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- Nachschlagewerk:
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- ja
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- BGHSt:
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- nein
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- Veröffentlichung:
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- ja
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- StPO §§ 338 Nr. 1 Buchst. b, 222 b Abs. 2 Satz 2; GVG §§ 77, 45
- Beginnt eine Hauptverhandlung nach begründetem Besetzungseinwand neu, sind
- die für den Tag des neuen Sitzungsbeginns ausgelosten Schöffen zur Mitwirkung
- berufen; das gilt auch dann, wenn die neue Hauptverhandlung an einem Tag beginnt, der von Anfang an als (Fortsetzungs-)Sitzungstag bestimmt war. In einem solchen Fall setzt die Zulässigkeit einer auf § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO gestützten Rüge nicht stets die namentliche Mitteilung der ordnungsgemäßen Schöffenbesetzung
- voraus.
- BGH, Urteil vom 26. Juni 2002 - 2 StR 60/02 - LG Meiningen
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- BUNDESGERICHTSHOF
- IM NAMEN DES VOLKES
- 2 StR 60/02
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- URTEIL
- vom
- 26. Juni 2002
- in der Strafsache
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- -2gegen
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- wegen Untreue u.a.
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- Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni
- 2002, an der teilgenommen haben:
- Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
- Dr. Rissing-van Saan
- als Vorsitzende,
- Richter am Bundesgerichtshof
- Dr. h.c. Detter,
- Richterin am Bundesgerichtshof
- Dr. Otten,
- Richter am Bundesgerichtshof
- Prof. Dr. Fischer
- und Richterin am Bundesgerichtshof
- Elf
- als beisitzende Richter,
- Staatsanwalt
- als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
- Rechtsanwalt
- als Verteidiger,
- Justizangestellte
- als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- für Recht erkannt:
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- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 12. November 2001 aufgehoben, soweit
- der Angeklagte verurteilt worden ist.
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- Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
- über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
- des Landgerichts zurückverwiesen.
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- Von Rechts wegen
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- Gründe:
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in vier Fällen und
- wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 25 Fällen unter Freispruch im übrigen bzw. Einstellung des Verfahrens zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem
- Jahr und drei Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
- Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der
- er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
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- I.
- Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, die Richterbank sei auf
- Seiten der mitwirkenden Schöffen T.
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- V.
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- und U.
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- H.
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- nicht ord-
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- nungsgemäß besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 b StPO).
- 1. a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde: Die Hauptverhandlung war ursprünglich terminiert auf den 17. Oktober 2001 mit Fortsetzungsterminen, darunter auch der Termin vom 24. Oktober 2001. Die Schöffen
- V.
-
- und H.
-
- waren die für den 17. Oktober ausgelosten Hauptschöffen.
-
- Sie wurden durch die Geschäftsstelle der Strafkammer zum Termin vom
- 17. Oktober 2001 nicht geladen und erschienen zum vorgesehenen Sitzungsbeginn nicht. Die Hauptverhandlung begann verspätet mit dem noch erreichten
- Hauptschöffen H.
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- und dem Hilfsschöffen A.
-
- P.
-
- . Nach Vernehmung
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- des Angeklagten zur Person erhob der Verteidiger hinsichtlich des Hilfsschöffen den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung. Diesem gab die Kammer
- statt. Der Vorsitzende ordnete an, mit der Hauptverhandlung solle neu begonnen werden am 24. Oktober 2001, einem der vorgesehenen Fortsetzungstermine, in der zuvor mitgeteilten Besetzung mit den Schöffen V.
-
- und H.
-
- .
-
- In der Hauptverhandlung vom 24. Oktober 2001 machte der Verteidiger
- erneut den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung - nunmehr hinsichtlich
- beider Schöffen - geltend. Das Landgericht wies den Besetzungseinwand zurück. Es vertrat die Auffassung, die für den ursprünglichen Prozeßbeginn ausgelosten Schöffen seien zuständig geblieben, weil die Hauptverhandlung in der
- Gerichtsbesetzung noch innerhalb der vorgesehenen Terminstage beginnen
- konnte.
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- -6-
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- 1. b) Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, da die Hauptverhandlung
- - wie nach einer Aussetzung - neu begonnen habe, seien die Hauptschöffen
- der Schöffenliste für den Sitzungstag 24. Oktober 2001 die zur Mitwirkung berufenen Schöffen. Er trägt vor, diese seien nicht identisch mit den Schöffen
- V.
