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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 52/06
  5. Verkündet am:
  6. 18. Oktober 2006
  7. Kirchgeßner,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Bb, 535 Abs. 1 Satz 2
  18. Eine Formularklausel in einem Mietvertrag, die den Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses zur Zahlung eines allein vom Zeitablauf abhängigen Anteils an den
  19. Kosten für noch nicht fällige Schönheitsreparaturen nach feststehenden Prozentsätzen auch dann verpflichtet, wenn ein diesem Kostenanteil entsprechender Renovierungsbedarf aufgrund des tatsächlichen Erscheinungsbilds der Wohnung noch nicht
  20. gegeben ist (Abgeltungsklausel mit "starrer" Abgeltungsquote), ist gemäß § 307
  21. Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
  22. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - VIII ZR 52/06 - LG Mannheim
  23. AG Mannheim
  24. -2-
  25. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 18. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
  27. Dr. Wolst, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter
  28. Dr. Koch
  29. für Recht erkannt:
  30. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer
  31. des Landgerichts Mannheim vom 8. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  32. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Der Kläger mietete mit Vertrag vom 13. November 2001 von der "Baugemeinschaft
  37. S.
  38. [der Beklagten] und
  39. Einzug renovierte Wohnung in M.
  40. R.
  41. " eine bei seinem
  42. . Das Mietverhältnis begann am
  43. 15. November 2001 und endete am 19. November 2003.
  44. 2
  45. § 10 des Formularmietvertrags enthält folgende Klauseln:
  46. "1. Die Miete ist so kalkuliert, dass in ihr die Kosten für die nachfolgend geregelten Instandsetzungen und Instandhaltungen
  47. nicht enthalten sind.
  48. 2. Die während der gesamten Vertragsdauer nach Maßgabe des
  49. unter Ziff. 3 vereinbarten Fristenplanes fällig werdenden
  50. Schönheitsreparaturen trägt der Mieter auf eigene Kosten. …
  51. -3-
  52. 3. Der Mieter verpflichtet sich, die Schönheitsreparaturen im Allgemeinen innerhalb folgender Fristen auszuführen:
  53. a) Küche, Wohnküche, Kochküche,
  54. Bad, Dusche, WC
  55. alle 3 Jahre
  56. b) Wohnzimmer, Schlafzimmer, Dielen,
  57. Korridore und alle sonstigen Räume
  58. alle 5 Jahre
  59. c) Nebenräume (z.B. Speisekammer,
  60. Besenkammer) und alle Ölfarbanstriche
  61. alle 7 Jahre.
  62. 4. …
  63. 5. Hat der Mieter trotz Fristsetzung und Ablehnungsandrohung
  64. die Räume zu Ziff. 3 a mindestens drei Jahre, die Räume zu
  65. Ziff. 3 b mindestens fünf Jahre, die Räume oder Einrichtungen
  66. zu Ziff. 3 c mindestens sieben Jahre benutzt, ohne diese Räume in der genannten Zeit renoviert zu haben, so hat er
  67. spätestens bei Beendigung des Mietverhältnisses die Renovierung fachmännisch nachzuholen. …
