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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. VERSÄUMNISURTEIL
  4. XII ZR 29/00
  5. Verkündet am:
  6. 5. Februar 2003
  7. Breskic,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Familiensache
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. BGB §§ 1578, 1586 b; ZPO § 323
  16. a) Zur Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578 BGB, wenn nach der
  17. Scheidung
  18. aa) der unterhaltspflichtige Ehegatte anstelle seines bisherigen Erwerbseinkommens eine niedrigere Rente bezieht (Fortführung der Senatsurteile
  19. BGHZ 148, 105 ff. und vom 29. Januar 2003 - XII ZR 92/01 -);
  20. bb) der unterhaltsberechtigte Ehegatte Rente aus Anrechten bezieht, die er aus
  21. vorehelicher Erwerbstätigkeit, aus dem Versorgungsausgleich sowie mit Mitteln des ihm geleisteten Vorsorgeunterhalts erworben hat (Abgrenzung zum
  22. Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88).
  23. b) Zur Frage der Abänderung von Urteilen, die noch auf der Anwendung der sog.
  24. Anrechnungsmethode zur Bemessung des nachehelichen Unterhalts beruhen
  25. (Fortführung der Senatsurteile BGHZ 148, 368 ff. und vom 22. Januar 2003
  26. - XII ZR 186/01 -).
  27. c) In die Berechnung der Haftungsgrenze nach § 1586 b Abs. 1 Satz 3 BGB sind
  28. (fiktive) Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den
  29. Erben einzubeziehen (im Anschluß an Senatsurteil BGHZ 146, 114 ff.).
  30. BGH, Urteil vom 5. Februar 2003 - XII ZR 29/00 - OLG Stuttgart
  31. AG Reutlingen
  32. -2-
  33. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  34. vom 5. Februar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
  35. Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt
  36. für Recht erkannt:
  37. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats
  38. - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. Dezember 1999 aufgehoben.
  39. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
  40. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. Die Parteien streiten über nachehelichen Unterhalt.
  44. Die Klägerin ist die Alleinerbin des am 3. Oktober 1924 geborenen Dr. F.;
  45. die am 16. Oktober 1931 geborene Beklagte ist dessen geschiedene Ehefrau.
  46. Die am 29. August 1958 geschlossene Ehe ist seit dem 13. Dezember 1977
  47. rechtskräftig geschieden; die Eheleute lebten seit 1974 getrennt. Dr. F. ist am
  48. 25. Dezember 1997 verstorben.
  49. Durch Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Oktober 1979 war
  50. Dr. F. verurteilt worden, an die Beklagte eine monatliche Unterhaltsrente in Hö-
  51. -3-
  52. he von 2.300 DM (ohne Vorsorgeunterhalt) zu zahlen. Bei der Bemessung des
  53. Unterhalts war das Oberlandesgericht von dem von der Beklagten konkret dargelegten Bedarf, nicht aber von bestimmten Richtsätzen ausgegangen, da diese auf untere und mittlere Einkommensverhältnisse zugeschnitten seien, das
  54. Nettoeinkommen des Dr. F. als Chefarzt einer privaten Nervenklinik nach eigenen Angaben in den letzten Jahren aber zwischen 63.000 und 100.000 DM
  55. betragen und "damit weit über dem Durchschnittsverdienst aller Erwerbstätigen"
  56. gelegen habe, so daß es auf die genaue Einkommenshöhe des Dr. F. nicht angekommen sei. In der Folge wurde der ausgeurteilte Unterhalt auf Abänderungsklage wiederholt, und zwar jeweils in Anpassung an den gestiegenen Lebenshaltungskostenindex, erhöht - zuletzt durch das Urteil des Amtsgerichts
  57. Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 16. Februar 1994, mit dem Dr. F. unter anderem
  58. verurteilt wurde, an die Beklagte 3.454,40 DM Elementarunterhalt und 990 DM
  59. Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen.
  60. In einem vom Familiengericht genehmigten Prozeßvergleich vom 25. Mai
  61. 1982 hatte sich Dr. F. verpflichtet, zum Ausgleich einer von ihm erworbenen
  62. Betriebsrente an die Beklagte 40.000 DM zu zahlen. Ihrer im Gegenzug übernommenen Verpflichtung, diesen Betrag zum Aufbau ihrer Altersversorgung zu
  63. verwenden, war die Beklagte jedoch nicht nachgekommen. Seit dem
  64. 1. November 1996 bezieht sie eine Regelaltersrente in Höhe von 1.350,94 DM,
  65. die ab dem 1. Juli 1997 1.373,23 DM, ab dem 1. Juli 1998 1.379,31 DM und ab
  66. dem 1. Juli 1999 1.397,83 DM - jeweils monatlich und zuzüglich der Zuschüsse
  67. zur Kranken- und Pflegeversicherung - beträgt. Der wesentliche Teil dieser
  68. Rente beruht auf Beiträgen, welche die Beklagte, die in der kinderlosen Ehe
  69. nicht berufstätig war, mit Mitteln des ihr von Dr. F. gezahlten Vorsorgeunterhalts
  70. entrichtet hatte.
  71. -4-
  72. Mit seiner am 8. Juli 1996 zugestellten Klage hat Dr. F. die Abänderung
  73. des Urteils des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 16. Oktober 1994
  74. dahin begehrt, daß er ab dem 1. Juli 1996 nur noch einen monatlichen Gesamtunterhalt (Elementar- und Vorsorgeunterhalt) in Höhe von 2.108 DM zu
  75. zahlen habe, da er seit dem 1. Februar 1996 als Chefarzt in Ruhestand getreten sei und - aus seiner Altersversorgung sowie aus Abwicklungstätigkeiten nur noch über monatliche Einkünfte von 4.217 DM netto verfüge. Die Beklagte
  76. hat für den Fall der Begründetheit der Klage im Wege der Stufen-Widerklage
  77. Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen des Klägers sowie Abänderung
  78. des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.
  79. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat Dr. F. Berufung eingelegt, mit der er seinen ursprünglichen Klagantrag auf Herabsetzung
  80. des Unterhalts auf monatlich insgesamt 2.108 DM weiterverfolgt und klagerweiternd Abänderung dahin begehrt, daß er ab dem 16. Oktober 1996 keinen
  81. Unterhalt mehr zu zahlen habe. Nach seinem Tod hat die Klägerin den Rechtsstreit fortgesetzt. Im Wege der Anschlußberufung hat die Beklagte ihre Eventualwiderklage weiterverfolgt und - unbedingt widerklagend - Feststellungen zur
  82. Erbenhaftung der Klägerin begehrt. Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil
  83. vom 22. April 1997 dem Auskunftsbegehren der Beklagten teilweise entsprochen; im übrigen haben die Parteien die Eventualwiderklage übereinstimmend
  84. für erledigt erklärt. Durch Schlußurteil vom 14. Dezember 1999 hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung sowie der
  85. Anschlußberufung - dem Abänderungsbegehren der Klägerin teilweise entsprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Die (Feststellungs-)Widerklage der
  86. Beklagten hat es als unzulässig abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision
  87. erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
  88. -5-
  89. Entscheidungsgründe:
  90. Aufgrund der Säumnis der Beklagten ist durch Versäumnisurteil zu erkennen, obwohl die Entscheidung inhaltlich nicht auf der Säumnisfolge beruht
  91. (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
  92. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
  93. 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist zwar bei der Bestimmung
  94. der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich das im Zeitpunkt der Scheidung
  95. erreichte Einkommensniveau maßgebend. Jedoch sei auch die mit hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusehende künftige Entwicklung zu berücksichtigen. Dazu
  96. gehöre auch ein mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretender und nicht abzuwendender Einkommensrückgang, auf den sich die Eheleute auch bei bestehender
  97. Ehe hätten einrichten müssen. Hierunter falle typischerweise das Absinken der
  98. Einkünfte durch den Eintritt in den Ruhestand, das von beiden Ehegatten in
  99. gleichem Maße mitgetragen werden müsse. Gerade bei sehr hohen Einkünften
  100. aus Erwerbstätigkeit führe die Zurruhesetzung in der Regel zu einer grundlegenden Veränderung des ehelichen Lebensstandards. So lägen die Dinge auch
  101. hier. Das Nettoeinkommen des Dr. F. habe 1977 monatlich 8.150 DM betragen.
