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- BUNDESGERICHTSHOF
- IM NAMEN DES VOLKES
- IV ZR 297/00
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- URTEIL
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- Verkündet am:
- 7. November 2001
- Fritz
- Justizangestellte
- als Urkundsbeamtin
- der Geschäftsstelle
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- in dem Rechtsstreit
- Nachschlagewerk: ja
- BGHZ:
- nein
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- DDR-ZGB §§ 264, 265; SVDDRAbwG § 2
- Ein durch eine Berufskrankheit geschädigter Arbeitnehmer hat aufgrund einer freiwilligen Haftpflichtversicherung eines volkseigenen Betriebes keinen Direktanspruch
- gegen die Staatliche Versicherung der DDR in Abwicklung.
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- BGH, Urteil vom 7. November 2001 - IV ZR 297/00 - OLG Dresden
- LG Leipzig
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- Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den
- Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2001
- für Recht erkannt:
- Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des
- Oberlandesgerichts Dresden vom 14. November 2000
- wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
- Von Rechts wegen
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- Tatbestand:
- Der Kläger nimmt die beklagte Anstalt - die Staatliche Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik in Abwicklung - auf Ersatz
- von Verdienstausfall wegen einer Berufskrankheit in Anspruch.
- Er war seit 1960 als Bergmann bei der S. W. beschäftigt. Diese
- hatte eine freiwillige Betriebshaftpflichtversicherung bei der Staatlichen
- Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossen.
- Als Folge seiner Tätigkeit unter Tage leidet der Kläger an einer
- Atemwegserkrankung (Asthma bronchiale), die im September 1989 rückwirkend ab dem 1. März 1985 als Berufskrankheit anerkannt wurde. Die
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- im
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- Auftrag
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- der
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- Beklagten
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- tätige
-
- Deutsche
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- Versiche-
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- rungs-Aktiengesellschaft (DVAG) erstattete dem Kläger mit Wirkung ab
- dem 1. März 1985 bis Anfang 1996 die Differenz zwischen seinem tatsächlichen Einkommen (einschließlich einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung) und dem hypothetischen Verdienst, den
- er ohne die Berufskrankheit hätte erzielen können.
- Mit Schreiben vom 23. Februar 1996 teilte die DVAG dem Kläger
- mit, daß sie weitere Zahlungen einstellen müsse, weil nach dem Urteil
- des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 1995 (8 AZR 878/94 - DtZ
- 1996, 188) ab dem 1. Januar 1991 auch für vorher eingetretene Berufskrankheiten kein Schadensersatz auf der Grundlage des Arbeitsgesetzbuchs der DDR mehr geleistet werden könne.
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz seines Verdienstausfallschadens von Januar 1997 bis September 1998 in Höhe von insgesamt 14.770,71 DM. Außerdem begehrt er die Feststellung, daß die
- Beklagte über den 1. Oktober 1998 hinaus verpflichtet sei, ihm monatlich
- den Differenzbetrag zwischen dem hypothetischen und dem tatsächlich
- erhaltenen Einkommen zu zahlen.
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
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- Entscheidungsgründe:
- Die Revision hat keinen Erfolg.
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger zum
- einen ein versicherungsvertraglicher Anspruch auf Ersatz weiteren Verdienstausfallschadens, der sich unmittelbar gegen die Beklagte richtet,
- nicht zu; eine Haftung der Beklagten aus § 2 des Gesetzes über die Errichtung
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- der
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- "Staatlichen
-
- Versicherung
-
- der
-
- DDR
-
- in
-
- Abwicklung"
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- (SVDDRAbwG-BGBl. 1990 II S. 991) komme daher nicht in Betracht. Die
- von der S. W. bei der Staatlichen Versicherung der DDR genommene
- freiwillige Haftpflichtversicherung habe Schadensersatzansprüche des
- Werktätigen gegen den Betrieb wegen Verdienstausfalls aufgrund einer
- Berufskrankheit nach den §§ 267 ff. des Arbeitsgesetzbuchs der DDR
- (DDR-AGB) abgedeckt. Bei einer solchen Haftpflichtversicherung bestehe ein unmittelbarer Anspruch des Geschädigten gegen die Staatliche
- Versicherung gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 der Bedingungen für die freiwillige
- Haftpflichtversicherung der volkseigenen Wirtschaft vom 19. November
- 1968 (DDR-GBl. II S. 951) nicht.
