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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 174/14
  5. Verkündet am:
  6. 7. September 2016
  7. Schick
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. ECLI:DE:BGH:2016:070916UIVZR174.14.0
  13. -2-
  14. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitze nde
  15. Richterin
  16. Mayen,
  17. die
  18. Richterin
  19. Harsdorf-Gebhardt,
  20. die
  21. Richter
  22. Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum
  23. 15. August 2016
  24. für Recht erkannt:
  25. Auf die Revision der Klägerseite wird das Teilurteil des
  26. 20. Zivilsenats
  27. des
  28. Oberlandesgerichts
  29. Köln
  30. vom
  31. 11. April 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  32. Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  33. Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf
  34. 5.635,91 € festgesetzt.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. 1
  38. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) b egehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rüc kzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen L ebensversicherung.
  39. 2
  40. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit der Rechtsvorgängerin des Versicherers mit Versicherungsbeginn zum 1. August 2000
  41. -3-
  42. nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit
  43. gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. D. VN
  44. erhielt mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen und
  45. eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Mit Schreiben vom 14. September 2011 erklärte er den
  46. Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. Mit Schreiben vom 28. September
  47. 2011 wiederholte er den Widerspruch und erklärte hilfsweise die Künd igung des Vertrages. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und
  48. zahlte den Rückkaufswert aus.
  49. 3
  50. Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren
  51. von Interesse - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge
  52. nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
  53. 4
  54. Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam
  55. zustande gekommen, weil er zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt
  56. worden sei und zum anderen § 5a VVG a.F. mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
  57. 5
  58. Der Versicherer hat die Einrede der Verjährung erhoben.
  59. 6
  60. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht
  61. die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ve rfolgt d. VN das Klagebegehren hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs
  62. weiter.
  63. Entscheidungsgründe:
  64. 7
  65. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Z urückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  66. -4-
  67. 8
  68. I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe d. VN zwar
  69. nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über das Widerspruch srecht belehrt. Die Belehrung sei nur teilweise fettgedruckt ausgestaltet.
  70. Gerade dieser Umstand könne d. VN dazu verleiten anzunehmen, dass
  71. nur das Fettgedruckte wichtig sei, und den nicht fettgedruckten Text
  72. nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen. Bedenken bestünden auch hinsichtlich der Belehrung zum Fristbeginn. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a
  73. Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rüc kwirkend endgültig wirksam geworden.
  74. 9
  75. II. Die Revision ist begründet.
  76. 10
  77. 1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1
  78. Alt. 1 BGB kann d. VN nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen
  79. Begründung versagt werden.
  80. 11
  81. a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag
  82. schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolg e des
  83. Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Wide rspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.
  84. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
  85. 12
  86. aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Festste llungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung genügt
  87. die maßgebliche Belehrung in den "Allgemeinen Informationen" auf der
  88. sechsten Seite des Versicherungsscheins nicht den formellen Anforde-
  89. -5-
  90. rungen an eine ordnungsgemäße Belehrung, weil nur die Überschrift
  91. "Widerspruchsrecht" und der erste Satz der Belehrung durch Fettdruck
  92. hervorgehoben sind. Auch die folgenden Sätze 2 bis 4, die nicht durch
  93. Fettdruck drucktechnisch deutlich gestaltet sind, enthalten aber notwendige Informationen über die Widerspruchsfrist und dazu, dass die rech tzeitige Absendung des Widerspruchs genügt. Da diese Hinweise nicht in
  94. Fettdruck gehalten sind, besteht im besonderen Maße die Gefahr, dass
  95. sie überlesen werden, weil d. VN sein Augenmerk nur auf das Fettgedruckte richtet.
  96. 13
  97. Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsmäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch
  98. im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
  99. 14
  100. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2
  101. Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des G erichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR
  102. 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11,
  103. BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die
  104. Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert
  105. werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten
  106. Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon e rfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen
  107. zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht,
  108. wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum W iderspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder
  109. die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
  110. -6-
  111. 15
  112. bb) Die hilfsweise Kündigung des Versicherungsvertrages steht
  113. dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO
  114. Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits
  115. vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl.
  116. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
  117. 16
  118. b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarecht swidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung
  119. ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen
  120. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
  121. 17
  122. 2. Ein Rückgewähranspruch war bei Erhebung der Klage im Okt ober 2012 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche
  123. regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2011 beginnen, da d. VN
  124. erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Wide rspruch gemäß § 5a VVG a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch
  125. entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199
  126. Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. VN Kenntnis
  127. von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des
  128. Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom
  129. 8. April 2015 - IV ZR 103/15, WM 2015, 865 Rn. 19 ff.).
  130. 18
  131. 3. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812
  132. Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien.
  133. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwic klung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Vers icherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes
  134. kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden;
  135. -7-
  136. bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
  137. 19
  138. Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen
  139. Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu
  140. geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei
  141. auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14,
  142. VersR 2015, 1101 Rn. 35 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 34 ff.)
  143. sowie vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 31 ff.)
  144. zu beachten haben.
  145. Mayen
  146. Harsdorf-Gebhardt
  147. Lehmann
  148. Dr. Karczewski
  149. Dr. Brockmöller
  150. Vorinstanzen:
  151. LG Köln, Entscheidung vom 27.03.2013 - 26 O 374/12 OLG Köln, Entscheidung vom 11.04.2014 - 20 U 70/13 -