  102. An die Stelle dieses Einkommens seien mit dem Eintritt des Dr. F. in den Ruhestand Versorgungsbezüge in Höhe von 3.827,78 DM sowie Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von 390 DM getreten. Hinzu kämen Vermögenseinkünfte, deren Höhe im - insoweit weiterhin maßgebenden - Zeitpunkt
  103. der Scheidung (6.010 DM jährlich : 12 Monate =) 500,83 DM monatlich betragen habe. Ob Dr. F. nach dem Eintritt in den Ruhestand weitergehende Einkünfte aus der Betreuung von Patienten oder aus wissenschaftlicher Tätigkeit
  104. bezogen habe, könne dahinstehen; denn insoweit handele es sich jedenfalls um
  105. -6-
  106. Einkommen aus überobligationsmäßiger Tätigkeit, das nach Treu und Glauben
  107. hier nicht zu berücksichtigen sei. Da sich die monatlichen Bezüge des Dr. F.
  108. somit insgesamt auf 4.718,61 DM netto beliefen, hätten sich die Verhältnisse,
  109. die für die Festsetzung der Unterhaltsrente im Urteil des Amtsgerichts maßgebend gewesen seien, durch die Zurruhesetzung wesentlich geändert, so daß
  110. dieses Urteil abzuändern sei. Dabei errechne sich für die Beklagte ein Elementarunterhaltsbedarf in Höhe von (4.718,61 : 2 = 2.359,30, gerundet) 2.360 DM
  111. sowie - für die Zeit vom 8. Juli 1996 (Rechtshängigkeit der Abänderungsklage)
  112. bis 31. Oktober 1996 (Rentenbeginn auf Seiten der Beklagten am 1. November
  113. 1996) - unter Zugrundelegung der Bremer Tabelle Stand 1. Januar 1996 ein
  114. Vorsorgeunterhalt in Höhe von (2.359, 30 x 141% x 19,2 % = ) 639 DM.
  115. Insoweit halten die Ausführungen des Oberlandesgerichts im Ergebnis
  116. einer rechtlichen Nachprüfung stand:
  117. a) Das Oberlandesgericht hat zu Recht den Unterhaltsbedarf der Beklagten nach dem mit dem Eintritt in den Ruhestand verminderten Einkommen
  118. des Dr. F. bemessen.
  119. aa) Zwar hat der Senat in ständiger Rechtsprechung betont, daß für den
  120. nachehelichen Unterhaltsanspruch die ehelichen Verhältnisse im Zeitpunkt der
  121. Scheidung maßgebend sind (etwa Senatsurteil vom 31. März 1982 - IVb ZR
  122. 661/80 - FamRZ 1982, 576, 577). Die Rechtskraft der Scheidung setzt gleichsam einen Endpunkt hinter eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung der
  123. Ehegatten mit der Folge, daß die für den Unterhalt maßgebenden Lebensverhältnisse nur durch das bis dahin nachhaltig erreichte Einkommen der Ehegatten bestimmt werden (etwa Senatsurteile vom 18. März 1992 - XII ZR 23/91 FamRZ 1992, 1045, 1046 und vom 16. Juni 1993 - XII ZR 49/92 - FamRZ 1993,
  124. 1304, 1305). Diese grundsätzliche (zu den Ausnahmen vgl. Senatsurteile BGHZ
  125. -7-
  126. 89, 108, 112 sowie vom 29. Februar 1986 - IVb ZR 16/85 - FamRZ 1986, 439,
  127. 440 einerseits und vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 20/86 - FamRZ 1987, 459,
  128. 460 andererseits) Fixierung der ehelichen Lebensverhältnisse auf den Zeitpunkt
  129. der Scheidung ist, wie der Senat in seinem - nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung ergangenen - Urteil vom 29. Januar 2003 - XII ZR 92/01 klargestellt hat, aber nur für die Berücksichtigung von Einkommenssteigerungen
  130. von Bedeutung. Sie stellt - entsprechend dem mit § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB
  131. verfolgten gesetzgeberischen Anliegen - eine Teilhabe des bedürftigen Ehegatten am Lebensstandard des unterhaltspflichtigen Ehegatten sicher, wenn
  132. und soweit er durch die gemeinsame Leistung der Ehegatten erreicht worden
  133. ist. Für eine nachteilige Veränderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen des
  134. unterhaltspflichtigen Ehegatten lassen sich diese Überlegungen indes nicht
  135. nutzbar machen; denn insoweit geht es nicht um die Teilhabe an dem in der
  136. Ehe gemeinsam Erworbenen, sondern um die sachgerechte Verteilung einer
  137. durch Einkommensrückgang erzwungenen Schmälerung des Bedarfs. Die Anknüpfung der nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgebenden Umstände an den
  138. Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils begründet schon nach ihrem
  139. Zweck für den unterhaltsberechtigten Ehegatten keine die früheren ehelichen
  140. Lebensverhältnisse unverändert fortschreibende Lebensstandardgarantie, deren Erfüllung nur in den Grenzen fehlender Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Ehegatten an dessen dauerhaft veränderte wirtschaftliche Verhältnisse angepaßt und nur insoweit auch "nach unten korrigiert" werden kann.
  141. Für eine solche Absicherung böte das Recht des nachehelichen Unterhalts, das
  142. - jedenfalls im Grundsatz - nur die Risiken der mit der Scheidung fehlgeschlagenen Lebensplanung der Ehegatten und der von ihnen in der Ehe praktizierten
  143. Arbeitsteilung angemessen ausgleichen will, keine Rechtfertigung. Das Unterhaltsrecht will den bedürftigen Ehegatten nach der Scheidung wirtschaftlich im
  144. Grundsatz nicht besser stellen, als er sich ohne die Scheidung stünde. Bei fort-
  145. -8-
  146. bestehender Ehe hätte ein Ehegatte die negative Einkommensentwicklung des
  147. anderen wirtschaftlich mitzutragen; es ist nicht einzusehen, warum die Scheidung ihm das Risiko einer solchen - auch vom unterhaltspflichtigen Ehegatten
  148. hinzunehmenden - Entwicklung abnehmen soll, wenn sie dauerhaft und vom
  149. Schuldner nicht durch die in Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit gebotenen
  150. Anstrengungen vermeidbar ist (Senatsurteil vom 29. Januar 2003 aaO; vgl.
  151. auch schon Senatsurteil vom 13. April 1988 - IVb ZR 34/87 - FamRZ 1988, 705,
  152. 706). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Auch hier muß es die Beklagte hinnehmen, daß der Bemessungsmaßstab der ehelichen Lebensverhältnisse, die
  153. im Zeitpunkt der Scheidung durch das Erwerbseinkommen und die Kapitaleinkünfte des Dr. F. geprägt waren, mit dessen Eintritt in den Ruhestand abgesunken ist.
