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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 2 StR 62/02
- vom
- 12. Juli 2002
- in der Strafsache
- gegen
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- wegen Mordes u.a.
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- Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. Juli 2002 gemäß §§ 44-46
- StPO sowie § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
- 1. Nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 8. August 2001
- wird dem Angeklagten auf seinen Antrag und auf seine Kosten
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
- 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Anordnung der
- Sicherungsverwahrung mit den Feststellungen aufgehoben.
- 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer
- des Landgerichts zurückverwiesen.
- 4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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- Gründe:
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
- Raub mit Todesfolge und wegen Verabredung eines schweren Raubes zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt, die besondere Schuldschwere festgestellt und die Unterbringung des Angeklagten in der Siche-
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- rungsverwahrung angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die
- Verletzung formellen und materiellen Rechts.
- Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch mit der Sachbeschwerde
- Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- Die Anordnung der Maßregel kann keinen Bestand haben. Das Landgericht hat, wie sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend
- deutlich ergibt, die Vorschrift des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB der Anordnung der
- Sicherungsverwahrung zugrundegelegt. Dabei hat es allerdings die formellen
- Voraussetzungen verkannt.
- Die Anordnung von Sicherungsverwahrung ist neben der Verhängung
- von lebenslanger Freiheitsstrafe als Einzelstrafe ebenso wie bei einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe, die aus mehreren lebenslangen Einzelstrafen
- gebildet wurde, unzulässig (BGHSt 33, 398). Denn für die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung des § 66
- StGB die Verurteilung zu "zeitiger" Freiheitsstrafe Voraussetzung. Bei einer
- Verurteilung zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe kann auf Sicherungsverwahrung jedoch dann erkannt werden, wenn unabhängig von der mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndeten Tat wegen einer weiteren Straftat eine in die
- Gesamtfreiheitsstrafe einbezogene zeitige Freiheitsstrafe verwirkt ist, hinsichtlich derer die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1, 2
- oder 3 StGB gegeben sind (BGHSt 34, 138, 143 f. und 37, 161). Diese Grundsätze gelten auch für die Vorschrift des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB.
- Der Angeklagte hat zwei Verbrechen begangen, durch die er jeweils
- Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat. Gegen ihn wurde aber
- eine lebenslange Freiheitsstrafe als Einzelstrafe für den Mord in Tateinheit mit
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- Raub mit Todesfolge verhängt und im übrigen lediglich eine zeitige Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten für die Verabredung des schweren
- Raubes. Damit fehlt es an der formellen Voraussetzung der Verurteilung wegen
- einer oder mehrerer dieser Taten zu "zeitiger" Freiheitsstrafe von mindestens
- drei Jahren.
- Die sachlich bedenkliche gesetzliche Regelung des § 66 StGB (so
- schon BGHSt 37, 160, 161; BGH NStZ 2000, 417), wonach nur eine Verurteilung zu "zeitiger" Freiheitsstrafe Sicherungsverwahrung auslösen kann, hat
- bereits zu einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung geführt (BT-Drucks.
- 14/9041), wonach in § 66 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 und 2 jeweils das Wort "zeitiger" gestrichen werden soll. Dies ist aber noch nicht Gesetz geworden. Nach
- dem derzeit geltenden Gesetz und dessen eindeutigem Wortlaut war der Maßregelausspruch aufzuheben.
- Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, die Voraussetzungen des
- § 66 Abs. 1 StGB zu prüfen, welcher die Anordnung der Sicherungsverwahrung
- obligatorisch vorsieht.
- Die formelle Voraussetzung der Verurteilung zu "zeitiger" Freiheitsstrafe
- von mindestens zwei Jahren ist gegeben. Es bedarf aber noch der Darlegung,
- in welchen früheren Verurteilungen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1
- StGB zu finden sein können. Bei den Vorverurteilungen im Sinne dieser Vorschrift gilt die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe nach § 66 Abs. 4
- Satz 1 StGB als eine einzige Verurteilung. Sie erfüllt nur dann die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn sie eine Einzelstrafe von mindestens
- einem Jahr Freiheitsstrafe enthält (BGHSt 34, 321). Deshalb bedarf es der
- Mitteilung der zugrundeliegenden Einzelstrafen. Die genaue Zeitfolge der Vollstreckung und sonstiger Verwahrzeiten sind im Hinblick auf § 66 Abs. 4 Satz 3
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- und 4 StGB anzugeben. Schließlich wird der neue Tatrichter eine Gesamtwürdigung des Täters und derjenigen Taten vorzunehmen haben, welche er nach
- § 66 Abs. 1 StGB als Taten mit Symptomcharakter ansieht (vgl. BGHR StGB
- § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 5).
- Rissing-van Saan
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- Otten
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- RiBGH Rothfuß ist
- in Urlaub und
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- deshalb an der Unterschrift gehindert.
- Rissing-van Saan
- Fischer
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- Elf
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