  68. 6. Zieht der Mieter vor Ablauf der für die Schönheitsreparaturen
  69. vorgesehenen Fristen aus, so muss er seiner Verpflichtung
  70. zur Durchführung von Schönheitsreparaturen durch Zahlung
  71. des unten ausgewiesenen Prozentsatzes der Kosten der
  72. Schönheitsreparaturen nachkommen.
  73. Räume gemäß
  74. nach einer Nutzungsdauer von mehr als
  75. 6 Monaten
  76. 12 Monaten
  77. 24 Monaten
  78. 36 Monaten
  79. 48 Monaten
  80. 60 Monaten
  81. Ziff. 3a
  82. Ziff. 3b
  83. Ziff. 3c
  84. 17 %
  85. 33 %
  86. 66 %
  87. 10 %
  88. 20 %
  89. 40 %
  90. 60 %
  91. 80 %
  92. 7,14 %
  93. 14,28 %
  94. 28,50 %
  95. 42,85 %
  96. 57,00 %
  97. 71,40 %
  98. Die Nutzungsdauer beginnt mit dem Anfang des Mietverhältnisses, bzw. mit dem Zeitpunkt der letzten Renovierung durch
  99. den Mieter. …
  100. Der Mieter wird von der Verpflichtung zur Zahlung eines Prozentsatzes der Kosten der Schönheitsreparaturen frei, wenn
  101. er, was ihm unbenommen ist, dieser anteiligen Zahlungsverpflichtung dadurch zuvorkommt, dass er vor dem Ende des
  102. Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen selbst durchführt. ..."
  103. -4-
  104. 3
  105. In einem Abrechnungsschreiben vom 31. Januar 2004 verrechnete die
  106. Vermieterin das Kautionsguthaben des Klägers von 475,05 € mit Gegenforderungen wegen zeitanteiliger Renovierungskosten für Anstricharbeiten im Wohnzimmer und Flur (270,02 €) und in der Küche und im Badezimmer (205,81 €)
  107. sowie einem weiteren Anspruch in Höhe von 15,34 €. Der Kläger zahlte den
  108. geltend gemachten Nachforderungsbetrag von 13,17 €.
  109. 4
  110. Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten die Auszahlung seines
  111. Kautionsguthabens von 475,05 € und die Rückzahlung des von ihm geleisteten
  112. Nachforderungsbetrags von 13,17 € verlangt; insgesamt hat er Zahlung von
  113. 498,17 € begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 472,88 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landgericht hat die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
  114. Entscheidungsgründe:
  115. 5
  116. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
  117. I.
  118. 6
  119. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in WuM
  120. 2006, 190 veröffentlicht ist, hat zur Begründung ausgeführt:
  121. 7
  122. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte ergebe sich aus der mietvertraglichen Kautionsabrede. Der Kläger habe die Kautionsabrechnung der
  123. Beklagten nicht durch Zahlung des Nachforderungsbetrags von 13,17 € anerkannt. Zwar könne in der Bezahlung einer Rechnung ohne Einwendungen ein
  124. -5-
  125. (bestätigendes) Schuldanerkenntnis der beglichenen Forderung zu sehen sein.
  126. Erforderlich sei allerdings, dass weitere Umstände hinzuträten, aus denen sich
  127. ergebe, dass sich die Parteien über den Bestand und die Rechtmäßigkeit der
  128. Forderung einig seien. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass er aufgrund der Regelung in § 10 Ziff. 6 des Mietvertrags
  129. anteilige Renovierungskosten schulde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestünden zwar Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel. Diese
  130. Rechtsprechung sei jedoch erst nach der Zahlung des Saldos aus der Kautionsabrechnung bekannt geworden.
  131. 8
  132. Die in § 10 Ziff. 6 des Formularmietvertrags enthaltene Abgeltungsklausel sei wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters nach § 307
  133. BGB unwirksam. Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs formularvertragliche "starre" Fristenpläne zur Ausführung von Schönheitsreparaturen
  134. unwirksam seien (Senat, Urteil vom 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03, NJW 2004,
  135. 2586), müsse dasselbe für Abgeltungsklauseln mit "starrer" Berechnungsgrundlage gelten. Dem Mieter müsse auch bei einer Inanspruchnahme aus der Abgeltungsklausel der Einwand offen stehen, dass infolge einer besonders schonenden Behandlung der Mietsache längere als die vereinbarten Fristen maßgeblich sind. Dabei erfordere das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB),
  136. dass sich die Möglichkeit dieses Einwandes aus dem Wortlaut der Klausel ergebe. Diesen Anforderungen genüge die streitgegenständliche Klausel nicht.
  137. Die in § 10 Ziff. 6 des Mietvertrags festgelegten Fristen und Prozentsätze gälten
  138. nicht nur im Allgemeinen, sondern ausnahmslos.