  154. bb) Eine Anpassung des von der Beklagten zuletzt erwirkten Unterhaltsurteils an diese veränderte Bemessungsgrundlage wird nicht, wie die Revision
  155. meint, dadurch ausgeschlossen, daß der Unterhalt in diesem Urteil wie auch in
  156. den ihm vorausgegangenen Entscheidungen nicht nach einer Quote der von
  157. Dr. F. erzielten Einkünfte bemessen, sondern - wegen deren weit überdurchschnittlicher Höhe - nach dem von der Beklagten konkret dargelegten Bedarf
  158. bestimmt worden ist.
  159. Richtig ist, daß das Abänderungsverfahren weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse ermöglicht, die bereits im Ersturteil
  160. eine Bewertung erfahren haben. Vielmehr besteht die Abänderungsentscheidung in einer unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung des Unterhaltstitels an veränderte Verhältnisse. Für das
  161. Ausmaß der Abänderung kommt es darauf an, welche Umstände für die Bemessung der Unterhaltsrente seinerzeit maßgebend waren und welches Ge-
  162. -9-
  163. wicht ihnen dabei zugekommen ist. Auf dieser Grundlage hat der Richter im
  164. Abänderungsverfahren unter Berücksichtigung der neuen Verhältnisse festzustellen, welche Veränderungen in diesen Umständen eingetreten sind und welche Auswirkungen sich daraus für die Höhe des Unterhalts ergeben (st. Rspr.
  165. des Senats; etwa Senatsurteil vom 29. Juni 1994 - XII ZR 79/93 - FamRZ 1994,
  166. 1100, 1101). In der Entscheidung, deren Abänderung die Klägerin hier begehrt,
  167. hat das Familiengericht - in Übereinstimmung mit den zuvor zwischen den Parteien ergangenen Unterhaltsurteilen - den Unterhalt der Beklagten nach deren
  168. konkret dargelegtem und in Anpassung an den Lebenshaltungskostenindex
  169. fortgeschriebenen Bedarf bestimmt. Maßgebend für diese Art der Bestimmung
  170. waren, wie in den vorangegangenen Urteilen klargestellt, die Höhe der von
  171. Dr. F. als Chefarzt erzielten Einkünfte und die - vom Senat wiederholt gebilligte
  172. (vgl. etwa Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 - IVb ZR 311/81 - FamRZ 1982,
  173. 1187, 1188) - Annahme, daß derart überdurchschnittlich hohe Einkünfte nicht
  174. ausschließlich der Lebenshaltung der Ehegatten gedient und deren Lebensverhältnisse geprägt haben, sondern auch zur Vermögensbildung verwandt worden sind. Mit dem Wegfall der bisherigen Erwerbseinkünfte als Chefarzt und
  175. deren Ersetzung durch deutlich geringere Versorgungsbezüge ist die Grundlage
  176. für die bisherige Bedarfsbemessung entfallen. Dies gilt um so mehr, als - wie
  177. unter aa) dargelegt - die Bestimmung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen auch einen nach dem Lebensstandard im Zeitpunkt der
  178. Scheidung konkret dargelegten Bedarf nicht dauerhaft festschreibt, sondern für
  179. den Fall eines Absinkens des ursprünglich eheprägenden Einkommens ebenfalls abgesenkt werden muß. Eine Bindung an die vorangegangene Bedarfsermittlung besteht insoweit nicht. Dem von der Revision angeführten Senatsurteil
  180. vom 15. November 1989 (- IVb ZR 95/88 - FamRZ 1990, 280, 281) läßt sich
  181. Gegenteiliges nicht entnehmen. In dieser Entscheidung hat der Senat die Voraussetzungen einer Abänderung nach § 323 ZPO verneint, wenn in dem abzu-
  182. - 10 -
  183. ändernden Urteil der Unterhaltsbedarf gemäß dem in der Ehe erreichten gehobenen Lebensstandard konkret ermittelt worden ist und der unterhaltsberechtigte Ehegatte eine Anhebung des Unterhalts verlangt, weil sich die Einkommensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Ehegatten weiter verbessert hätten.
  184. Da sich in einem solchen Fall der konkrete Bedarf nicht verändert hat, wird die
  185. durch die konkrete Bedarfsermittlung nach oben begrenzte Unterhaltsbemessung durch einen Einkommensanstieg beim unterhaltspflichtigen Ehegatten
  186. nicht berührt. Im hier zu entscheidenden Fall liegen die Dinge jedoch gerade
  187. umgekehrt. Das Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten sinkt ab; dadurch vermindert sich auch der nach § 1578 Abs. 1 BGB - sei es konkret, sei es
  188. durch Quotierung - zu bemessende Bedarf. Dem kann nach Maßgabe des
  189. § 323 ZPO durch eine Abänderung Rechnung getragen werden.
  190. b) Mit Recht hat das Oberlandesgericht bei der Bemessung der für den
  191. Unterhaltsbedarf maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse die Kapitaleinkünfte des Dr. F. nur bis zu der Höhe berücksichtigt, in der Dr. F. bereits im
  192. Zeitpunkt der Scheidung Kapitaleinkünfte bezogen hat.
  193. Der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten bestimmt sich nach
  194. den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser Ehebezug schließt zwar die Berücksichtigung nachehelicher Entwicklungen nicht generell aus. Einkommensverbesserungen, die erst nach der Scheidung beim
  195. unterhaltspflichtigen Ehegatten eintreten, können sich nach der Rechtsprechung des Senats aber nur dann bedarfssteigernd auswirken, wenn ihnen eine
  196. Entwicklung zugrunde liegt, die aus der Sicht zum Zeitpunkt der Scheidung mit
  197. hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, und wenn diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hatte (vgl. etwa Senatsurteil vom
  198. 11. Februar 1987 aaO m.w.N.). Denn eine Teilhabe des bedürftigen Ehegatten
  199. am Lebensstandard des unterhaltspflichtigen Ehegatten ist nur gerechtfertigt,
  200. - 11 -
  201. wenn und soweit er durch die gemeinsame Lebensleistung der Ehegatten erreicht worden ist (Senatsurteil vom 29. Januar 2003 aaO). Daran fehlt es im
  202. vorliegenden Fall. Denn es war, worauf das Oberlandesgericht mit Recht hinweist, im Scheidungszeitpunkt völlig ungewiß, ob der damals 53 Jahre alte und
  203. bereits seit über drei Jahren getrennt lebende Dr. F. erneut heiraten würde, ob
  204. und in welchem Umfang er in der neuen Ehe sparen und Vermögen bilden würde und wie lange er überhaupt berufstätig sein würde.
