Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

117 lines
6.4 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 153/02
  4. vom
  5. 14. August 2002
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Körperverletzung mit Todesfolge
  9. -2-
  10. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. August 2002 beschlossen:
  11. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  12. Nürnberg-Fürth vom 13. Dezember 2001 wird als unbegründet
  13. verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
  14. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
  15. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der
  16. Senat:
  17. 1. Es bestand keine Hinweispflicht wegen veränderter Sachlage. Der im
  18. Urteil festgestellte Geschehensablauf weicht nicht wesentlich von der Anklage
  19. ab; jedenfalls aber war die Abweichung aus dem Gang der Hauptverhandlung
  20. erkennbar.
  21. a) Allerdings geht die Anklageschrift – anders als das Urteil – von einem
  22. durch die Schläge des Angeklagten verursachten Treppensturz der Ehefrau
  23. aus. Im Hinblick darauf, daß sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung damit verteidigt hatte, der Treppensturz sei während seiner Abwesenheit erfolgt –
  24. Ursache der tödlichen Verletzungen sei also ein Unfall –, läge in der Tat eine
  25. wesentliche Abweichung vor, wenn die Anklage von einem – vom Verhalten
  26. -3-
  27. des Angeklagten unabhängigen – Treppensturz als a l l e i n i g e r
  28. Ursache
  29. der tödlichen Verletzung ausgegangen wäre.
  30. Dies trifft indessen nicht zu. Nach dem Anklagesatz sollen die Tätlichkeiten des Angeklagten dazu geführt haben, daß die Ehefrau die Kellertreppe
  31. hinunterstürzte. Im wesentlichen Ermittlungsergebnis ist ausgeführt, daß sich
  32. das wirkliche Tatgeschehen aufgrund der gesicherten Spuren nur in groben
  33. Zügen ableiten lasse (S. 7). Es könne ausgeschlossen werden, daß die Ehefrau die Verletzungen allein aufgrund des Treppensturzes erlitten habe; die
  34. Verletzungen ließen vielmehr nur die Deutung zu, daß die Ehefrau massiv verprügelt worden sei (S. 14).
  35. Das zum Tode führende Kerngeschehen umschreiben Anklage und Urteil somit im wesentlichen gleich. Es waren die massiven Faustschläge des Angeklagten, insbesondere gegen den Schädel der Ehefrau, die zum Aufschlag
  36. ihres Hinterkopfes und zur Bewußtlosigkeit führten. Auch wenn die Ehefrau
  37. dabei die Treppe hinunter gestürzt sein sollte, so wäre dies im Hinblick auf die
  38. Verantwortlichkeit des Angeklagten für die ihm angelastete Körperverletzung
  39. mit Todesfolge keine wesentliche Veränderung der Sachlage, da sowohl nach
  40. der Anklage als auch nach dem Urteil seine massiven Faustschläge die entscheidende Todesursache gesetzt haben. Die Frage der Veränderung ist nämlich nicht an der (vom Anklagevorwurf abweichenden) Verteidigungsstrategie,
  41. sondern an der zugelassenen Anklage zu messen. Der in der Anklage geschilderte Sachverhalt kann nur dahin verstanden werden, daß der Treppensturz
  42. anläßlich der Gewalteinwirkungen des Angeklagten herbeigeführt wurde und
  43. somit allenfalls mitursächlich für die Todesfolge war. Von einem Treppensturz
  44. in Abwesenheit des Angeklagten ging die Anklage gerade nicht aus; er lag zudem eher fern (vgl. UA S. 22 oben).
  45. -4-
  46. b) Im übrigen mußte der Angeklagte auch aus dem Gang der Hauptverhandlung die naheliegende Möglichkeit erkennen, daß das Landgericht einen
  47. (mitursächlichen) Treppensturz ausschließen würde. Genau dazu wurde der
  48. Sachverständige Dr. B.
  49. – ersichtlich ausführlich – vernommen (UA S. 40/41,
  50. 43). Nach dessen Auffassung sprach gegen einen Treppensturz insbesondere,
  51. daß die Leiche keine Einblutungen in der zentralen Rückenpartie aufwies. Damit aber war für jeden Verfahrensbeteiligten offenkundig, daß – abweichend
  52. von der Annahme der Anklage – ein Treppensturz ernsthaft auszuschließen
  53. war, und daß das Landgericht sich dem Sachverständigenbefund anschließen
  54. könnte.
  55. c) Auch hinsichtlich der im Urteil festgestellten „alsbaldigen Umlagerung“
  56. der Ehefrau durch den Angeklagten vom Kellervorraum auf die Treppe bestand
  57. keine Hinweispflicht.
  58. Soweit dies für den Senat rekonstruierbar ist, konnte diese Feststellung
  59. die Verteidigung angesichts des in der Hauptverhandlung erörterten Aufschlagorts für die massive Schädelverletzung nicht überraschen. Zwar hatte der
  60. Sachverständige Dr. B.
  61. den Kellervorraum „als möglichen Geschehensort
  62. lediglich mit der Erwägung ausgeschlossen, daß die sofort blutende Rißquetschwunde am Hinterhaupt bei entsprechender Verweildauer zu Blutantragungen am Aufschlagpunkt führen müsse, dergleichen aber im Kellervorraum
  63. nicht in nennenswertem Umfang vorhanden gewesen sei.“ Damit mußte den
  64. Verfahrensbeteiligten aber klar sein, daß das Gericht die Prämisse der „entsprechenden Verweildauer“ im Kellervorraum für relevant halten würde. Der
  65. Revision ist zuzugeben, daß das Urteil sich nicht dazu verhält, ob der Sachver-
  66. -5-
  67. ständige dazu befragt wurde, inwieweit das Blutspurenbild auch mit einer „alsbaldigen Umlagerung“ vereinbar ist. Damit wird geltend gemacht, ein Beweismittel sei nicht ausgeschöpft worden. Unbeschadet des Umstands, daß
  68. -6-
  69. eine solche Befragung für das Revisionsgericht nicht zuverlässig rekonstruierbar ist, kann dem Befund des Sachverständigen im Umkehrschluß entnommen
  70. werden, daß dieser das Blutspurenbild mit einer nur kurzen Verweildauer des
  71. Opfers im Kellervorraum für vereinbar gehalten hat; andernfalls machte seine
  72. Einschränkung „bei entsprechender Verweildauer“ keinen Sinn.
  73. 2. Die Beweiswürdigung enthält keine sachlich-rechtlichen Fehler.
  74. a) Die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe seine Ehefrau (zunächst) auf die Treppe gelegt, um das vorangegangene Geschehen zu
  75. verheimlichen (und einen versehentlichen Treppensturz vorzutäuschen), ist mit
  76. der (nochmaligen) Umlagerung in den Vorraum durchaus vereinbar. Wenn er –
  77. wovon das Landgericht ausgeht (UA S. 8) beim Eintreffen der von ihm herbeigerufenen Polizei einen Unglücksfall vortäuschen wollte, so ist die Lagerung
  78. der Ehefrau in stabiler Seitenlage im Vorraum durchaus stimmig.
  79. -7-
  80. b) Auch einen Treppensturz hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen (UA S. 40, 43). Die daran anschließenden Ausführungen des Sachverständigen auf UA S. 40/41 betreffen lediglich die Hilfserwägung, ob der Angeklagte – wie er angab – seine Ehefrau „in gestreckter Rückenlage auf der
  81. Treppe aufgefunden“ haben kann.
  82. Schäfer
  83. Nack
  84. Schluckebier
  85. Boetticher
  86. Hebenstreit