  139. -6-
  140. II.
  141. 9
  142. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision der Beklagten zurückzuweisen ist.
  143. 10
  144. Der Kläger hat gegen die Beklagte als Gesellschafterin der Vermieterin,
  145. einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einen Anspruch auf Auszahlung seines
  146. sich aus der Abrechnung der Vermieterin vom 31. Januar 2004 ergebenden
  147. restlichen Kautionsguthabens - soweit die Klage hinsichtlich dieses Anspruchs
  148. und des Anspruchs des Klägers auf Rückzahlung des von ihm auf die Kautionsabrechnung geleisteten Nachforderungsbetrags nicht bereits im ersten
  149. Rechtszug abgewiesen worden ist - in Höhe von 472,88 €. Der Anspruch des
  150. Klägers auf Auszahlung seines verbleibenden Kautionsguthabens ist nicht
  151. durch die Aufrechnung der Vermieterin mit Gegenforderungen auf Zahlung zeitanteiliger Renovierungskosten von insgesamt 475,83 € erloschen (§§ 387 ff.
  152. BGB). Die Aufrechnung ist unwirksam, weil der Vermieterin kein Anspruch gegen den Kläger auf Zahlung der geltend gemachten Renovierungskosten für
  153. Anstricharbeiten in der Wohnung zusteht.
  154. 11
  155. 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass Einwendungen des Klägers hinsichtlich der von der Vermieterin geltend gemachten Gegenansprüche nicht aufgrund eines bestätigenden Schuldanerkenntnisses ausgeschlossen sind. Es kann dahinstehen, ob, wie die Revision meint, in der Kautionsabrechnung der Vermieterin ein Angebot auf Abschluss eines Schuldanerkenntnisvertrags zu sehen ist, das der Kläger dadurch angenommen habe,
  156. dass er die Abrechnung widerspruchslos hingenommen und den Nachforderungsbetrag von 13,17 € ohne Vorbehalt gezahlt hat. Denn ein solches
  157. - unterstelltes - Anerkenntnis würde lediglich die Einwendungen des Schuldners
  158. ausschließen, die er bei der Abgabe der Erklärung kannte oder mit denen er
  159. -7-
  160. rechnen musste (Senatsurteil vom 23. März 1983 - VIII ZR 335/81, NJW 1983,
  161. 1903 = WM 1983, 685, unter II 2 a; Urteil vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 94/05,
  162. NJW 2006, 903, unter II 1 c, jew. m.w.Nachw.). Danach ist der vom Kläger erhobene Einwand der Unwirksamkeit der in § 10 Ziff. 6 des Mietvertrags enthaltenen Formularklausel nicht ausgeschlossen. Wie das Berufungsgericht unangegriffen festgestellt hat, ist der Kläger bei der Zahlung des Nachforderungsbetrags davon ausgegangen, dass er der Vermieterin aufgrund der vorgenannten
  163. Vertragsbestimmung zeitanteilige Renovierungskosten schulde. Entgegen der
  164. Auffassung der Revision befand sich der Kläger auch nicht in einem schuldhaften und deshalb unbeachtlichen Rechtsirrtum über die Wirksamkeit der Klausel.
  165. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger
  166. den sich aus der Kautionsabrechnung ergebenden Betrag gezahlt, bevor der
  167. Bundesgerichtshof einen "starren" Fristenplan für die Ausführung von Schönheitsreparaturen in Formularmietverträgen für unwirksam erklärt hat (Senatsurteil vom 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586) und diese Entscheidung allgemeine Bekanntheit erlangt hat.
