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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 187/14
  4. vom
  5. 12. März 2015
  6. in der Abschiebungshaftsache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. FamFG § 417
  14. Die nicht vollständige Übersetzung des Haftantrags führt nur dann zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, wenn der Betroffene aufzeigt, dass ihm der Haftantrag nicht
  15. wenigstens in den wesentlichen Grundzügen sinngemäß mündlich übersetzt und ihm
  16. dadurch die Möglichkeit genommen wurde, der Anordnung von Haft entgegenstehende tatsächliche oder rechtliche Umstände vorzutragen.
  17. BGH, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 187/14 - LG Stade
  18. AG Langen
  19. - 2 -
  20. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2015 durch die
  21. Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
  22. Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele
  23. beschlossen:
  24. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer
  25. des Landgerichts Stade vom 10. Oktober 2014 wird auf Kosten
  26. des Betroffenen zurückgewiesen.
  27. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  28. 5.000 €.
  29. Gründe:
  30. I.
  31. 1
  32. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen, einen afghanischen Staatsangehörigen, mit Beschluss vom 17. September 2014 Haft zur Sicherung der
  33. Abschiebung bis zum 14. Oktober 2014 angeordnet. Die hiergegen gerichtete
  34. Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde
  35. will der Betroffene nach seiner Abschiebung die Feststellung erreichen, durch
  36. die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung in seinen Rechten verletzt
  37. zu sein.
  38. - 3 -
  39. II.
  40. 2
  41. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Haftanordnung zwar unter
  42. Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör ergangen, da
  43. ihm der Haftantrag nur in Auszügen übersetzt worden sei. Dies führe aber nicht
  44. zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, da nicht zu erkennen sei, dass das
  45. Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Wie
  46. sich aus den in dem amtsgerichtlichen Anhörungsprotokoll festgehaltenen Erklärungen des Betroffenen ergebe, habe er sich, da ihm zumindest die Haftgründe übersetzt worden seien, zu dem in dem Haftantrag niedergelegten
  47. Sachverhalt und den Haftgründen äußern können.
  48. III.
  49. 3
  50. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Ohne Erfolg rügt die
  51. Rechtsbeschwerde, dass die Haftanordnung deshalb rechtswidrig sei, weil dem
  52. Betroffenen vor seiner Anhörung durch den Haftrichter der Haftantrag nicht vollständig übersetzt worden sei.
  53. 4
  54. 1. Das Vorgehen des Haftrichters verletzte allerdings den Anspruch des
  55. Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Haftrichter darf
  56. sich nicht darauf beschränken, einem der deutschen Sprache nicht mächtigen
  57. Betroffenen nur Teile des Haftantrags mündlich übersetzen zu lassen. Vielmehr
  58. muss diesem der vollständige Haftantrag übersetzt und damit der gesamte Antragsinhalt bekannt gegeben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass
  59. sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der
  60. die Haft beantragenden Behörde äußern und gegenüber dem Haftantrag verteidigen kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011,
  61. - 4 -
  62. 257 Rn. 8; Beschluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384
  63. Rn. 8).
  64. 5
  65. 2. Die Verletzung von Verteidigungsrechten des Betroffenen, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, hat aber nicht ohne weiteres die
  66. Rechtswidrigkeit einer angeordneten Abschiebungshaft zur Folge (vgl. EuGH,
  67. Urteil vom 10. September 2013, C - 383/13 - PPU, BayVBl 2014, 140 ff.). Für
  68. die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags hat der Senat entschieden,
  69. dass ein solcher Verfahrensfehler nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer
  70. Rechtswidrigkeit) führt, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014
  71. - V ZB 80/13, Rn. 9 ff., aaO). Ebenso verhält es sich, wenn der Verfahrensfehler
  72. in der nicht vollständigen Übersetzung des Haftantrags liegt. Zutreffend weist
  73. die Rechtsbeschwerde zwar darauf hin, dass ein Betroffener nach Art. 5 Abs. 2
  74. EMRK verlangen kann, dass ihm die Gründe für seine Verhaftung in einer ihm
  75. verständlichen Sprache mitgeteilt werden. Entgegen der Auffassung der
  76. Rechtsbeschwerde kommt eine auf der Grundlage eines nicht vollständig übersetzten Haftantrags erfolgte Anhörung eines Betroffenen aber nicht einer Nichtanhörung gleich, die als Verletzung einer grundlegenden Verfahrensgarantie zu
  77. qualifizieren ist und einer gleichwohl angeordneten Haft ohne weiteres den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrückt (vgl. BVerfG, InfAuslR
  78. 1996, 198, 201). Entscheidend ist, ob der Betroffene auf Grund der Übersetzung in der Lage ist, den Haftgrund zu verstehen und seine Rechte zu wahren
  79. (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 17).
  80. Daher ist bei einer nicht vollständigen mündlichen Übersetzung des Haftantrags
  81. nicht ohne Weiteres die Annahme gerechtfertigt, dass der Betroffene tatsächlich
  82. gehindert war, sich in einem solchen Maße besser zu verteidigen, dass das
  83. Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Davon kann viel-
  84. - 5 -
  85. mehr nur dann ausgegangen werden, wenn der Betroffene aufzeigt, dass ihm
  86. der Haftantrag nicht wenigstens in den wesentlichen Grundzügen sinngemäß
  87. mündlich übersetzt wurde, ihm insbesondere die Haftgründe nicht mitgeteilt
  88. wurden, und ihm dadurch die Möglichkeit genommen wurde, der Anordnung
  89. von Haft entgegenstehende tatsächliche oder rechtliche Umstände vorzutragen.
  90. 6
  91. Solche Anhaltspunkte werden von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und sind auch angesichts der Feststellung des Beschwerdegerichts, dass
  92. sich der Betroffene zu dem im Haftantrag niedergelegten Sachverhalt und zu
  93. den Haftgründen äußern konnte und dass er ausweislich des amtsgerichtlichen
  94. Protokolls hiervon auch Gebrauch gemacht hat, nicht ersichtlich.
  95. 7
  96. 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
  97. Stresemann
  98. Roth
  99. Weinland
  100. Brückner
  101. Kazele
  102. Vorinstanzen:
  103. AG Langen, Entscheidung vom 17.09.2014 - 12b XIV 101/14 B LG Stade, Entscheidung vom 10.10.2014 - 9 T 104/14 -