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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- V ZB 187/14
- vom
- 12. März 2015
- in der Abschiebungshaftsache
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- Nachschlagewerk:
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- ja
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- BGHZ:
-
- nein
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- BGHR:
-
- ja
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- FamFG § 417
- Die nicht vollständige Übersetzung des Haftantrags führt nur dann zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, wenn der Betroffene aufzeigt, dass ihm der Haftantrag nicht
- wenigstens in den wesentlichen Grundzügen sinngemäß mündlich übersetzt und ihm
- dadurch die Möglichkeit genommen wurde, der Anordnung von Haft entgegenstehende tatsächliche oder rechtliche Umstände vorzutragen.
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- BGH, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 187/14 - LG Stade
- AG Langen
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- Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2015 durch die
- Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
- Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele
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- beschlossen:
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- Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer
- des Landgerichts Stade vom 10. Oktober 2014 wird auf Kosten
- des Betroffenen zurückgewiesen.
- Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
- 5.000 €.
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- Gründe:
- I.
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- Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen, einen afghanischen Staatsangehörigen, mit Beschluss vom 17. September 2014 Haft zur Sicherung der
- Abschiebung bis zum 14. Oktober 2014 angeordnet. Die hiergegen gerichtete
- Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde
- will der Betroffene nach seiner Abschiebung die Feststellung erreichen, durch
- die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung in seinen Rechten verletzt
- zu sein.
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- - 3 -
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- II.
- 2
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- Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Haftanordnung zwar unter
- Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör ergangen, da
- ihm der Haftantrag nur in Auszügen übersetzt worden sei. Dies führe aber nicht
- zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, da nicht zu erkennen sei, dass das
- Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Wie
- sich aus den in dem amtsgerichtlichen Anhörungsprotokoll festgehaltenen Erklärungen des Betroffenen ergebe, habe er sich, da ihm zumindest die Haftgründe übersetzt worden seien, zu dem in dem Haftantrag niedergelegten
- Sachverhalt und den Haftgründen äußern können.
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- III.
- 3
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- Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Ohne Erfolg rügt die
- Rechtsbeschwerde, dass die Haftanordnung deshalb rechtswidrig sei, weil dem
- Betroffenen vor seiner Anhörung durch den Haftrichter der Haftantrag nicht vollständig übersetzt worden sei.
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- 1. Das Vorgehen des Haftrichters verletzte allerdings den Anspruch des
- Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Haftrichter darf
- sich nicht darauf beschränken, einem der deutschen Sprache nicht mächtigen
- Betroffenen nur Teile des Haftantrags mündlich übersetzen zu lassen. Vielmehr
- muss diesem der vollständige Haftantrag übersetzt und damit der gesamte Antragsinhalt bekannt gegeben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass
- sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der
- die Haft beantragenden Behörde äußern und gegenüber dem Haftantrag verteidigen kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011,
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- - 4 -
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- 257 Rn. 8; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384
- Rn. 8).
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- 2. Die Verletzung von Verteidigungsrechten des Betroffenen, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, hat aber nicht ohne weiteres die
- Rechtswidrigkeit einer angeordneten Abschiebungshaft zur Folge (vgl. EuGH,
- Urteil vom 10. September 2013, C - 383/13 - PPU, BayVBl 2014, 140 ff.). Für
- die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags hat der Senat entschieden,
- dass ein solcher Verfahrensfehler nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer
- Rechtswidrigkeit) führt, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014
- - V ZB 80/13, Rn. 9 ff., aaO). Ebenso verhält es sich, wenn der Verfahrensfehler
- in der nicht vollständigen Übersetzung des Haftantrags liegt. Zutreffend weist
- die Rechtsbeschwerde zwar darauf hin, dass ein Betroffener nach Art. 5 Abs. 2
- EMRK verlangen kann, dass ihm die Gründe für seine Verhaftung in einer ihm
- verständlichen Sprache mitgeteilt werden. Entgegen der Auffassung der
- Rechtsbeschwerde kommt eine auf der Grundlage eines nicht vollständig übersetzten Haftantrags erfolgte Anhörung eines Betroffenen aber nicht einer Nichtanhörung gleich, die als Verletzung einer grundlegenden Verfahrensgarantie zu
- qualifizieren ist und einer gleichwohl angeordneten Haft ohne weiteres den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrückt (vgl. BVerfG, InfAuslR
- 1996, 198, 201). Entscheidend ist, ob der Betroffene auf Grund der Übersetzung in der Lage ist, den Haftgrund zu verstehen und seine Rechte zu wahren
- (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 17).
- Daher ist bei einer nicht vollständigen mündlichen Übersetzung des Haftantrags
- nicht ohne Weiteres die Annahme gerechtfertigt, dass der Betroffene tatsächlich
- gehindert war, sich in einem solchen Maße besser zu verteidigen, dass das
- Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Davon kann viel-
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- mehr nur dann ausgegangen werden, wenn der Betroffene aufzeigt, dass ihm
- der Haftantrag nicht wenigstens in den wesentlichen Grundzügen sinngemäß
- mündlich übersetzt wurde, ihm insbesondere die Haftgründe nicht mitgeteilt
- wurden, und ihm dadurch die Möglichkeit genommen wurde, der Anordnung
- von Haft entgegenstehende tatsächliche oder rechtliche Umstände vorzutragen.
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- Solche Anhaltspunkte werden von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und sind auch angesichts der Feststellung des Beschwerdegerichts, dass
- sich der Betroffene zu dem im Haftantrag niedergelegten Sachverhalt und zu
- den Haftgründen äußern konnte und dass er ausweislich des amtsgerichtlichen
- Protokolls hiervon auch Gebrauch gemacht hat, nicht ersichtlich.
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- 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
- Stresemann
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- Roth
- Weinland
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- Brückner
- Kazele
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- Vorinstanzen:
- AG Langen, Entscheidung vom 17.09.2014 - 12b XIV 101/14 B LG Stade, Entscheidung vom 10.10.2014 - 9 T 104/14 -
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