  168. 12
  169. 2. Die von der Vermieterin gegenüber dem Kautionsguthaben des Klägers aufgerechnete Gegenforderung auf Zahlung zeitanteiliger Renovierungskosten besteht nicht. Ein Anspruch der Vermieterin auf Schadensersatz statt
  170. der Leistung wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen gemäß §§ 280
  171. Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 10 Ziff. 3 des Mietvertrags kommt - wovon auch die Revision ausgeht - von vornherein nicht in Betracht, weil die Verpflichtung des Mieters zur Ausführung von Schönheitsreparaturen bei Beendigung des Mietverhältnisses im November 2003 nach dem in
  172. § 10 Ziff. 3 enthaltenen Fristenplan noch nicht fällig war und die Beklagte auch
  173. einen vorzeitigen Renovierungsbedarf nicht geltend gemacht hat. Das Zahlungsverlangen der Vermieterin kann seine Grundlage daher nur in der in § 10
  174. Ziff. 6 des Formularmietvertrags enthaltenen sogenannten Abgeltungsklausel
  175. -8-
  176. haben. Diese Formularklausel ist jedoch nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1
  177. BGB unwirksam.
  178. 13
  179. a) Zutreffend und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht die in § 10 Ziff. 6 des Mietvertrags enthaltene Formularklausel als Abgeltungsregelung mit "starrer" Berechnungsgrundlage angesehen.
  180. 14
  181. Der Senat kann die Auslegung der Formularklausel durch das Berufungsgericht uneingeschränkt überprüfen (vgl. BGHZ 98, 256, 258; 134, 42, 45),
  182. weil Abgeltungsklauseln in dieser oder inhaltlich vergleichbarer Fassung auch
  183. über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet werden.
  184. 15
  185. Gemäß § 10 Ziff. 6 des Mietvertrags muss der Mieter, wenn er vor Ablauf
  186. der für die Schönheitsreparaturen vorgesehenen Fristen auszieht, seiner Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen durch Zahlung des
  187. nachstehend ausgewiesenen Prozentsatzes der Kosten der Schönheitsreparaturen nachkommen. Die anschließend angegebenen Prozentsätze, die nach der
  188. Nutzungsart der Räume gestaffelt sind, erhöhen sich in Abhängigkeit von der
  189. mietvertraglichen Nutzungsdauer. Aus der Sicht eines verständigen Mieters hat
  190. diese Regelung die Bedeutung, dass der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses zur Zahlung eines allein vom Zeitablauf abhängigen Anteils an den
  191. Kosten für noch nicht fällige Schönheitsreparaturen nach feststehenden Prozentsätzen auch dann verpflichtet ist, wenn ein entsprechender Renovierungsbedarf aufgrund des tatsächlichen Erscheinungsbilds der Wohnung noch nicht
  192. gegeben ist.
  193. 16
  194. b) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine solche "starre" Abgeltungsregelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil
  195. sie den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
  196. benachteiligt.
  197. -9-
  198. 17
  199. aa) Die Klausel in § 10 Ziff. 6 des Mietvertrags ist allerdings nicht bereits
  200. deshalb unwirksam, weil die ihr zugrunde liegende, in § 10 Ziff. 3 des Formularvertrags geregelte Schönheitsreparaturverpflichtung des Mieters einen "starren"
  201. Fristenplan enthielte und diese Klausel daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1,
  202. Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam wäre (vgl. Senat, Urteil vom 5. April 2006 - VIII ZR
  203. 178/05, NJW 2006, 1728, unter II 2 b). Denn § 10 Ziff. 3 des Mietvertrags, wonach sich der Mieter verpflichtet, die Schönheitsreparaturen "im Allgemeinen"
  204. innerhalb der nach der Nutzungsart der Räume gestaffelten Fristen von drei,
  205. fünf beziehungsweise sieben Jahren auszuführen, enthält einen - zulässigen flexiblen Fristenplan, der die Berücksichtigung des tatsächlichen Zustands der
  206. Wohnung ermöglicht (vgl. Senat, Urteil vom 28. April 2004 - VIII ZR 230/03,
  207. NJW 2004, 2087, unter III d; Urteil vom 13. Juli 2005 - VIII ZR 351/04, NJW
  208. 2005, 3416, unter II 2).
