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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (Brfg) 49/13
  4. vom
  5. 4. November 2013
  6. in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
  7. wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  8. -2-
  9. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
  10. des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, die Richterinnen Lohmann und
  11. Dr. Fetzer sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer und Dr. Martini
  12. am 4. November 2013 beschlossen:
  13. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
  14. Urteil des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom
  15. 4. März 2013 wird abgelehnt.
  16. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
  17. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
  18. Gründe:
  19. 1
  20. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 21. März 2012 die Zulassung des
  21. Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7
  22. BRAO) widerrufen. Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage des Klägers ist
  23. vor dem Anwaltsgerichtshof ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der
  24. Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
  25. II.
  26. 2
  27. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg;
  28. ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e
  29. Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
  30. -3-
  31. 3
  32. 1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung
  33. (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine
  34. erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt
  35. wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg)
  36. 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
  37. 4
  38. a) Der Kläger, gegen den das Amtsgericht K.
  39. - Insolvenzgericht - mit
  40. Beschluss vom 12. Mai 2011 die vorläufige Verwaltung seines Vermögens angeordnet hatte, stellt nicht in Abrede, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt des
  41. Zulassungswiderrufs in Vermögensverfall geraten war. Er macht jedoch geltend, die Vermögensinteressen seiner Mandanten seien hierdurch zu keinem
  42. Zeitpunkt gefährdet gewesen.
  43. 5
  44. b) Dieser Auffassung ist der Anwaltsgerichtshof mit Recht nicht gefolgt.
  45. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des
  46. Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch
  47. wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die
  48. Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen des Vermögensverfalls folgt, wird sie im nach der gesetzlichen Wertung
  49. vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen
  50. verneint werden können (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 15. März
  51. 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, juris Rn. 9). Denn die Annahme einer Gefährdung
  52. der Interessen der Rechtsuchenden im Falle des Vermögensverfalls des beauftragten Rechtsanwalts ist regelmäßig schon im Hinblick auf dessen Umgang mit
  53. Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt
  54. (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, aaO
  55. m.w.N.).
  56. -4-
  57. 6
  58. c) Dass eine Gefährdung der Rechtsuchenden zum maßgeblichen Zeitpunkt ausgeschlossen war oder ist, hat der als Einzelanwalt tätige Kläger nicht
  59. dargetan. Von ihm ist zu fordern, dass er die zum Schutz der Interessen der
  60. Rechtsuchenden in seiner Lage erforderlichen Vorkehrungen trifft und deren
  61. Einhaltung vertragsrechtlich und tatsächlich sicherstellt. Dies setzt regelmäßig
  62. die Aufgabe einer Tätigkeit als Einzelanwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der Organisation der
  63. Sozietät, dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen Maßnahmen einen effektiven Schutz der
  64. Interessen der Rechtsuchenden (auch in Vertretungsfällen) erwarten lässt
  65. (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 62/11,
  66. juris Rn. 6; vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175
  67. Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der Kläger ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig und
  68. kann daher nicht wirksam darauf überwacht werden, ob er selbst auferlegte Beschränkungen hinsichtlich der Annahme von Fremdgeld einhält (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, aaO Rn. 10 m.w.N.). Sein
  69. Vorbringen, es sei bislang zu keiner Gefährdung der finanziellen Interessen
  70. seiner Mandanten gekommen, genügt nicht, um eine Gefährdung der Mandanteninteressen auszuräumen. Es ist bereits nicht erkennbar, dass und gegebenenfalls welche Maßnahmen der Kläger zur Sicherung der Mandanteninteressen ergriffen hat. Vor diesem Hintergrund entbehrt der Vorwurf des Klägers jeder Grundlage, der Anwaltsgerichtshof habe die ihn treffende Amtsermittlungspflicht (§ 112c Abs. 1 BRAO, § 86 VwGO) verletzt.
  71. 7
  72. d) Die vom Senat in ständiger Rechtsprechung aufgestellten strengen
  73. Anforderungen an die Ausräumung einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verstoßen - anders als der Kläger in Anlehnung an die Entscheidung des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 29. August 2011 (BRAK
  74. 2011, 287 ff.) meint - nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. Senatsbeschluss vom
  75. -5-
  76. 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 6 m.w.N.). Die Regelung des § 14
  77. Abs. 2 Nr. 7 BRAO dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege,
  78. also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts (Senatsbeschlüsse vom
  79. 12. Februar 2001 - AnwZ (B) 7/00, juris Rn. 13; vom 15. März 2012
  80. - AnwZ (Brfg) 55/11, aaO Rn. 11 m.w.N.). Mildere, ebenso wirksame Maßnahmen, die dem Anliegen des Gesetzes in gleicher Weise Rechnung trügen,
  81. kommen nicht in Betracht.
  82. 8
  83. e) Auch eine - vom Kläger aus § 12 Abs. 2 Satz 2 RDG hergeleitete - unzulässige Ungleichbehandlung mit Personen, die außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbringen, ist nicht ersichtlich. Dabei kann dahin stehen, ob so der Kläger - § 12 Abs. 2 Satz 2 RDG höhere Anforderungen an das Vorliegen eines Vermögensverfalls stellt als § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Denn das in
  84. §§ 1 bis 3 BRAO zum Ausdruck kommende Leitbild des Anwaltsberufs weist
  85. einem Rechtsanwalt eine besondere Stellung zu. Er allein ist als unabhängiges
  86. Organ der Rechtspflege zu einer umfassenden und unabhängigen Beratung
  87. und Vertretung der Rechtsuchenden berufen. Diese weitreichenden Pflichten
  88. und Befugnisse berechtigen den Gesetzgeber, höhere Anforderungen an die
  89. Eignung und Zuverlässigkeit von Rechtsanwälten zu stellen (Senatsbeschluss
  90. vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 46/09, juris Rn. 11 m.w.N.).
  91. 9
  92. 2. Der vom Kläger weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist bereits nicht schlüssig dargelegt. Hierzu gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die
  93. Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom
  94. -6-
  95. 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, aaO m.w.N.). Solche Ausführungen lässt der
  96. Kläger vermissen.
  97. 10
  98. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
  99. Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
  100. Tolksdorf
  101. Lohmann
  102. Stüer
  103. Fetzer
  104. Martini
  105. Vorinstanz:
  106. AGH Frankfurt, Entscheidung vom 04.03.2013 - 2 AGH 7/12 -