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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 117/03
Verkündet am:
1. April 2004
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 329
Nicht zu verkündende Entscheidungen werden erlassen in dem Zeitpunkt, in dem
das Gericht sich ihrer in einer der Verkündung vergleichbaren Weise entäußert hat.
Dies setzt voraus, daß der Beschluß die Geschäftsstelle mit der unmittelbaren
Zweckbestimmung verlassen hat, den Parteien bekannt gegeben zu werden.
BGH, Urteil vom 1. April 2004 - IX ZR 117/03 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Dr. Fischer, Dr. Ganter, Kayser und Vill
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin hatte den verklagten Rechtsanwalt beauftragt, ihr gegen
Dritte zustehende Ansprüche zu verfolgen. Sie entzog ihm im Juli 1995 das
Mandat und ließ die Ansprüche durch andere Rechtsanwälte gerichtlich geltend machen. Während dieses Prozesses trafen die Klägerin und der Beklagte
am 17. September/14. Oktober 1996 eine "Streitverkündungsabrede". In der
Berufungsinstanz wurde die Klage vollumfänglich wegen Verjährung abgewiesen. Die Revision der Klägerin nahm der Bundesgerichtshof durch Beschluß
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vom 11. November 1998 nicht an. Dieser Beschluß wurde der Klägerin am
16. November 1998 zugestellt.
Am 14. Mai 1999 hat die Klägerin die vorliegende Klage auf Zahlung von
Schadensersatz in Höhe von 1.003.474 DM eingereicht, die sie nunmehr noch
in Höhe von 403.464,48 € weiterverfolgt. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen (OLGR Düsseldorf 2004, 55). Dagegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel der Klägerin führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von dem Beklagten erhobene
Verjährungseinrede greife durch. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 51b
BRAO sei spätestens drei Jahre nach der Beendigung des dem Beklagten erteilten Mandats, also im Juli 1998, abgelaufen. Die am 14. Mai 1999 eingereichte Klage habe den Lauf der Frist nicht mehr gemäß § 209 Abs. 1 BGB a.F.
unterbrechen können. Der Beklagte müsse sich auch nicht im Hinblick auf die
zwischen den Parteien getroffene Streitverkündungsabrede so behandeln lassen, als sei die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F. unterbro-
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chen worden. Denn die vorliegende Klage sei nicht binnen sechs Monaten
nach Beendigung des Vorprozesses erhoben worden (§ 215 Abs. 2 BGB a.F.).
Dieser sei mit Erlaß des Nichtannahmebeschlusses des Bundesgerichtshofs
rechtskräftig beendet worden. Der Nichtannahmebeschluß sei erlassen worden, als er mit dem Willen des Bundesgerichtshofs aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgetreten sei. Dies sei am 11. November 1998 geschehen,
als der Beschluß in das Postausgangsfach der Geschäftsstelle gelangt sei. Auf
den Tag der Zustellung des Beschlusses komme es nicht an. Ein Anerkenntnis
der Klageforderung (§ 208 BGB a.F.) liege nicht vor. Ebensowenig sei ein Verzicht des Beklagten auf die Einrede der Verjährung festzustellen.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Der Klageanspruch ist nicht verjährt. Aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Streitverkündungsabrede muß sich der Beklagte in dem Verhältnis
zur Klägerin so behandeln lassen, wie wenn ihm im Vorprozeß der Streit verkündet worden wäre. Eine Streitverkündung hätte die Unterbrechungswirkung
gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F. gehabt. Denn die vorliegende Klage ist
binnen sechs Monaten nach Beendigung des Vorprozesses erhoben worden
(§ 215 Abs. 2 BGB a.F.).
1. Nach dem - im Streitfall noch anzuwendenden - § 215 Abs. 2 Satz 1
BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung gilt die Unterbrechung der Verjährung durch Streitverkündung (§ 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F.) als
nicht erfolgt, wenn nicht binnen sechs Monaten nach der Beendigung des Pro-
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zesses Klage auf Befriedigung oder Feststellung des Anspruchs erhoben wird.