  209. 18
  210. Der Wirksamkeit des § 10 Ziff. 3 steht nicht entgegen, dass die weitere,
  211. in § 10 Ziff. 5 Satz 1 des Mietvertrags enthaltene Renovierungsklausel, die eine
  212. von feststehenden Fristen abhängige Renovierungspflicht des Mieters bei Beendigung des Mietverhältnisses vorsieht, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
  213. Nr. 1 BGB unwirksam ist (Senat, Urteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 124/05,
  214. NJW 2006, 2915, unter C I 1 a). Denn § 10 Ziff. 5 Satz 1 des Mietvertrags enthält eine eigenständige Regelung, deren Unzulässigkeit nicht die Unwirksamkeit der Verpflichtung des Mieters zur Ausführung fälliger Schönheitsreparaturen während des laufenden Mietverhältnisses - spätestens bei dessen Beendigung - gemäß § 10 Ziff. 3 des Mietvertrags zur Folge hat (vgl. Senat, aaO).
  215. 19
  216. bb) Die Abgeltungsklausel (§ 10 Ziff. 6 des Mietvertrags) ist jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für sich genommen unwirksam.
  217. - 10 -
  218. 20
  219. (1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Klausel, wonach der
  220. Mieter bei Ende des Mietverhältnisses je nach dem Zeitpunkt der letzten
  221. Schönheitsreparaturen während der Mietzeit einen prozentualen Anteil an Renovierungskosten aufgrund des Kostenvoranschlags eines vom Vermieter auszuwählenden Malerfachgeschäfts zu zahlen hat, jedenfalls dann wirksam, wenn
  222. sie den Kostenvoranschlag nicht ausdrücklich für verbindlich erklärt, die für die
  223. Abgeltung maßgeblichen Fristen und Prozentsätze am Verhältnis zu den üblichen Renovierungsfristen ausrichtet und dem Mieter nicht untersagt, seiner anteiligen Zahlungsverpflichtung dadurch zuvorzukommen, dass er vor dem Ende
  224. des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen in kostensparender Eigenarbeit
  225. ausführt, und wenn - im Falle einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig
  226. überlassenen Wohnung - die für die Durchführung wie für die anteilige Abgeltung der Schönheitsreparaturen maßgeblichen Fristen nicht vor dem Anfang
  227. des Mietverhältnisses zu laufen beginnen (BGHZ 105, 71; Urteil vom 6. Oktober
  228. 2004 - VIII ZR 215/03, WuM 2004, 663, unter II 1). Zu der Frage, ob dies auch
  229. dann gilt, wenn die Abgeltungsquote sich - wie im vorliegenden Fall - nach einer
  230. "starren" Fristenregelung richtet, hat der Senat bislang nicht ausdrücklich Stellung genommen. Er hat allerdings in dem Urteil vom 6. Oktober 2004 (aaO; vgl.
  231. auch Senat, Urteil vom 5. April 2006 - VIII ZR 178/05, NJW 2006, 1728, unter
  232. II 2 b), auf das die Revision sich beruft, eine inhaltlich vergleichbare Klausel als
  233. wirksam bezeichnet. Daran wird aus den nachstehend dargelegten Gründen
  234. nicht festgehalten.