  205. Der Umstand, daß der Beklagten in der Vergangenheit keine quotenmäßige Beteiligung an den früher überdurchschnittlichen Einkünften des Dr. F. zugebilligt, ihr vielmehr nur ein nach ihrem konkret dargelegten Bedarf bemessener Unterhalt zuerkannt worden ist, ändert an dieser Beurteilung nichts. Dr. F.
  206. hat dadurch nämlich nicht, wie die Revision meint, auf Kosten der Beklagten
  207. Vermögen anlegen können, dessen Erträge er deshalb nunmehr auch zugunsten der Beklagten aufwenden müßte; ebenso ist der Beklagten auch nicht
  208. durch diese Bemessung eine Möglichkeit zu eigener Vermögensbildung genommen worden. Der nacheheliche Unterhalt ist Folge der die Scheidung überdauernden Verantwortung der Ehegatten füreinander. Diese fortwirkende Verantwortung ist auf die Deckung des Lebensbedarfs beschränkt. Sie begründet
  209. jedoch keinen Anspruch auf Partizipation am künftigen, nicht mehr in der Ehe
  210. angelegten Vermögenserwerb des anderen Ehegatten oder an den daraus gezogenen Nutzungen; insoweit setzt sich der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Ehegatten gegenüber der fortwirkenden Verantwortung
  211. füreinander durch (vgl. Eherechtskommission beim Bundesministerium der Justiz, Vorschläge zur Reform des Ehescheidungsrechts und des Unterhaltsrechts
  212. nach der Ehescheidung, 1970, 75 f., 92 f.).
  213. c) Das Oberlandesgericht durfte auch dahinstehen lassen, ob die Behauptung der Klägerin, Dr. F. habe seit seinem Eintritt in den Ruhestand nur
  214. - 12 -
  215. noch wenige Patienten betreut und keine Einnahmen aus wissenschaftlicher
  216. Tätigkeit mehr erzielt, zutrifft.
  217. Auch wenn Dr. F. solche Tätigkeiten weiter ausgeübt und daraus Gewinne erzielt hätte, so wäre auch dies eine Entwicklung, die nicht bereits in der vor
  218. über 18 Jahren beendeten Ehe angelegt war. Schon deshalb könnten Einkünfte
  219. des Dr. F. aus solchen Tätigkeiten den an den ehelichen Lebensverhältnissen
  220. orientierten Unterhaltsbedarf der Beklagten nicht mehr beeinflussen. Im übrigen
  221. würde, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hinweist, eine solche den Ruhestand überdauernde Tätigkeit des bei Beginn des Abänderungszeitraums
  222. nahezu 72-jährigen Dr. F. von dessen Erwerbsobliegenheit nicht mehr gedeckt.
  223. Erträge, die der Unterhaltspflichtige aus einer solchen überobligationsmäßigen
  224. Tätigkeit erzielt, könnten deshalb allenfalls dann bedarfssteigernd berücksichtigt
  225. werden, wenn Treu und Glauben eine solche Berücksichtigung erfordern (vgl.
  226. Senatsurteile vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 344/81 - FamRZ 1983, 569, 570
  227. und vom 16. Januar 1985 - IVb ZR 60/83 - FamRZ 1985, 360, 362; für Einkünfte des Berechtigten vgl. etwa Senatsurteile vom 19. Mai 1982 - IVb ZR
  228. 702/80 - FamRZ 1982, 779, 780 und vom 24. November 1982 - IVb ZR 310/81 FamRZ 1983, 146, 147; ferner etwa Heiß/Born, Unterhaltsrecht Stand März
  229. 2002, Kap. 2 Rdn. 43 ff.; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis 5. Aufl., § 1 Rdn. 45 ff.). Diese - vorrangig vom Tatrichter zu
  230. beurteilende - Frage hat das Oberlandesgericht verneint; die hierfür angeführten Gründe lassen revisionsrechtlich bedeutsame Fehler nicht erkennen.
  231. 2. Das Oberlandesgericht hat bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs
  232. der Beklagten deren seit dem 1. November 1996 bezogene Renteneinkünfte
  233. nicht berücksichtigt. Da die Beklagte während der Ehe nicht berufstätig gewesen sei, beruhe der wesentliche Teil dieser Renteneinkünfte darauf, daß Dr. F.
  234. durch Urteil des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 18. März 1980 zur
  235. - 13 -
  236. Zahlung von Vorsorgeunterhalt in Höhe von 822 DM verurteilt und dieser Betrag
  237. in späteren Urteilen heraufgesetzt worden sei. Im übrigen fehle es an dem Erfordernis eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Scheidung und
  238. späterer Rentengewährung. Allerdings müsse sich die Beklagte für die Zeit ab
  239. dem 1. November 1996 ihre Regelaltersrente auf ihren Unterhaltsbedarf anrechnen lassen.
  240. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand.
  241. a) Soweit die Rente der Beklagten auf ihrer vor der Ehe ausgeübten Erwerbstätigkeit beruht, war sie bereits bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs
  242. zu berücksichtigen; dies gilt allerdings nur, soweit der Rentenbezug für die Zeit
  243. ab dem 13. Juni 2001 in Frage steht.
  244. aa) Wie der Senat in seiner - erst nach Erlaß des angefochtenen Urteils
  245. ergangenen - Entscheidung vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99 - FamRZ
  246. 2002, 88, 91 - dargelegt hat, prägt die von einem Ehegatten bezogene Rente
  247. die ehelichen Lebensverhältnisse auch dann, wenn sie auf einer vor der Ehe
  248. ausgeübten Erwerbstätigkeit beruht und erst nach der Scheidung angefallen ist.
  249. Die Rente ist insoweit als ein Surrogat für den wirtschaftlichen Nutzen anzusehen, den der rentenberechtigte Ehegatte vor Eintritt des Rentenfalles aus seiner
  250. Arbeitskraft ziehen konnte. Hat ein Ehegatte nach der Eheschließung seine Arbeitskraft auf die Führung des gemeinsamen Haushalts verwandt, so hat der
  251. Wert seiner Arbeitskraft, und zwar nunmehr in der Form der Familienarbeit, die
  252. ehelichen Lebensverhältnisse mitgeprägt. Da der Wert der Arbeitskraft in der
  253. von diesem Ehegatten später bezogenen Rente eine Entsprechung findet, ergibt sich, daß auch diese Rente bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen ist, und zwar auch dann, wenn diese Rente durch
  254. - 14 -
  255. eine Erwerbstätigkeit vor oder nach der Ehe erworben ist. Das Oberlandesgericht durfte daher die von der Beklagten bezogene Rente, soweit sie auf der
  256. vorehelichen Erwerbstätigkeit der Klägerin beruht, nicht - wie geschehen - nach
  257. der sogenannten Anrechnungsmethode in Abzug bringen; es hätte die Rente
  258. insoweit vielmehr nach der sogenannten Additions- oder Differenzmethode bereits in die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) einbeziehen müssen.