Wann ein Prozeß beendet wird, falls der Bundesgerichtshof die Annahme einer
Revision durch - nicht zu verkündenden - Beschluß ablehnt (§ 554b Abs. 3
ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung), ist bislang noch
nicht abschließend geklärt. Der Bundesgerichtshof hat sich einerseits dafür
ausgesprochen, bereits mit der Ablehnung der Annahme werde das angefochtene Urteil rechtskräftig (BGH, Beschl. v. 24. Juni 1980 - KZR 12/79, NJW
1981, 55; Urt. v. 4. Juli 1980 - V ZR 37/78, WM 1980, 1350, 1351), andererseits hat er geäußert, die Prozeßbeendigung trete erst mit der Zustellung des
Nichtannahmebeschlusses ein (BGH, Urt. v. 1. Juli 1986 - VI ZR 120/85, NJW
1987, 371). Im vorliegenden Fall bedarf diese Streitfrage keiner Entscheidung.
2. Bei Klageeinreichung am 14. Mai 1999 war die sechsmonatige Frist
des § 215 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. selbst dann noch nicht abgelaufen, wenn
man auf den Zeitpunkt des Erlasses des Nichtannahmebeschlusses abstellt.
a) Ein nicht zu verkündender Beschluß ist dann erlassen, wenn er mit
dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgetreten ist
(BGHZ 12, 248, 252; 85, 361, 364; 133, 307, 310; BGH, Beschl. v. 27. Oktober
1999 - XII ZB 18/99, NJW-RR 2000, 877, 878). Dafür kann es ausreichen, daß
der Geschäftsstellenbeamte den Beschluß in den äußeren Geschäftsgang gegeben hat (RGZ 160, 307, 309 f; BGHZ 85, 361, 364). Der Übergang vom inneren Geschäftsbetrieb zum äußeren Geschäftsgang ist dadurch gekennzeichnet,
daß das Gericht sich der Entscheidung entäußert hat. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit verkündeten Entscheidungen. Diese werden mit der in öffentlicher Sitzung erfolgenden Verkündung existent und bindend, weil sie nunmehr aus dem inneren Geschäftsbetrieb des Gerichts heraustreten (vgl.
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Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 705 Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Musielak,
2. Aufl. § 310 Rn. 1; § 318 Rn. 1; Musielak, ZPO 3. Aufl. § 310 Rn. 8; Zöller/Vollkommer, ZPO 24. Aufl. § 310 Rn. 1; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 310
Rn. 1). Wenn die Öffentlichkeit hergestellt war, kommt es nicht darauf an, ob
die Entscheidung in Anwesenheit der Parteien verkündet worden ist. Ab dem
Zeitpunkt der Verkündung kann das Gericht seine Entscheidung nicht mehr
verändern. Dementsprechend werden nicht zu verkündende Entscheidungen
existent und bindend in dem Zeitpunkt, in dem das Gericht sich ihrer in einer
vergleichbaren Weise entäußert hat. Dies ist noch nicht der Fall, wenn der Geschäftsstellenbeamte den Nichtannahmebeschluß auf den Abtrag gelegt hat. Er
könnte ihn dort wieder wegnehmen. Um eine Bindungswirkung für das Gericht
anzunehmen, genügt es auch nicht, daß der Beschluß bei der Geschäftsstelle
abgetragen wurde, damit in der Kanzlei die an die Parteien zu versendenden
Ausfertigungen mit den Empfangsbekenntnissen vorbereitet werden. Dies alles
gehört noch zum inneren Geschäftsbetrieb. Erforderlich ist, daß der Beschluß
die Geschäftsstelle mit der unmittelbaren Zweckbestimmung verlassen hat, den
Parteien bekannt gegeben zu werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn
eine Ausfertigung des Beschlusses in das Gerichtsfach eines Prozeßbevollmächtigten eingelegt worden ist, aber auch schon dann, wenn der Gerichtswachtmeister eine Ausfertigung bei der Geschäftsstelle abgetragen hat, um sie
in das Gerichtsfach des Prozeßbevollmächtigten einzulegen oder zur Post(stelle) zu geben.
Ob eine Selbstbindung des Gerichts - mit der Folge, daß die Entscheidung bereits als erlassen gilt, obwohl sie sich noch im inneren Geschäftsbetrieb des Gerichts befindet - bereits dann angenommen werden kann, wenn auf
Anfrage das "Ergebnis" telefonisch bekanntgegeben wird (vgl. BGH, Beschl. v.
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27. Oktober 1999 – XII ZB 18/99, NJW-RR 2000, 877, 878), braucht der Senat
nicht zu entscheiden.
b) Im vorliegenden Fall ist der im Vorprozeß ergangene Nichtannahmebeschluß des Bundesgerichtshofs entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
nicht bereits am 11. November, sondern frühestens am 13. November 1998
"herausgegeben" worden.