  235. 21
  236. (2) Eine Formularklausel, die den Mieter zur zeitanteiligen Abgeltung von
  237. Renovierungskosten nach einer "starren" Berechnungsgrundlage verpflichtet,
  238. die an einem Fristenplan von drei, fünf beziehungsweise sieben Jahren ausgerichtet ist, ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 307
  239. Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. auch LG Hamburg, NJW 2005,
  240. 2462 mit Anm. von Flatow, jurisPR-MietR 20/2005 Anm. 3; AG Hamburg, WuM
  241. - 11 -
  242. 2006, 144; AG Oranienburg, GE 2006, 655; Heinrichs, WuM 2005, 155, 162;
  243. Klimke/Lehmann-Richter, ZMR 2005, 417, 418; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau bei Wohn- und Gewerberaum, 2. Aufl., 1 B
  244. Rdnr. 89, E Rdnr. 6 f.; Riecke in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 538
  245. Rdnr. 18; Steenbuck, WuM 2005, 220, 222; Wiek, WuM 2005, 10, 11; a.A. Kinne, ZMR 2005, 921, 925; Eupen/Schmidt NZM 2006, 644). Die Gründe, die für
  246. die Beurteilung einer formularvertraglichen "starren" Fälligkeitsregelung zur
  247. Ausführung der Schönheitsreparaturen als unwirksam maßgebend sind, führen
  248. auch zur Unwirksamkeit einer entsprechenden zeitanteiligen Abgeltungsregelung.
  249. 22
  250. Bei einer Abgeltungsklausel handelt es sich um eine - zeitlich vorverlagerte - Ergänzung der vertraglichen Verpflichtung des Mieters zur Durchführung
  251. von Schönheitsreparaturen nach dem Fristenplan (Senat, BGHZ 105, 71, 77).
  252. Ihr Zweck besteht darin, dem Vermieter, der von dem ausziehenden Mieter
  253. mangels Fälligkeit der Schönheitsreparaturen nach dem Fristenplan keine Endrenovierung verlangen kann, wenigstens einen prozentualen Anteil an Renovierungskosten für den Abnutzungszeitraum seit den letzten Schönheitsreparaturen während der Mietzeit zu sichern (BGHZ aaO, S. 77, 84; Senat, Urteil vom
  254. 26. Mai 2004 - VIII ZR 77/03, NJW 2004, 3042, unter II 2 a bb).
  255. 23
  256. Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter grundsätzlich nicht unangemessen, weil die Abwälzung der turnusmäßigen Schönheitsreparaturen
  257. - deren Kosten der Mieter zu tragen hätte, wenn das Mietverhältnis bis zum Eintritt der Fälligkeit der Schönheitsreparaturverpflichtung fortbestanden hätte rechtlich und wirtschaftlich einen Teil der Gegenleistung des Mieters für die
  258. Gebrauchsüberlassung der Räume darstellt (vgl. § 10 Ziff. 1 des Mietvertrags),
  259. die er anderenfalls - bei einer den Vermieter treffenden Verpflichtung zur Durch-
  260. - 12 -
  261. führung der Schönheitsreparaturen - über eine höhere Bruttomiete im Voraus
  262. abgelten müsste (BGHZ aaO, S. 79 ff., 84).
  263. 24
  264. Eine derartige Formularklausel benachteiligt den Mieter jedoch entgegen
  265. den Geboten von Treu und Glauben dann unangemessen, wenn sie eine "starre" Berechnungsgrundlage hat, die eine Berücksichtigung des tatsächlichen
  266. Erhaltungszustands der Wohnung nicht zulässt. Denn dies kann im Einzelfall
  267. dazu führen, dass der Mieter - gemessen am Abnutzungsgrad der Wohnung
  268. und der Zeitspanne bis zur Fälligkeit der Schönheitsreparaturen - eine übermäßig hohe Abgeltungsquote zu tragen hat. Sind etwa Wände und Decken der
  269. Wohnung mit besonders "langlebigen" Materialien dekoriert oder hat der Mieter
  270. die Wohnung oder einzelne Räume wenig genutzt, kann es an einem Renovierungsbedarf nach Ablauf der im Mietvertrag für die Ausführung der Schönheitsreparaturen bestimmten - üblichen - Fristen fehlen (vgl. Senat, Urteil vom
  271. 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586, unter II 2 b m.w.Nachw.).
