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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 1 StR 487/00
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- 17. Januar 2001
- in der Strafsache
- gegen
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- wegen gefährlicher Körperverletzung
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- Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2001 gemäß
- § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
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- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 4. Juli 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
- Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
- über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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- Gründe:
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und
- die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die
- Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
- Der Angeklagte hatte an einer Hochzeitsfeier teilgenommen und wartete
- gegen 0.30 Uhr am Straßenrand auf ein Taxi. Der Zeuge Y.
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- hatte ein soge-
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- nanntes Siedlerfest besucht und befand sich auf dem Heimweg. Er hörte aus
- der Richtung des Angeklagten Rufe, durch die er sich provoziert fühlte. Mit den
- Worten “Den mach ich fertig!” rannte er zum Angeklagten, den er - zu Unrecht
- - für den Rufer hielt. Der Zeuge Y.
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- , der etwas größer als der Angeklagte ist
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- und etwa einmal wöchentlich an einem Taekwondo-Unterricht teilnahm, versetzte dem Angeklagten sogleich einen Fußtritt gegen den Oberkörper, packte
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- ihn mit beiden Händen am Hals, zog ihn in den Schwitzkasten und versetzte
- ihm erneut mehrere Fußtritte gegen den Oberkörper. Um sich weiterer Tritte
- oder Schläge zu erwehren, nahm der Angeklagte ein Messer und fügte dem
- Zeugen Y.
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- eine Stichverletzung am rechten Unterbauch zu. Ohne sich da-
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- von merklich beeinträchtigt zu zeigen, griff der Zeuge Y.
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- den Angeklagten
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- weiterhin mit erhobenen Fäusten und einem “Fußkick” an.
- Der Angeklagte entschloß sich nun, den Zeugen Y.
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- “für seinen unbe-
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- rechtigten Angriff zur Rechenschaft zu ziehen”. Um dem Zeugen Y.
- Kampfbereitschaft zu zeigen, forderte er nunmehr [den Zeugen] Y.
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- “seine
- mit den
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- Worten ‚Komm, komm her, ich mach Dich fertig, ich stech Dich ab!‘ und heranwinkenden Handbewegungen auf, sich gleichfalls dem weiteren Kampf zu stellen. Sowohl (der Zeuge) Y.
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- als auch der Angeklagte nahmen ab dann den
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- offenen Zweikampf auf” (UA S. 6, 7),
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- in dessen Verlauf der Zeuge Y.
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- dem
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- Angeklagten mehrere Fußtritte und Faustschläge gegen den Körper versetzte
- und der Angeklagte dem Zeugen Y.
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- mehrere Stiche und Schnittverletzun-
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- gen an den Unterarmen, der linken Leiste und am Rücken zufügte.
- Die Ansicht des Landgerichts, die erste Stichverletzung sei durch Notwehr gerechtfertigt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
- Soweit das Landgericht für die anschließenden Stich- und Schnittverletzungen eine Rechtfertigung des Angeklagten wegen Notwehr gemäß § 32
- StGB ablehnt, bedarf die Frage dagegen erneuter Prüfung. Das Landgericht
- hat Notwehr verneint, weil ab dann nicht mehr der Verteidigungswille, sondern
- andere Motive das Handeln des Angeklagten bestimmten (UA S. 15) und weil
- die Angriffe des Angeklagten nicht mehr als Trutzwehr vom Verteidigungswillen
- maßgeblich bestimmt waren und es diesem in erster Linie darum ging, den ihm
- aufgedrängten Zweikampf aufzunehmen (UA S. 16).
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- Mit dieser Begründung kann dem Angeklagten die Berufung auf das
- Notwehrrecht des § 32 StGB nicht versagt werden, weil das Landgericht auch
- feststellt, daß der Zeuge Y.
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- “ihm gleichfalls kampfbereit gegenüberstand”
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- (UA S. 14) und “der Angriff durch den Zeugen Y.
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- trotz der ersten Stichver-
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- letzung noch nicht beendet war, so daß objektiv die Notwehrlage weiterhin bestand” (UA S. 15).
- Notwehr scheidet nicht schon dann ohne weiteres aus, wenn der Angeklagte - auch - aus anderen Motiven das Messer eingesetzt hat. Tritt ein anderes Motiv zu einem nach wie vor vorhandenen Verteidigungswillen hinzu, steht
- dieser neue Beweggrund der Annahme von Notwehr nur dann entgegen, wenn
- das subjektive Rechtfertigungselement des Willens zur Verteidigung hierdurch
- völlig in den Hintergrund gedrängt wird (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz,
- bedingter 33; BGH NStZ 1983, 117; 2000, 365). Das Urteil läßt nicht ausreichend erkennen, ob dieser Prüfungsmaßstab beachtet worden ist.
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- Nach Wegfall des die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründenden
- Tatvorwurfs des versuchten Totschlags verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts
- zurück.
- Schäfer
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- Wahl
- Hebenstreit
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- Schluckebier
- Schaal
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