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- Die Klägerin macht einen Anspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 UWG
- geltend. Sie beanstandet die sachliche Richtigkeit der im Klageantrag wiedergegebenen Äußerung der Beklagten. Voraussetzung eines solchen Anspruchs
- ist eine hinreichend konkrete Gefahr einer Beeinträchtigung des geschützten
- Rechts. Eine solche muss im Verfahren festgestellt werden. Sie liegt vor, wenn
- Verletzungen des geschützten Rechts ernstlich und konkret als unmittelbar bevorstehend zu besorgen sind (BGH, Urt. v. 26.4.1990 - I ZR 99/88, NJW 1990,
- 2469, 2470 - Anzeigenpreis II; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und
- Verfahren, 8. Aufl., Kap. 10 Rdn. 1 ff.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 8 UWG Rdn. 1.9 ff.; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. Rdn. 567). Das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr
- setzt eine wettbewerbswidrige rechtswidrige Handlung des Verletzers voraus
- (BGH, Urt. v. 9.11.1995 - I ZR 212/93, GRUR 1996, 290, 291 - Wegfall der
- Wiederholungsgefahr). Das Vorhandensein dieser konkreten Gefahr hat das
- Berufungsgericht bisher nicht festgestellt. Es hat nicht festgestellt, dass die Beklagte die im Tenor des landgerichtlichen Urteils wiedergegebene Äußerung
- aufgestellt hat. Eine Wiederholungsgefahr bestünde daher nur, wenn sich diese
- Äußerung als eine Verallgemeinerung der Äußerungen darstellen würde, die die
- Beklagte zu 1 in ihrer "Beschreibung der Ist-Situation" gemacht hat.
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- Ist dies der Fall, so setzt der Anspruch der Klägerin weiter voraus, dass
- diese Äußerung wettbewerbswidrig und rechtswidrig war. Hierzu kommt es auf
- die Auslegung des im Streit befindlichen Patents an, die der Senat im Revisionsverfahren X ZR 153/03 wie folgt vorgenommen hat:
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- Das Klagepatent betrifft eine Raumdecke, die aus Metallplatten und einer
- Tragekonstruktion besteht. Die Klagepatentschrift bezeichnet es als bekannt,
- bei solchen Raumdecken an den Platten oder der Tragekonstruktion Rohre für
- den Durchlauf eines Heiz- oder Kühlmediums zu befestigen. Dabei sei es anzustreben, dass die Verbindung zwischen den Metallplatten und den Rohren möglichst gleichmäßig fest und gut wärmeleitend sei, um eine hohe Wärme- bzw.
- Kühlwirkung zu erzielen. Bei den bekannten Konstruktionen sei eine Vielzahl
- von Rohrverbindungsstellen erforderlich, wodurch die Montage erschwert werde
- und sich die Gefahr von Undichtigkeiten erhöhe. Auch das Auswechseln einzelner Metallplatten wie auch der Rohre werde dadurch kompliziert. Vor diesem
- Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung,
- eine aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese bestehende
- Raumdecke, die von einem Heiz- oder Kühlmedium durchströmbare rohrförmige Leitungen zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte innerhalb des
- Raums trägt, zu schaffen, die sich einfach montieren lässt und auch spätere
- Reparatur- oder Wartungsarbeiten ohne Schwierigkeiten ermöglicht, wobei
- trotzdem eine hohe Heiz- bzw. Kühlwirkung erreicht wird.
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- Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Klagepatents eine Raumdecke mit
- folgenden Merkmalen:
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- Raumdecke aus
- 1. Metallplatten und
- 2. einer Tragekonstruktion;
- 3. die Raumdecke trägt rohrförmige Leitungen, die
- a) als flexible Röhrchen ausgestaltet und
- b) mattenförmig zusammengefasst
- c) lose auf den Metallplatten
- d) direkt aufliegen und
- e) zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte
- f)
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- von einem Heiz- oder Kühlmedium durchströmt werden
- können.
