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9.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 95/03
  5. Verkündet am:
  6. 17. März 2004
  7. Potsch,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. AVBFernwärmeV § 2 Abs. 2
  16. Ein konkludenter Vertragsschluß durch Entnahme von Energie kommt grundsätzlich
  17. nicht in Betracht, wenn bereits ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen
  18. und
  19. einem
  20. Dritten
  21. besteht,
  22. aufgrund
  23. Energielieferungen erbracht werden.
  24. BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 95/03 - OLG Naumburg
  25. LG Halle
  26. dessen
  27. die
  28. -2-
  29. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 17. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
  31. Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst
  32. für Recht erkannt:
  33. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des
  34. Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
  35. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. Die Klägerin begehrt als Energieversorgungsunternehmen die Bezahlung
  39. von Fernwärme, die sie für die Wohnungseigentumsanlage "A.
  40. ,
  41. " in H.
  42. in der Zeit von Januar 1999 bis einschließ-
  43. lich Mai 2001 geliefert hat. Die Beklagten sind die Mitglieder der für diese
  44. Wohnanlage gebildeten Wohnungseigentümergemeinschaft.
  45. Die Klägerin hatte mit der früheren Eigentümerin des Wohngebäudes,
  46. der
  47. Firma
  48. N.
  49. ,
  50. am
  51. 5. November/13. Dezember 1996 einen Fernwärmeversorgungsvertrag abgeschlossen. Mit Schreiben vom 15. Januar 1998 bestätigte die A.
  52. -3-
  53. GmbH, die das Wohngebäude von der N.
  54. erworben hatte, gegenüber der Klägerin, daß sie
  55. mit Wirkung ab 1. Juni 1997 gemäß § 32 AVBFernwärmeV in den Fernwärmeversorgungsvertrag eingetreten sei. Die A.
  56. GmbH be-
  57. gründete sodann mit notariell beurkundeter Teilungserklärung vom 14. Juli 1997
  58. gemäß § 8 WEG Wohnungseigentum mit 120 Wohnungseinheiten und veräußerte erstmalig am 23. Juli 1998 eine Wohneinheit; die A.
  59. GmbH ist noch Eigentümerin eines Teils der Wohnungseinheiten. Mit
  60. Schreiben vom 17. September 2001 teilten die Beklagten, vertreten durch die
  61. Wohnungseigentumsverwalterin, der Klägerin mit, daß nunmehr die "WEG A.
  62. " mit Wirkung vom 14. Juni 2001 in den Fernwärmeversorgungsvertrag eingetreten sei. Die Klägerin hat ihren Entgeltanspruch aus der Belieferung des Wohnblocks "A.
  63. " und eines weiteren
  64. Wohnblocks mit Fernwärme für den Zeitraum von Februar 1999 bis Februar
  65. 2001 zunächst gegenüber der A.
  66. GmbH geltend ge-
  67. macht und insoweit zwei obsiegende rechtskräftige Urteile erwirkt. Der Antrag
  68. auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A.
  69. GmbH ist mangels Masse abgewiesen worden.
  70. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin nunmehr die Beklagten auf Bezahlung
  71. der gelieferten Fernwärme für den Zeitraum von Januar 1999 bis Mai 2001 in
  72. Höhe von umgerechnet 112.096,57 € in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
  73. -4-
  74. Entscheidungsgründe:
  75. I.
  76. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, zwischen den Parteien sei für den streitgegenständlichen Zeitraum ein Fernwärmeversorgungsvertrag nicht zustande gekommen. Der ursprünglich zwischen der Klägerin und
  77. der
  78. N.
  79. Fernwärmevertrag, in den die A.
  80. geschlossene
  81. GmbH gemäß Erklä-
  82. rung vom 15. Januar 1998 eingetreten sei, sei weder durch die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung auf die Beklagten übergangen, noch seien diese gemäß § 32 Abs. 4 und 5 AVBFernwärmeV vor dem 14. Juni 2001 in den mit
  83. der Klägerin geschlossenen Fernwärmevertrag eingetreten.
  84. Mit der Entnahme von Fernwärmeenergie sei auch kein Vertrag gemäß
  85. § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits abgeschlossen worden. Bei der Bereitstellung von Energie durch das Versorgungsunternehmen handele es sich um ein Vertragsangebot in Form einer Realofferte, wobei sich nach Treu und Glauben aus der Sicht des Versorgungsunternehmens bestimme, wem dieses Angebot gemacht werde. Bestehe bereits ein
  86. Versorgungsvertrag, so werde das Versorgungsunternehmen seinen Vertragspartner mit der zur Verfügung gestellten Energie versorgen wollen. Die Entnahme von Fernwärme an der Hausanschlußstation habe die Klägerin, die nach
  87. ihrem eigenen Vortrag keine Kenntnis von der Begründung des Wohnungseigentums gehabt habe, aus ihrer Sicht somit nicht als Annahme ihres Angebots
  88. auf Abschluß eines Versorgungsvertrages verstehen können.
  89. Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1
  90. 1. Fall BGB scheide aus, weil sie die Fernwärme im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mit Rechtsgrund geleistet habe.
  91. -5-
  92. II.
  93. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Klägerin ohne Erfolg, so daß
  94. ihre Revision zurückzuweisen ist.
  95. 1. Soweit das Berufungsgericht sowohl einen Übergang des zwischen
  96. der Klägerin und der N.