  259. Die Rente war insoweit allerdings nicht für den gesamten Abänderungszeitraum nach der sogenannten Additions- oder Differenzmethode zur berücksichtigen. Die für die Anwendung dieser Methoden auf Fälle der vorliegenden
  260. Art maßgebenden Grundsätze hat der Senat erstmals in seinem Urteil vom
  261. 13. Juni 2001 (BGHZ 148, 105) entwickelt. In diesem Urteil hat der Senat seine
  262. bisherige Rechtsprechung zur Unterhaltsbedarfsbemessung geändert und ausgeführt, daß die Familienarbeit des haushaltführenden Ehegatten der Erwerbstätigkeit des verdienenden Ehegatten grundsätzlich gleichwertig sei und deshalb die ehelichen Lebensverhältnisse ebenso mitpräge wie dessen Bareinkommen. Ein Erwerbseinkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach
  263. der Ehe erziele, stelle sich als Surrogat seiner bisherigen Familienarbeit dar. Es
  264. müsse deshalb bei der Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse mitberücksichtigt werden; der Unterhalt dürfe deshalb nicht mehr nach der sogenannten Anrechnungsmethode, er müsse vielmehr nach der Additions- bzw.
  265. Differenzmethode ermittelt werden (Senatsurteil BGHZ aaO 120). Für die hier in
  266. Frage stehende Rente gilt nichts anderes; denn sie stellt sich - wie gezeigt - als
  267. ein Surrogat für die frühere Erwerbstätigkeit dar, die ihrerseits in der Form der
  268. Familienarbeit fortgeführt worden ist (Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 aaO).
  269. Die dargestellte Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht auf einer abweichenden Sicht des § 1578 BGB sowie des bisherigen Ver-
  270. - 15 -
  271. ständnisses der "eheprägenden Verhältnisse" und führt zu einer neuen
  272. Rechtslage. Diese geänderte Rechtslage erfaßt zwar auch zurückliegende Zeiträume, vermag, wie der Senat wiederholt entschieden hat (Senatsurteile BGHZ
  273. 148, 368, 379 ff. und vom 22. Januar 2003 - XII ZR 186/01 - zur Veröffentlichung bestimmt), aber eine Abänderung von Prozeßvergleichen erst ab Verkündung des maßgebenden Senatsurteils vom 13. Juni 2001 (aaO) zu rechtfertigen. Für die Abänderung eines Unterhaltsurteils, wie sie hier im Streit steht,
  274. kann schon aus Gründen der Rechtssicherheit nichts anderes gelten.
  275. bb) Für die Zeit vor dem 13. Juni 2001 bewendet es dementsprechend
  276. bei der früheren Rechtslage. Insoweit ist die vom Oberlandesgericht vorgenommene Anrechnung des von der Beklagten aufgrund vorehelicher Erwerbstätigkeit erlangten Rententeils nicht zu beanstanden. Denn die von der Beklagten seit Vollendung ihres 65. Lebensjahres, also rund 19 Jahre nach der Scheidung, bezogene Rente hat die nach § 1578 BGB maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse - bei Zugrundelegung des insoweit gegebenen früheren Verständnisses dieses Begriffes - nicht mitbestimmt.
  277. Allerdings konnten auch nach der früheren Rechtspraxis Renteneinkünfte, die dem in der Ehe nicht erwerbstätigen Ehegatten erst nach der Scheidung
  278. gewährt werden, den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden Bedarf beeinflussen, wenn der in der Ehe allein erwerbstätige Ehegatte
  279. nach der Scheidung in den Ruhestand trat und seine die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmenden Einkünfte dadurch absanken, diesen Mindereinnahmen jedoch nunmehr der Rentenbezug auch des anderen Ehegatten gegenübertrat. Hätten sich bei fortbestehender Ehe die nunmehr verringerten Einkünfte
  280. des einen und der hinzutretende Rentenbezug des anderen Ehegatten einander
  281. ausgleichend gegenübergestanden, so konnte es im Scheidungsfall unbillig
  282. sein, den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden Bedarf nur
  283. - 16 -
  284. aus dem - im Vergleich zum früheren Erwerbseinkommen niedrigeren - Ruhegehalt des in der Ehe allein erwerbstätigen Ehegatten zu bemessen und die
  285. dem anderen Ehegatten nach der Scheidung gewährte und deshalb nicht eheprägende Rente bei der Bedarfsermittlung unberücksichtigt zu lassen und sie
  286. auf den ermittelten Unterhaltsbedarf dieses Ehegatten in vollem Umfang anzurechnen. Der altersbedingte Wechsel der Einkommensquellen könnte, wie der
  287. Senat in seinem Urteil vom 11. Mai 1988 (- IVb ZR 42/87 - FamRZ 1988, 817,
  288. 818 f.) ausgeführt hat, hier einseitig den in der Ehe nicht erwerbstätigen Ehegatten belasten und die Lebenserfahrung unberücksichtigt lassen, nach der
  289. Ehegatten die Fortentwicklung ihres (gemeinsamen) Lebensstandards bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit danach zu beurteilen pflegen, welche Versorgungsleistungen sie beide in Zukunft zu erwarten haben.
  290. So lagen die Dinge hier indes nicht. Soweit die Rente der Beklagten auf
  291. deren vorehelicher Erwerbstätigkeit beruht, stellten sich die daraus fließenden
  292. Bezüge bereits objektiv - im Hinblick auf schon im Ansatz nicht vergleichbare
  293. beruflichen Positionen und Einkommenserwartungen des Dr. F. und der Beklagten - nicht als ein Äquivalent für die mit dem Eintritt des Dr. F. in den Ruhestand zu erwartende Einkommensminderung dar; es erscheint vielmehr naheliegend, daß weder Dr. F. noch die Beklagte diesen Bezügen für ihre Altersversorgung eine Bedeutung beigemessen hatten, die bei einer an den ehelichen
  294. Lebensverhältnissen orientierten Bestimmung des Lebensbedarfs unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht außer Betracht gelassen werden könnte. Wenn das
  295. Oberlandesgericht zudem auf den erheblichen zeitlichen Abstand zwischen der
  296. Scheidung und dem Rentenbeginn hinweist, der dafür spreche, die auf vorehelicher Erwerbstätigkeit der Beklagten beruhenden Rentenbezüge der Beklagten
  297. bei der Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse und der Bestimmung des
  298. aus ihnen abgeleiteten Bedarfs unberücksichtigt zu lassen, so ist auch dieser
  299. Gesichtspunkt - in Ansehung der früheren und für die Zeit vor dem 13. Juni
  300. - 17 -
  301. 2001 weiterhin maßgebenden Grundsätze der Unterhaltsbedarfsbemessung nicht rechtsfehlerhaft.
  302. b) Soweit die Rente der Beklagten auf Beiträgen beruht, welche die Beklagte mit Mitteln des ihr von Dr. F. gezahlten Vorsorgeunterhalts erworben hat,
  303. hat das Oberlandesgericht diese Renteneinkünfte dagegen zu Recht nach der
  304. Anrechnungsmethode in Abzug gebracht. Die mit dem Senatsurteil vom
  305. 13. Juni 2001 (aaO) begründete abweichende Sicht des § 1578 BGB und des
  306. bisherigen Verständnisses der "eheprägenden Verhältnisse" hat hieran nichts
  307. geändert.