-
- und H.
-
- . Letztere seien in der Schöffenliste für den Terminstag
-
- 24. Oktober 2001 weder als Hauptschöffen noch als Ersatz- oder Hilfsschöffen
- vorgesehen.
- 2. Die Rüge ist zulässig und begründet.
- a) Das Revisionsvorbringen genügt unter den vorliegenden Umständen
- den Begründungserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
- Aus dem Vortrag, die für den 24. Oktober 2001 vorgesehenen Hauptschöffen seien die zur Mitwirkung berufenen Schöffen, kann entnommen werden, daß es sich um einen ordentlichen Sitzungstag der Kammer handelte
- (§§ 77, 45, 47 GVG), für den - wie die Revision weiter ausführt - die Schöffen
- V.
-
- und H.
-
- weder als Hauptschöffen noch als Ersatz- oder Hilfsschöffen
-
- in der Schöffenliste bestimmt gewesen seien. Für die behauptete fehlende
- Identität der herangezogenen Schöffen mit den für den 24. Oktober zuständigen Schöffen spricht der Inhalt des Beschlusses, mit dem der Besetzungseinwand zurückgewiesen wurde. Bei gegebener Personenidentität hätte es der
- Begründung, daß die für den ursprünglichen Prozeßbeginn am 17. Oktober
- 2001 ausgelosten Schöffen zuständig geblieben seien, nicht bedurft. Es kann
- dahinstehen, ob die Revision stets die ordnungsgemäße Besetzung namentlich
- mitteilen muß (vgl. für die Fälle der Hinzuziehung von Hilfsschöffen BGH NJW
- 1991, 50 m.w.N.; BGHSt 36, 138). Bei der vorliegenden besonderen Verfahrenssituation war es nicht geboten, die Schöffen zu benennen, welche bei rich-
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- -7-
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- tiger Gesetzesanwendung am 24. Oktober 2001 zur Mitwirkung berufen waren
- (vgl. KK-Kuckein StPO, 4. Aufl. § 338 Rdn. 52).
- b) Zutreffend geht die Revision davon aus, daß mit den für den
- 24. Oktober ausgelosten Schöffen hätte verhandelt werden müssen.
- Die Auffassung der Kammer, die Zuständigkeit der für den ursprünglichen Prozeßbeginn ausgelosten Schöffen ergebe sich daraus, daß die Haup tverhandlung noch innerhalb der vorgesehenen Terminstage beginnen konnte,
- ist rechtsfehlerhaft. Schöffen werden nicht für bestimmte Strafverfahren, sondern für bestimmte Sitzungstage ausgelost. Nur an den für sie ausgelosten ordentlichen Sitzungstagen sind die Hauptschöffen zur Mitwirkung als Richter
- berufen (BGHSt 17, 176). Der Vorsitzende ordnete hier nach einem erfolgreichen Besetzungseinwand der Verteidigung (§ 222 b Abs. 2 StPO) an, mit der
- Hauptverhandlung solle erneut begonnen werden. Es kann offenbleiben, ob in
- einem solchen Fall die Hauptverhandlung auszusetzen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 222 b Rdn. 12) oder ob sie mit Erlaß
- des Beschlusses nach § 222 b Abs. 2 Satz 2 StPO ohne weiteres beendet wird
- (vgl. KK-Tolksdorf, 4. Aufl. § 222 b Rdn. 16 m.w.N.), jedenfalls muß mit der
- Hauptverhandlung neu begonnen werden (vgl. Schlüchter in SK-StPO § 222 b
- Rdn. 23). Von einem faktischen Neubeginn ist zwar auch das Landgericht ausgegangen, wie die Anordnung des Vorsitzenden belegt. Eine neue Hauptverhandlung kann aber nur mit den für den Tag des Neubeginns ausgelosten
- Schöffen erfolgen, das hat das Landgericht verkannt. Die für den Sitzungstag
- vom 24. Oktober ausgelosten Hauptschöffen waren daher die zur Mitwirkung
- berufenen Richter. Die Schöffen V.
-
- und H.
-
- waren nicht die gesetzli-
-
- chen Richter. Daher war das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben.
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- II.
- Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der tatbestandlichen Anforderungen des § 266 a StGB auf BGH, Beschl. v. 28. Mai 2002
- - 5 StR 16/02 - hin (zum Abdruck in BGHSt bestimmt).
- Rissing-van Saan
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- Detter
- Fischer
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- Otten
- Elf
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