- Zum anderen habe die Beklagte weder ausdrücklich noch konkludent aufgrund der bis 1996 erbrachten Versicherungsleistungen eine eigenständige Verpflichtung übernommen, anerkannt oder sonst begründet.
- II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
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- 1. Das Berufungsgericht hat zutreffend die Rechtsvorgängerin
- der Beklagten als Haftpflichtversicherer der S. W. angesehen und deshalb einen eigenen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint.
- Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Beklagte hafte dem Kläger
- unmittelbar aufgrund einer Personenversicherung.
- a) Die S. W. hatte bei der Staatlichen Versicherung der DDR eine
- freiwillige Haftpflichtversicherung zur Versicherung von Schadensersatzansprüchen gegen den Betrieb nach § 7 Abs. 2 des Gesetzes über
- die Versicherung der volkseigenen Wirtschaft vom 15. November 1968
- (DDR-GBl. I S. 355) abgeschlossen. Der Versicherungsschutz umfaßte
- gemäß § 1 Abs. 1 der Bedingungen für die freiwillige Haftpflichtversicherung der volkseigenen Wirtschaft die Befriedigung berechtigter und die
- Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Betrieb u.a. wegen Verletzung von Personen erhoben wurden.
- Nach den §§ 267 Abs. 1, 268 Abs. 1 a DDR-AGB haftete die S.
- W. als Betrieb dem bei ihr beschäftigten Kläger im Wege des Schadensersatzes für den Verdienstausfallschaden, der ihm durch seine als Berufskrankheit im Sinne von § 221 S. 1 DDR-AGB anerkannte Atemwegserkrankung entstanden ist. Ein eventuelles Verschulden des Betriebes
- bzw. eine ihm zuzurechnende Pflichtwidrigkeit eines seiner Mitarbeiter
- oder eine Pflichtverletzung seitens des Betriebes auf dem Gebiet des
- Arbeits- und Gesundheitsschutzes gehörten nicht zu den Tatbestandsmerkmalen der Schadensersatzverpflichtung des Betriebes bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit (Arbeitsrecht, Lehrbuch 3. Aufl. 1986 S. 369
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- unter 2.1.; Arbeitsrecht, Grundriß 2. Aufl. 1980 S. 245 unter 14.1.). Entscheidend war nur der ursächliche Zusammenhang mit dem Arbeitsprozeß, der bei einer Berufskrankheit nicht gesondert festgestellt werden
- mußte. Allein die Entscheidung, daß eine Berufskrankheit vorliege, ließ
- die Schadensersatzpflicht des Betriebes entstehen, sofern der betroffene
- Werktätige einen materiellen Schaden hatte (Kirmse, Schadensersatzleistungen des Betriebes 3. Aufl. 1983 S. 21).
- Auf dieser Rechtsgrundlage hat die Beklagte eine Schadensersatzverpflichtung der S. W. gegenüber dem Kläger erfüllt.
- b) Ein eigener Anspruch ist dem Kläger aus der betrieblichen
- Haftpflichtversicherung der S. W. nicht erwachsen. Zwar bestimmte § 3
- Abs. 3 S. 1 der Bedingungen für die freiwillige Haftpflichtversicherung
- der volkseigenen Wirtschaft, daß die Staatliche Versicherung die Versicherungsleistungen an den Geschädigten zu zahlen habe. Ein unmittelbarer Anspruch des Geschädigten gegen die Staatliche Versicherung
- bestand jedoch gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 dieser Bedingungen nicht.