  308. Insoweit ist die von der Beklagten bezogene Rente eine Folge der
  309. Scheidung, welche die ehelichen Lebensverhältnisse schon deshalb nicht geprägt hat (Senatsurteil vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 20/86 - FamRZ 1987,
  310. 459, 460) und - auch nach der Lebensplanung der Ehegatten - nicht als ein
  311. Äquivalent angesehen werden kann, das der mit dem Eintritt des Dr. F. in den
  312. Ruhestand einhergehenden Einkommensminderung ausgleichend gegenübersteht. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von Sachverhalten, wie
  313. sie den Senatsentscheidungen vom 31. Oktober 2001 (aaO) und vom 11. Mai
  314. 1988 (aaO) zugrunde lagen: Zwar beruhte der nach der Trennung bzw. Scheidung beginnende Rentenbezug der in der Ehe nicht erwerbstätigen Ehefrau
  315. dort teilweise auf dem Versorgungsausgleich und damit ebenfalls auf einer
  316. Scheidungsfolge. Die von der Ehefrau aufgrund des Versorgungsausgleichs
  317. erworbenen Anrechte stellten sich aber nur als ein Äquivalent für die ursprünglich vom Ehemann erworbenen und auf die Ehefrau übertragenen Rentenanrechte dar. Bei fortbestehender Ehe hätte der Ehemann ungekürzte Versorgungsbezüge erhalten, die beiden Ehegatten zugute gekommen wären. Die
  318. über den Versorgungsausgleich bewirkte Kürzung der Versorgungsbezüge des
  319. Ehemannes wurde durch die von der Ehefrau erlangten Rentenanrechte aus-
  320. - 18 -
  321. geglichen. Dieser Äquivalenz der beiderseitigen Renten mußte folglich auch bei
  322. der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen Rechnung getragen werden, sollte der Ehefrau über das Unterhaltsrecht
  323. nicht teilweise wieder genommen werden, was ihr über den Versorgungsausgleich zuvor gewährt worden war. In seiner Entscheidung vom 31. Oktober
  324. 2001 (aaO) konnte der Senat deshalb die von der Ehefrau im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechte unproblematisch als Surrogat für ihre Haushaltsführung in der Ehe ansehen; die daraus bezogene Rente der Ehefrau trete an
  325. die Stelle ihres sonst möglichen Erwerbseinkommens und sei daher bei der Bedarfsbemessung nach dem Maßstab des § 1578 BGB mit zu berücksichtigen.
  326. Damit nicht vergleichbar ist die Situation, wenn - wie im hier zu entscheidenden
  327. Fall - vom einen Ehegatten Rentenanrechte mit Mitteln des vom anderen Ehegatten geleisteten Vorsorgeunterhalts erworben sind. In einem solchen Fall
  328. würde der andere Ehegatte doppelt belastet, wenn er mit seinen Unterhaltsleistungen nicht nur die Altersversorgung seines geschiedenen Ehegatten aufoder auszubauen hätte, sondern auch noch einen aufgrund der so erworbenen
  329. Versorgung erhöhten Elementarunterhaltsbedarf befriedigen müßte. Das kann,
  330. wie auch der vorliegende Fall zeigt, nicht rechtens sein: Die Rentenbezüge der
  331. Beklagten stehen weder mit dem Eintritt des Dr. F. in den Ruhestand noch mit
  332. der Höhe seiner Versorgungsbezüge in einem Zusammenhang. Die ihnen
  333. zugrundeliegenden Rentenanrechte beruhen auch nicht auf einer Teilung des in
  334. gemeinsamer Lebensleistung erworbenen Versorgungsvermögens mit der Folge, daß sich die Anrechte der Ehefrau als ein Surrogat für ihre Haushaltsführung in der Ehe begreifen lassen. Die Rente der Beklagten erhöht daher ihren
  335. eheangemessenen Unterhaltsbedarf nach § 1578 BGB nicht; sie ist vielmehr
  336. nach der Anrechnungsmethode als bedarfsmindernd in Abzug zu bringen.
  337. 3. Das Oberlandesgericht hat den Unterhaltsanspruch der Beklagten
  338. unter Hinweis auf § 1579 Nr. 3 BGB für die Zeit ab 1. November 1996 um
  339. - 19 -
  340. 671 DM monatlich herabgesetzt. In dem Prozeßvergleich vom 25. Mai 1982
  341. habe sich die Beklagte verpflichtet, die ihr von Dr. F. zu zahlenden 40.000 DM
  342. zum Aufbau ihrer Altersversorgung zu verwenden. Wäre sie dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte sie - etwa durch Abschluß einer Rentenlebensversicherung - eine Geldrente in Höhe dieses Monatsbetrags erlangen können.
  343. Dies habe sie mutwillig unterlassen. Eine ihr Verhalten rechtfertigende Notsituation habe nicht vorgelegen. Die von der Beklagten für ihren Wohnungswechsel (1979) geltend gemachten Aufwendungen hätte die Beklagte mit den weiteren Mitteln bestreiten können, die sie von Dr. F. als Guthaben aus der im Vergleich vom 25. Mai 1982 zusätzlich vereinbarten Vermögensauseinandersetzung erhalten habe. Sonstige von ihr angeführte Aufwendungen hätte sie aus
  344. dem ihr von Dr. F. gezahlten Elementarunterhalt bezahlen müssen und
  345. - angesichts der Höhe dieses Unterhalts - auch können.
  346. Auch diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.
  347. a) Die Revision rügt, das Oberlandesgericht habe die Voraussetzungen
  348. des § 1579 Nr. 3 BGB nicht festgestellt. Damit kann sie allerdings nicht durchdringen.
  349. Die Vorschrift des § 1579 Nr. 3 BGB, die in ihrem Geltungsbereich den
  350. Rückgriff auf allgemeine Grundsätze ausschließt, sieht eine Sanktion für den
  351. Fall vor, daß die gegenwärtige Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten ganz
  352. oder teilweise durch ein eigenes Verhalten in der Vergangenheit herbeigeführt
  353. worden ist. Sie hat auf der anderen Seite Schutzwirkung insoweit, als das frühere Verhalten des Unterhaltsberechtigten nur dann Auswirkungen auf seinen
  354. Unterhaltsanspruch haben kann, wenn ihm Mutwilligkeit vorgeworfen werden
  355. kann (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1987 - IVb ZR 32/86 - FamRZ 1987, 684,
  356. 685). Diese Voraussetzung hat das Oberlandesgericht bejaht. Zwar wird, wie
  357. - 20 -
  358. der Revision zuzugeben ist, der Begriff der Mutwilligkeit im Berufungsurteil nicht
  359. näher definiert. Die ausführliche Würdigung des Sachverhalts durch das Oberlandesgericht läßt jedoch keinen Zweifel, daß das Gericht diesen von der
  360. Rechtsprechung bereits eingehend ausgeformten Rechtsbegriff (vgl. dazu etwa
  361. Senatsurteile vom 25. März 1987 aaO und vom 12. April 2000 - XII ZR 79/98 FamRZ 2000, 815, 817) richtig erfaßt und in tatrichterlicher Verantwortung zutreffend angewandt hat. Die vom Oberlandesgericht angeführten Umstände
  362. drängen insbesondere den Schluß auf, daß die Beklagte, wenn sie - unbeschadet der beträchtlichen Höhe des ihr zuerkannten Elementarunterhalts und in