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- Aus den Merkmalen 3 a, 3 c und 3 d ergibt sich, dass die Röhrchen lose
- aufgrund ihres Eigengewichts und des Gewichts der durchgeleiteten Flüssigkeit
- auf den Metallplatten aufliegen. Allein durch dieses lose Aufliegen soll eine hinreichende Wärmeübertragung stattfinden. Weitere Anforderungen an die Beschaffenheit der Röhrchen stellt Patentanspruch 1 nicht.
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- Patentanspruch 1 des Patents befasst sich somit mit der Problematik der
- Wärmeleitung und der einfachen Montage. Fragen der Schalldämmung werden
- erst in den Patentansprüchen 6 bis 11 angesprochen. Keiner der Unteransprüche gibt jedoch an, dass die Röhrchen auf der mit einem Akustikvlies beklebten
- Metallplatte aufliegen. Bei der Raumdecke nach Patentanspruch 6 haben die
- Metallplatten Öffnungen für den Schalldurchtritt. Patentanspruch 7 beschreibt
- eine Ausführungsform, bei der auf die Röhrchen eine schalldämmende Schicht
- aufgelegt wird. Diese soll nach Unteranspruch 8 zugleich wärmeisolierend sein.
- Nach Unteranspruch 9 soll die schalldämmende Schicht aus Steinwolle bestehen. Nach Unteranspruch 10 soll die Raumdecke insgesamt unter einer fest
- angeordneten schallabsorbierenden Decke aufgehängt sein. Unteranspruch 11
- schließlich beschreibt eine Raumdecke, bei der die Metallplatten auf der Unterseite mit einer schallschluckenden Schicht bedeckt sind.
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- Entscheidend für die Frage, ob gleichwohl eine identische Verwirklichung
- der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung vorliegt, ist daher, ob die in der
- "Beschreibung der Ist-Situation" dargestellte Ausführungsform den Sinngehalt
- des Patentanspruchs 1 ausfüllt, weil sie sämtliche Anweisungen der im Patent
- unter Schutz gestellten Lehre technisch identisch verwirklicht (BGHZ 112, 140,
- 155 - Befestigungsvorrichtung II). Dies hängt davon ab, ob das Akustikvlies auf
- die Wärmeübertragung Einfluss nimmt und wie groß gegebenenfalls dieser Einfluss ist. Bilden Metallplatte und das verklebte 0,3 mm starke Akustikvlies eine
- Einheit und wird die Wärmeübertragung dadurch nicht oder nur in geringem
- Umfang berührt, so ist die in der "Beschreibung des Ist-Zustandes" geschilderte
- Ausführung vom Wortlaut des Patentanspruchs 1 erfasst. Das Akustikvlies verhindert dann funktional die mit der direkten Auflage der Röhrchen bezweckte
- Form der Wärmeübertragung ohne zusätzliche Mittel nicht. Dies wird das Berufungsgericht zu prüfen haben. Es wird dabei zu berücksichtigen haben, dass
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- nach dem im Berufungsurteil wiedergegebenen Klägervortrag die angestrebte
- Wärmeübertragung durch die Ausstattung mit einem Akustikvlies eingeschränkt
- wird, wobei die Minderleistung 30 bis 40 % betragen soll.
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- Ergibt die vom Berufungsgericht vorzunehmende Aufklärung, dass die in
- der "Beschreibung der Ist-Situation" geschilderte Ausführungsform nicht unter
- den Wortlaut des Patentanspruchs 1 fällt, so kommt eine äquivalente Benutzung in Betracht, die das Berufungsgericht bisher nicht geprüft hat. Feststellungen hierzu fehlen und können in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden.
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- Dabei wird es ebenfalls entscheidend auf den Einfluss des aufgeklebten Akustikvlieses auf die Wärmeübertragung ankommen. Nach Wiedereröffnung der
- Tatsacheninstanz besteht auch insoweit Gelegenheit zu weiterem Vorbringen
- und gegebenenfalls um Sachaufklärung.
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- Melullis
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- Mühlens
- Asendorf
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- Meier-Beck
- Kirchhoff
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- Vorinstanzen:
- LG Berlin, Entscheidung vom 23.06.2000 - 16 O 195/00 KG Berlin, Entscheidung vom 12.09.2003 - 5 U 6683/00 -
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