- Das galt auch für die übrigen Haftpflichtversicherungen in der
- DDR. Gleichlautende Regelungen enthielten § 5 Abs. 3 S. 1 und 2 der
- Anordnung über die Bedingungen für die Pflichtversicherung der staatlichen Organe und staatlichen Einrichtungen bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. November 1969
- (DDR-GBl. II S. 682) für die Haftpflicht- und die Kraftfahr-HaftpflichtVersicherung der staatlichen Organe und staatlichen Einrichtungen sowie § 2 Abs. 6 S. 1 und 2 der Anordnung über die Bedingungen für die
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- Pflichtversicherung der volkseigenen Wirtschaft bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. November
- 1968 (DDR-GBl. II S. 945) für die Kraftfahr-Haftpflicht-Versicherung der
- volkseigenen Betriebe. Ebenso konnte aus einer persönlichen Haftpflichtversicherung des Bürgers allein der Versicherungsnehmer, der in
- einer zivilrechtlichen Beziehung zur Versicherungseinrichtung stand,
- Ansprüche auf die Versicherungsleistung erheben. Die in § 264 Abs. 2
- S. 1 DDR-ZGB festgelegte Pflicht der Versicherungseinrichtung, Schadensersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers oder Versicherten
- durch Zahlung an den Geschädigten zu erfüllen, bewirkte nicht, daß
- letzterem ein direkter Anspruch ihr gegenüber zustand (Kommentar zum
- Zivilgesetzbuch der DDR 1985 § 264 Anm. 2.1.; Göhring/Posch, Zivilrecht Teil 2 1981 S. 130 unter 7.2.1.4.).
- Das Fehlen eines direkten Anspruchs des Geschädigten gegen
- den Haftpflichtversicherer war somit prägendes Merkmal der Haftpflichtversicherung nach dem Versicherungsrecht der DDR. Etwas anderes galt
- demgegenüber im Rahmen einer Personenversicherung, bei der auch
- das Recht der DDR mangels Verantwortlichkeit eines Dritten dem Geschädigten selbst einen Anspruch einräumte. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof mit seinen Urteilen vom 25. September 1996 (IV ZR
- 288/95 - VersR 1997, 49 = DtZ 1997, 62) und vom 23. Juni 1999 (IV ZR
- 121/98 - r+s 1999, 399 = NVersZ 1999, 589) einen unmittelbaren Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens gegen die Versicherung
- bejaht, weil es sich bei den dort zugrunde liegenden Versicherungsverhältnissen - wie im vorliegenden Fall nicht - um Personenversicherungen
- handelte.
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- 2. Soweit das Berufungsgericht eine Schuldübernahme und ein
- Schuldanerkenntnis seitens der Beklagten verneint, erhebt die Revision
- keine Rügen; Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.
- Im übrigen könnte die Beklagte - wie das Berufungsgericht richtig
- ausgeführt hat - dem Kläger gemäß den §§ 812 Abs. 2, 821 BGB den
- Wegfall einer etwa übernommenen oder anerkannten Schadensersatzverpflichtung entgegenhalten. Denn für ab dem 1. Januar 1991 entgangene Einkünfte konnten Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers
- gegen den Arbeitgeber nicht mehr entstehen, nachdem die §§ 267, 268
- DDR-AGB durch den Einigungsvertrag (Anl. II Kap. VIII Sachgeb. A
- Abschn. III Nr. 1 lit. g) zum 31. Dezember 1990 außer Kraft gesetzt worden waren. Anders als bei einem Anspruch aus einem Personenversicherungsverhältnis gehört bei einem Anspruch nach den §§ 267 Abs. 1,
- 268
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- Abs. 1 AGB-DDR der Eintritt des Schadens auch bei vorheriger Anerkennung einer Berufskrankheit zum Entstehungstatbestand des Schuldverhältnisses (BAG aaO unter II 3 a; Senatsurteil vom 25. September
- 1996 aaO unter II 3 c).
- Terno
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- Seiffert
- Wendt
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- Ambrosius
- Dr. Kessal-Wulf
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