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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 325/18
  4. vom
  5. 25. September 2018
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Totschlags
  9. ECLI:DE:BGH:2018:250918B4STR325.18.0
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 25. September 2018 gemäß § 349
  12. Abs. 4 StPO beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 5. April 2018 im Strafausspruch mit den
  14. Feststellungen aufgehoben.
  15. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  16. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
  17. zurückverwiesen.
  18. Gründe:
  19. 1
  20. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags in zwei Fällen zu
  21. einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die
  22. wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Angeklagten, mit der
  23. sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
  24. I.
  25. 2
  26. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete die Angeklagte, Mutter
  27. von zwei Kindern, nach zwei weiteren ungewollten Schwangerschaften Anfang
  28. April 2004 und Mitte 2008 das jeweils lebensfähig zur Welt gekommene Neu-
  29. -3-
  30. geborene unmittelbar nach der Geburt durch Versperrung der Atemwege. In
  31. beiden Fällen befürchtete sie die ablehnende Reaktion ihres Lebensgefährten,
  32. des Kindsvaters, und ihrer Mutter auf eine (weitere) Schwangerschaft sowie die
  33. mit dem Familienzuwachs einhergehenden finanziellen Belastungen. Beide Taten wurden erst im Januar 2018 entdeckt, da die Angeklagte die Leichen der
  34. Neugeborenen in einem Gefrierschrank versteckt hatte.
  35. II.
  36. 3
  37. 1. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht sowohl bei der
  38. Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten
  39. der Angeklagten erwogen, dass es ihr möglich gewesen wäre, Alternativen zu
  40. den Taten zu finden und die Kinder nicht zu töten, sondern sie beispielsweise
  41. zur Adoption freizugeben. Ihre Befürchtung, man werde ihr bei Bekanntwerden
  42. der Schwangerschaften im Familienkreis vorwerfen, sie sei nicht in der Lage, ihr
  43. Leben ordentlich zu führen und weitere Schwangerschaften durch Verhütung zu
  44. vermeiden, stelle keinen nachvollziehbaren Grund für eine Kindstötung dar.
  45. 4
  46. 2. Diese Strafzumessungserwägungen begegnen mit Blick auf § 46
  47. Abs. 3 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
  48. 5
  49. a) Zwar hat sich die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatrichters zu orientieren
  50. und nicht an dessen möglicherweise missverständlichen Formulierungen (BGH,
  51. Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Das Landgericht hat aber im vorliegenden Fall im Ergebnis darauf abgestellt, dass die
  52. Angeklagte von den Taten hätte absehen können und müssen, weil sie keinen
  53. nachvollziehbaren Anlass zur Tatbegehung hatte. Dies stellt eine strafschärfen-
  54. -4-
  55. de Verwertung des Umstandes dar, dass die Tat überhaupt begangen wurde.
  56. Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung können sich
  57. strafmildernd auswirken; ihr Fehlen berechtigt nicht dazu, diesen Umstand zu
  58. Lasten des Täters zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 9. November 2010
  59. – 4 StR 532/10, StV 2011, 224 f.; Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 119/13,
  60. NStZ 2014, 512 ff.).
  61. 6
  62. b) Die für sich genommen nicht schuldunangemessenen Einzelstrafen
  63. können daher ebenso wenig bestehen bleiben wie der Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die Strafkammer hat sowohl die Festsetzung der Einzelstrafen als
  64. auch die Bemessung der Gesamtstrafe auf die rechtsfehlerhafte Strafzumessungserwägung gestützt; im Fall III. 1 der Urteilsgründe hat sie diese als einzigen Gesichtspunkt zu Lasten der Angeklagten herangezogen. Der Senat kann
  65. daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung zu einer niedrigeren Strafe gelangt
  66. wäre.
  67. Sost-Scheible
  68. Roggenbuck
  69. Bender
  70. Franke
  71. Quentin