  272. 25
  273. In einem solchen Fall liegt es bei einer formularmäßigen Mietvertragsklausel, die dem Mieter die Verpflichtung zu einer anteiligen Abgeltung der Kosten von Schönheitsreparaturen auf der Grundlage einer "starren" Fristenregelung auferlegt, nicht anders als bei einer Klausel, die den Mieter zur Vornahme
  274. von Schönheitsreparaturen nach einem "starren" Fristenplan verpflichtet. Denn
  275. auch eine "starre" Abgeltungsregelung führt bei einem überdurchschnittlichen
  276. Erhaltungszustand der Wohnung dazu, dass der Mieter mit höheren zeitanteiligen Renovierungskosten belastet wird, als es dem tatsächlichen Abnutzungsgrad der Wohnung entspricht. Hierdurch wird dem Mieter eine übermäßige,
  277. gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässige Verpflichtung zur
  278. zeitanteiligen Abgeltung zukünftiger Instandhaltungskosten auferlegt. Dies ist
  279. mit dem Grundgedanken des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenso wenig zu ver-
  280. - 13 -
  281. einbaren wie die Auferlegung von Renovierungspflichten nach einem feststehenden Fristenplan ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Renovierungsbedarf.
  282. 26
  283. c) Die in § 10 Ziff. 6 des Mietvertrags enthaltene Abgeltungsklausel ist
  284. insgesamt unwirksam. Die Verpflichtung des Mieters zur zeitanteiligen Abgeltung der Kosten noch nicht fälliger Schönheitsreparaturen ließe sich nur dann
  285. aufrechterhalten, wenn sich die Formularklausel aus sich heraus verständlich
  286. und sinnvoll in einen zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil trennen ließe (Senat, Urteil vom 23. Juni 2004, aaO, unter II 3 m.w.Nachw.). Hieran
  287. fehlt es. Ohne die in der Klausel angegebenen feststehenden Fristen und Prozentsätze kann der verbleibende Klauselteil bereits sprachlich nicht als eigenständige Regelung bestehen bleiben. Dies ließe sich nur durch eine Umformulierung erreichen, die zu einer inhaltlichen Umgestaltung der Klausel in eine
  288. gesetzlich noch zulässige Abgeltungsregelung führen würde. Dies wäre jedoch
  289. eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Klausel (vgl. Senatsurteil
  290. vom 23. Juni 2004, aaO; Senatsurteil vom 28. Juni 2006 aaO, unter C I 1 a bb).
  291. 27
  292. d) Die Unwirksamkeit der in § 10 Ziff. 6 des Mietvertrags enthaltenen Abgeltungsklausel führt nicht zu einer Regelungslücke, die im Wege ergänzender
  293. Vertragsauslegung geschlossen werden könnte. Die ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass der Regelungsplan der Parteien infolge der Lücke
  294. einer Vervollständigung bedarf; das ist nur dann anzunehmen, wenn dispositives Gesetzesrecht zur Füllung der Lücke nicht zur Verfügung steht und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung
  295. tragende Lösung bietet (st.Rspr.; Senat, BGHZ 143, 103, 120 m.w.Nachw.).
  296. Bereits die erste Voraussetzung ist nicht gegeben. Wie der Senat hinsichtlich
  297. einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel bereits entschieden hat, tritt
  298. gemäß § 306 Abs. 2 BGB die dispositive gesetzliche Bestimmung des § 535
  299. - 14 -
  300. Abs. 1 Satz 2 BGB an die Stelle der unzulässigen Klausel (Urteil vom 28. Juni
  301. 2006, aaO, unter C I 1 a cc m.w.Nachw.). So verhält es sich auch bei einer unwirksamen Abgeltungsklausel, weil sie die Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen für den Fall ergänzt, dass die Renovierungspflicht noch nicht fällig ist.
  302. Ball
  303. Dr. Wolst
  304. Dr. Milger
  305. Hermanns
  306. Dr. Koch
  307. Vorinstanzen:
  308. AG Mannheim, Entscheidung vom 30.03.2005 - 8 C 8/05 LG Mannheim, Entscheidung vom 08.02.2006 - 4 S 52/05 -