  363. Kenntnis ihrer Altersversorgungssituation als Hausfrau - den ihr von Dr. F.
  364. überlassenen Ausgleichsbetrag abredewidrig nicht zum Aufbau ihrer Altersversorgung verwandte, sich in Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegenüber
  365. Dr. F. über die erkannte Möglichkeit der nachteiligen Folgen für ihre Bedürftigkeit hinweggesetzt und - zumindest - mit unterhaltsbezogener Leichtfertigkeit
  366. gehandelt hat. Einer ausdrücklichen Feststellung bedurfte es deshalb hierzu im
  367. Berufungsurteil nicht.
  368. b) Letztlich kann diese Frage freilich dahinstehen. Denn die Beklagte hat
  369. sich in dem mit Dr. F. geschlossenen Prozeßvergleich einverstanden erklärt,
  370. sich "bei Eintritt des Versorgungsfalles ... so behandeln" zu lassen, "als ob der
  371. öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt worden sei". Damit haben Dr. F. und die Beklagte eine Regelung auch für den Fall getroffen, daß die
  372. Beklagte die ihr von Dr. F. gezahlte Ausgleichsleistung abredewidrig nicht zum
  373. Aufbau ihrer eigenen Altersversorgung verwendet. Diese - vom Oberlandesgericht fehlerhaft nicht berücksichtigte - vertragliche Regelung schließt einen
  374. Rückgriff auf § 1579 Nr. 3 BGB aus. Sie führt insoweit in zweifacher Hinsicht zu
  375. einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Unterhaltsbemessung:
  376. - 21 -
  377. aa) Nach dem zur Zeit des Vergleichsschlusses (1982) maßgebenden
  378. Recht wäre Dr. F. bei Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs verpflichtet worden, für die Beklagte Beiträge zur Begründung von
  379. Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bezahlen
  380. (§ 1587 b Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BGB a.F.). Die Beklagte ist, wie der Zusammenhang der zitierten Abrede mit der von Dr. F. übernommenen Verpflichtung,
  381. zum Ausgleich seiner Betriebsrente an die Beklagte 40.000 DM zu zahlen, ergibt, deshalb so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie die ihr überlassenen
  382. 40.000 DM als Beitrag zur Begründung von Rentenanwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt hätte. Der Umstand, daß das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 27. Januar 1983 (FamRZ 1983, 342) die
  383. Regelung des § 1587 b Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BGB für nichtig erklärt hat, ändert an der Wirksamkeit der von den Parteien getroffenen Abrede nichts. Er
  384. berechtigt insbesondere nicht dazu, bei der Unterhaltsbemessung von den Vorgaben in dem Prozeßvergleich abzuweichen und - wie im angefochtenen Urteil
  385. geschehen - darauf abzustellen, wie die Beklagte sich versorgungsrechtlich
  386. stünde, wenn sie die ihr von Dr. F. geleistete Ausgleichszahlung zum Aufbau
  387. einer Lebensversicherung verwandt hätte.
  388. bb) Außerdem durfte das Oberlandesgericht die Renteneinkünfte, welche
  389. die Beklagte aufgrund der ihr von Dr. F. erbrachten Zahlung hätte erlangen
  390. können, nicht nach der sog. Anrechnungsmethode in Abzug bringen. Diese (fiktiven) Einkünfte waren vielmehr unterhaltsrechtlich in derselben Weise wie eine
  391. Rente zu berücksichtigen, welche die Beklagte aus im öffentlich-rechtlichen
  392. Versorgungsausgleich erworbenen Anrechten erlangt hätte. Eine solche Rente
  393. wäre, wie unter 2. a) aa) ausgeführt, als Surrogat der von der Beklagten erbrachten Familienarbeit anzusehen. Sie hätte - wie auch der Wert dieser Familienarbeit selbst - die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt und deshalb nach
  394. der Additions- bzw. Differenzmethode bereits in die Bedarfsbemessung am
  395. - 22 -
  396. Maßstab des § 1578 BGB Eingang finden müssen. Zwar steht in den Fällen des
  397. Versorgungsausgleichs durch Beitragszahlung der Rente des ausgleichsberechtigten Ehegatten keine Rentenkürzung beim ausgleichspflichtigen Ehegatten gegenüber. Das ist jedoch auch nicht erforderlich. Auch ein durch Beitragszahlung erfolgter Versorgungsausgleich bewirkt im Grundsatz, daß sich die
  398. ehelichen Lebensverhältnisse - bei Einbeziehung der im Versorgungsausgleich
  399. erworbenen Rente - im Ergebnis nicht ändern. Zwar wird hier die Rente des
  400. Berechtigten mit Mitteln aus dem Vermögen des Verpflichteten erworben. Aufgrund der Beitragszahlung verringern sich jedoch die Erträgnisse aus dem solchermaßen (um die Beitragszahlung) geschmälerten Vermögen und führen zu
  401. einer Absenkung der ehelichen Lebensverhältnisse, die jedoch - bei Anwendung der Additions- oder Differenzmethode - um die mit der Beitragszahlung
  402. erworbene Rente wieder angehoben werden. Anders als im Falle des mit Mitteln des Vorsorgeunterhalts bewirkten Rentenerwerbs wird der unterhaltspflichtige Ehegatte beim Rentenerwerb kraft Versorgungsausgleichs auch nicht mit
  403. einer doppelten Unterhaltspflicht belastet: Die Pflicht zur Beitragszahlung ist
  404. nicht, wie der Vorsorgeunterhalt, Ausfluß nachehelicher Verantwortung; sie
  405. verwirklicht vielmehr den Anspruch des berechtigten Ehegatten auf hälftige
  406. Teilhabe am ehezeitlich gemeinsam erwirtschafteten Versorgungsvermögen.
  407. Der pflichtige Ehegatte "finanziert" mit anderen Worten nicht den Rentenerwerb
  408. seines Ehegatten, und zwar mit zusätzlichen und für ihn nachteiligen Unterhaltsfolgen; er überläßt seinem Ehegatten nur, was dieser durch seine Familienarbeit in der Ehe miterworben hat und was ihm folglich nach dem Halbteilungsgrundsatz ohnehin gebührt.
  409. Die Rente, welche die Beklagte aus dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich erlangt hätte, ist dabei nicht erst für die Zeit nach der Verkündung des Senatsurteils vom 13. Juni 2001 (aaO) in Anwendung der Additionsoder Differenzmethode zu berücksichtigen. Auch nach der früheren Rechtspra-
  410. - 23 -
  411. xis konnten, wie unter 2. a) bb) ausgeführt, Renteneinkünfte, die dem in der
  412. Ehe nicht erwerbstätigen Ehegatten erst nach der Scheidung gewährt werden,
  413. den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden Bedarf beeinflussen, wenn der in der Ehe allein erwerbstätige Ehegatte nach der Scheidung
  414. in den Ruhestand trat und seine die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmenden Einkünfte dadurch absanken, diesen Mindereinnahmen jedoch nunmehr
  415. der Rentenbezug auch des anderen Ehegatten gegenübertrat. Die Grundsätze,
  416. nach denen es in einem solchen Fall unbillig erscheinen konnte, den altersbedingten Wechsel der Einkommensquellen bedarfsmindernd zu berücksichtigen,
  417. hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 11. Mai 1988 (aaO) dargelegt. Auf
  418. den vorliegenden Fall angewandt verlangen diese Grundsätze, eine von der
  419. Beklagten im Wege des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs erworbene Rente bereits bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs am Maßstab des
  420. § 1578 BGB zu berücksichtigen. Dem ist bei der Anwendung der von Dr. F. und
  421. der Beklagten getroffenen Abrede auch insoweit Rechnung zu tragen, als ein
  422. (fiktiver) Rentenbezug der Beklagten in der Zeit vor dem 13. Juni 2001 in Frage
  423. steht.