  97. ge-
  98. schlossenen und von der A.
  99. GmbH fortgeführten Fern-
  100. wärmeversorgungsvertrages vom 5. November/13. Dezember 1996 auf die Beklagten wie auch deren Eintritt in diesen Vertrag nach § 32 AVBFernwärmeV
  101. gemäß Erklärung vom 12. September 2001 für die Zeit vor dem 14. Juni 2001
  102. verneint hat, wendet sich die Revision hiergegen nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
  103. 2. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Beklagten zur Bezahlung
  104. der im Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Mai 2001 gelieferten Fernwärme
  105. auch nicht aufgrund eines gemäß § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV geschlossenen
  106. Vertrages verpflichtet.
  107. a) Zwar ist in dem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens regelmäßig ein Vertragsangebot in Form einer sogenannten Realofferte zum Abschluß eines Versorgungsvertrages zu sehen, das von demjenigen konkludent
  108. angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens
  109. Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt (vgl. Senatsurteil vom
  110. 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131 unter II 1 a m.w.Nachw.; siehe
  111. auch Hempel in: Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-,
  112. Gas- und Wasserversorgung, § 2 AVBEltV Rdnr. 92 ff.). Durch diesen Rechtsgrundsatz,
  113. der
  114. in
  115. §2
  116. Abs. 2
  117. AVBEltV/AVBGasV/AVBWasserV/
  118. AVBFernwärmeV lediglich wiederholt ist, wird der Tatsache Rechnung getragen, daß in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen
  119. -6-
  120. Leistungen vielfach ohne ausdrücklich schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluß in Anspruch genommen werden; dabei soll ein vertragsloser Zustand bei
  121. Energielieferungen vermieden, nicht aber dem Versorgungsunternehmen ein
  122. weiterer
  123. Vertragspartner
  124. verschafft
  125. werden
  126. (Hempel
  127. aaO
  128. §2
  129. AVBEltV Rdnr. 83, 117).
  130. Die Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsschluß fehlen jedoch, wenn bereits ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten besteht, aufgrund dessen die Energielieferungen
  131. erbracht werden. In einem solchen Fall erbringt das Versorgungsunternehmen,
  132. wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, durch die Zurverfügungstellung der
  133. Energie die seinem Vertragspartner geschuldete Versorgungsleistung. Wird
  134. hierbei von einer Person, die bisher im Verhältnis zum Versorgungsunternehmen noch nicht als Abnehmer aufgetreten ist, aus den vorhandenen Versorgungsleitungen Energie entnommen, ist dies aus der Sicht des Versorgungsunternehmens daher auch nicht als Annahme eines auf Abschluß eines (weiteren)
  135. Energielieferungsvertrages gerichteten Vertragsangebots zu verstehen. Vielmehr ist, um unterschiedliche Versorgungsverträge für das gleiche Versorgungsverhältnis zu vermeiden, grundsätzlich von dem Vorrang des durch ausdrückliche Vereinbarung begründeten Vertragsverhältnisses gegenüber einem
  136. Vertragsabschluß durch schlüssiges Verhalten auszugehen (vgl. OLG Hamm,
  137. ZIP 1983, 329 f.; OLG Karlsruhe, RdE 1984, 25, 28; OLG Karlsruhe, NZM 1999,
  138. 86; Brandenburgisches OLG, RdE 2000, 72, 73; dasselbe RdE 2002, 20, 21;
  139. Hempel aaO Rdnr. 118; Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu
  140. den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981, Bd. I, § 2 AVBEltV Rdnr. 24;
  141. a.A. OLG Hamm RdE 1988, 212, 214; zustimmend Hempel aaO § 2 AVBEltV
  142. Rdnr. 125; siehe auch OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1989, 889, 890). Soweit die Revision sich weiter für ihre gegenteilige Ansicht auf das Urteil des
  143. Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 5. November 1993 (NJW-RR 1994, 436
  144. -7-
  145. f.) beruft, betrifft dieses einen vertragslosen Zustand nach Erlöschen des bisherigen Versorgungsvertrages und ist somit nicht einschlägig.
  146. b) Wenn daher die Beklagten als Wohnungseigentümer über die vorhandene eigene Hausanschlußstation in dem der Klage zugrundeliegenden Zeitraum, in welchem noch der Fernwärmeversorgungsvertrag mit der A.
  147. GmbH bestand, Fernwärme entnommen haben, konnte dies
  148. die Klägerin nicht als Annahme eines auf Abschluß eines zusätzlichen Wärmelieferungsvertrages gerichteten Angebots auffassen. Damit scheidet aber ein
  149. vertraglicher Entgeltanspruch der Klägerin gegenüber den Beklagten - neben
  150. der bereits titulierten Forderung gegen die A.
  151. GmbH -
  152. aus.
  153. c) Daß der Klägerin auch ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812
  154. Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber den Beklagten bereits deshalb nicht zusteht, weil
  155. die Lieferungen aufgrund eines bestehenden Wärmeversorgungsvertrages an
  156. -8-
  157. die A.
  158. GmbH erbracht worden sind, hat das Berufungs-
  159. gericht ebenfalls ohne Angriff durch die Revision festgestellt.
  160. Dr. Deppert
  161. Dr. Hübsch
  162. Wiechers
  163. Dr. Leimert
  164. Dr. Wolst