Wie sich aus den Akten ergibt, ist der Nichtannahmebeschluß von den
Richtern am 11. November 1998 unterschrieben worden. Die Schlußverfügung
des Bundesgerichtshofs, mit welcher unter anderem die Kanzlei angewiesen
wurde, Ausfertigungen und Abdrucke an die Prozeßbevollmächtigen zu fertigen, datiert vom 12. November 1998 und der Erledigungsvermerk der Kanzlei
vom 13. November 1998. Das von der Kanzlei vorbereitete Empfangsbekenntnis gemäß § 212a ZPO trägt ebenfalls das Datum vom 13. November 1998.
Ausfertigungen, Abdrucke und Empfangsbekenntnis können folglich frühestens
am 13. November 1998 die Geschäftsstelle mit dem Ziel verlassen haben, sie
in das Gerichtsfach der Prozeßbevollmächtigten der Parteien einzulegen oder
zur Poststelle zu geben.
2. Die sechsmonatige Frist des § 215 Abs. 2 BGB a.F. konnte somit
nicht vor dem 13. Mai 1999 ablaufen (§ 222 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit
§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Dieser Tag war ein gesetzlicher Feiertag
(Christi Himmelfahrt), so daß die Frist frühestens am 14. Mai 1999 endete
(§ 222 Abs. 2 ZPO). An diesem Tage wurde jedoch die Klage eingereicht.
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3. Für die Unterbrechungswirkung (§ 209 Abs. 1 BGB a.F.) unschädlich
ist, daß die Klage erst am 19. Juli 1999 zugestellt wurde. Dies war noch "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F., weil die Verzögerung von der
Klägerin allenfalls in unerheblicher Weise zu vertreten war. Mit der Klageeinreichung hatte diese zunächst einmal alles getan, was von ihrer Seite erforderlich war, um die Verjährungsfrist zu unterbrechen, zumal sie einen Verrechnungsscheck in Höhe des Gerichtskostenvorschusses in Höhe von 18.616 DM
beigefügt hatte.
Der Zeitraum, der auf vermeidbare Verzögerungen im Geschäftsablauf
des Gerichts entfällt, wird dem Kläger nicht zugerechnet (BGH, Urt. v. 20. April
2000 - VII ZR 116/99, NJW 2000, 2282). Allerdings muß ein Kläger, der seinerseits zunächst alles Erforderliche getan hat, unter Umständen auch später
noch einer Verzögerung der Zustellung entgegentreten (vgl. Musielak/Wolst,
§ 167 ZPO Rn. 8). Droht eine solche aus unerklärlichen Gründen, muß er sich
bei dem Gericht nach den Ursachen erkundigen (vgl. BGHZ 69, 361, 364; Zöller/
Greger, § 167 ZPO Rn. 15; Musielak/Wolst, aaO). Eine derartige Pflicht erwächst ihm aber grundsätzlich nicht vor Ablauf von einem Monat (vgl. OLG
Hamm NJW-RR 1998, 1104; OLG Hamburg NVersZ 2002, 133, wo sogar im
Falle der zunächst unterbliebenen Zahlung dem Prozeßbevollmächtigten zugebilligt wurde, drei Wochen auf die gerichtliche Zahlungsanforderung zu warten), und schädlich wird das Unterlassen einer Nachfrage nicht vor Ablauf von
weiteren zwei Wochen (BGH, Urt. v. 9. November 1994 - VIII ZR 327/93, NJWRR 1995, 254; v. 12. Januar 1996 - V ZR 246/94, NJW 1996, 1060, 1061, insofern in BGHZ 131, 376 ff nicht abgedruckt; v. 20. April 2000 aaO).
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Im vorliegenden Fall hätte der Klägerin deshalb eine unterlassene Nachfrage erst ab Ende Juni 1999 geschadet. Bereits am 28. Juni 1999 hat die Geschäftsstelle des Landgerichts jedoch die Absendung des der Klageschrift beigefügten Schecks an die Gerichtskasse veranlaßt; am 2. Juli 1999 wurde er
eingelöst. Am 12. Juli 1999 wurde die Zustellung der Klage verfügt und früher
erster Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Nachfrage der Klägerin Ende Juni 1999 eine größere Beschleunigung bewirkt hätte.
III.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die Berechtigung
der Klage in der Sache geprüft wird.
Kreft
Fischer
Kayser
Ganter
Vill