  424. 4. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts haftet die Klägerin als Alleinerbin des Dr. F. für die Unterhaltsforderung der Beklagten gemäß § 1586 b
  425. BGB. Der in § 1586 b Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Wegfall von Beschränkungen, die sich nach § 1581 BGB aus der mangelnden Leistungsfähigkeit des
  426. Unterhaltsschuldners ergeben könnten, führe nicht zu einer Anhebung des der
  427. Beklagten zuzuerkennenden Unterhalts; denn es stehe nicht die Leistungsfähigkeit des Dr. F., sondern die Unterhaltsbemessung nach § 1578 BGB in Frage. Die Haftung der Klägerin für die Unterhaltsschuld des Dr. F. beschränke
  428. sich auf die Höhe des (kleinen, vgl. § 1586 b Abs. 2 BGB) Pflichtteils, der der
  429. Beklagten zustünde, wenn ihre Ehe mit Dr. F. nicht geschieden worden wäre.
  430. Da Dr. F. weder Abkömmlinge noch Eltern hinterlassen habe, aber Abkömmlin-
  431. - 24 -
  432. ge seines Vaters aus dessen erster Ehe - mithin Verwandte zweiter Ordnung lebten, hätte der Beklagten bei Fortbestand ihrer Ehe mit Dr. F. ein gesetzlicher
  433. Erbteil von 1/2 zugestanden. Von seinen Verwandten wäre Dr. F. nach Vaterund Mutterlinie getrennt beerbt worden. Dabei wäre auf die Abkömmlinge des
  434. Vaters 1/4 entfallen; das verbleibende Viertel wäre - in Ermangelung von Abkömmlingen der Mutter - der Beklagten angefallen. Deren gesetzlicher Erbteil
  435. hätte mithin 3/4 betragen; ihr Pflichtteilsanspruch hätte dementsprechend 3/8
  436. des Nachlaßwertes ausgemacht. Das Oberlandesgericht hat demgemäß die
  437. Haftung der Beklagten auf 3/8 des Nachlaßwertes beschränkt. Dem Vortrag der
  438. Beklagten, Dr. F. habe zugunsten des Sohnes der Klägerin eine Schenkung
  439. vorgenommen, aus der ihr im Falle des Fortbestandes ihrer Ehe mit Dr. F. ein
  440. Anspruch auf Pflichtteilsergänzung erwachsen wäre, hat das Oberlandesgericht
  441. dabei keine Bedeutung beigemessen.
  442. Dies ist nicht in allen Punkten frei von Rechtsirrtum.
  443. a) Nicht zu beanstanden und von der Revision auch nicht angegriffen ist
  444. die Annahme des Oberlandesgerichts, daß sich der von der Beklagten zu beanspruchende Unterhalt durch den Tod des Dr. F. nicht erhöht hat. Zwar entfallen nach § 1586 b Abs. 1 Satz 2 BGB Beschränkungen der Unterhaltspflicht,
  445. die sich aus § 1581 BGB ergeben. Solche Beschränkungen lagen hier jedoch
  446. nicht vor. § 1581 BGB regelt nur die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, nicht aber die Höhe des Unterhaltsbedarfs, die in § 1578 BGB geregelt ist
  447. (h.M., vgl. Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl., § 1586 b Rdn. 4;
  448. Wendl/Staudigl/Pauling Unterhaltsrecht 5. Aufl., § 4 Rdn. 60; Schwab/Borth,
  449. Handbuch des Scheidungsrechts 3. Aufl. V Rdn. 1233). Nur um die Bemessung
  450. des Unterhaltsbedarfs nach § 1578 BGB geht es im vorliegenden Fall.
  451. - 25 -
  452. b) Fehlerhaft ist indes, daß das Oberlandesgericht den im Tatbestand
  453. des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Vortrag der Beklagten, Dr. F. habe
  454. zugunsten des Sohnes der Klägerin eine Schenkung vorgenommen, aus der ihr
  455. im Falle des Fortbestandes ihrer Ehe mit Dr. F. ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung erwachsen wäre, nicht nachgegangen ist. Soweit dieser Vortrag zutrifft
  456. und die Schenkung des Dr. F. einen (fiktiven) Pflichtteilsergänzungsanspruch
  457. der Beklagten begründen würde, ist, wie der Senat in seinem nach Erlaß der
  458. angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 29. November 2000
  459. (BGHZ 146, 114, 118 ff.) dargelegt hat, dieser Anspruch bei der Berechnung
  460. der Haftungsgrenze nach § 1586 b Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.
  461. c) Dieser Fehler wirkt sich im Ergebnis allerdings nur dann zu Lasten der
  462. Beklagten und Revisionsklägerin aus, wenn der von der Beklagten geltend gemachte Pflichtteilsergänzungsanspruch 1/8 des Nachlaßwertes übersteigt.
  463. Denn um dieses Achtel hat das Oberlandesgericht - insoweit zum Vorteil der
  464. Beklagten und Revisionsklägerin - den Pflichtteil, den die Beklagte bei Fortbestand ihrer Ehe beanspruchen könnte, zu hoch bemessen. Der einem Ehegatten zustehende gesetzliche Erbteil bestimmt sich nach § 1931 BGB. Er beträgt,
  465. wenn der Ehegatte neben Verwandten der zweiten Ordnung zum gesetzlichen
  466. Miterben berufen ist, 1/2 (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB). An dieser Quote ändert
  467. sich auch dann nichts, wenn die Eltern des Erblassers vorverstorben sind und
  468. Abkömmlinge ausschließlich vom Vater oder ausschließlich von der Mutter des
  469. Erblassers abstammen. In diesem Falle kommt - entgegen der Auffassung des
  470. Oberlandesgerichts - ein Erbrecht nach Linien nicht in Betracht, da die zu Erben
  471. berufenen Verwandten sämtlich derselben Linie entstammen und ein Anfall des
  472. "an sich" der ausgestorbenen Linie gebührenden Erbteils an den Ehegatten,
  473. wie er für die Fälle des § 1931 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB vorgesehen ist, im
  474. Gesetz keine Grundlage findet.
  475. - 26 -
  476. 5. Das Oberlandesgericht hat die Feststellungswiderklage der Beklagten
  477. als unzulässig abgewiesen, weil sie lediglich die Berechnungsgrundlage für die
  478. Haftungssumme beträfen. Das ist nicht zu beanstanden und wird auch von der
  479. Revision hingenommen.
  480. 6. Das angefochtene Urteil kann nach allem keinen Bestand haben. Der
  481. Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da die tatrichterlichen Feststellungen hierfür nicht ausreichen. Die Sache war daher an das
  482. Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die gebotenen Feststellungen
  483. nachholt.
  484. Hahne
  485. Sprick
  486. Wagenitz
  487. Weber-Monecke
  488. Ahlt