232 lines
No EOL
4.8 KiB
Text
232 lines
No EOL
4.8 KiB
Text
BUNDESGERICHTSHOF
|
||
BESCHLUSS
|
||
V ZB 197/14
|
||
vom
|
||
12. März 2015
|
||
in der Abschiebungshaftsache
|
||
Nachschlagewerk:
|
||
|
||
ja
|
||
|
||
BGHZ:
|
||
|
||
nein
|
||
|
||
BGHR:
|
||
|
||
ja
|
||
|
||
AufenthG § 72 Abs. 4
|
||
Nach dem rechtskräftigen Abschluss eines gegen den Ausländer gerichteten
|
||
Strafverfahrens bedarf es für die Abschiebung nicht mehr des Einvernehmens der
|
||
Staatsanwaltschaft im Sinne von § 72 Abs. 4 AufenthG; aus § 456a StPO ergibt
|
||
sich nichts anderes.
|
||
BGH, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 197/14 - LG Stuttgart
|
||
AG Nürtingen
|
||
|
||
-2-
|
||
|
||
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2015 durch die
|
||
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
|
||
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele
|
||
|
||
beschlossen:
|
||
|
||
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer
|
||
des Landgerichts Stuttgart vom 20. Oktober 2014 wird auf Kosten
|
||
des Betroffenen zurückgewiesen.
|
||
|
||
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
|
||
5.000 €.
|
||
|
||
Gründe:
|
||
I.
|
||
1
|
||
|
||
Der Betroffene, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2009 in
|
||
die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde im Jahr 2010 unter
|
||
Androhung der Abschiebung abgelehnt. Ab dem 31. Oktober 2012 befand er
|
||
sich in Untersuchungshaft und wurde am 9. Januar 2013 rechtskräftig zu einer
|
||
Freiheitsstrafe verurteilt. Diese wurde bis zum 7. Mai 2013 vollstreckt und der
|
||
Strafrest sodann zur Bewährung ausgesetzt. Der für den 23. August 2013
|
||
geplanten Abschiebung entzog sich der Betroffene durch Flucht. Am 6. März
|
||
2014
|
||
|
||
wurde
|
||
|
||
rücküberstellt.
|
||
|
||
er
|
||
|
||
aus
|
||
|
||
Schweden
|
||
|
||
an
|
||
|
||
die
|
||
|
||
Bundesrepublik
|
||
|
||
Deutschland
|
||
|
||
-3-
|
||
|
||
2
|
||
|
||
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 6. März 2014
|
||
Sicherungshaft bis zum 15. April 2014 angeordnet. Die Beschwerde, die nach
|
||
der
|
||
|
||
am
|
||
|
||
9.
|
||
|
||
April
|
||
|
||
Rechtswidrigkeit
|
||
|
||
2014
|
||
|
||
der
|
||
|
||
zurückgewiesen.
|
||
|
||
erfolgten
|
||
|
||
Inhaftierung
|
||
|
||
Dagegen
|
||
|
||
Abschiebung
|
||
gerichtet
|
||
|
||
wendet
|
||
|
||
sich
|
||
|
||
auf
|
||
|
||
Feststellung
|
||
|
||
ist,
|
||
|
||
hat
|
||
|
||
das
|
||
|
||
der
|
||
|
||
Betroffene
|
||
|
||
der
|
||
|
||
Landgericht
|
||
mit
|
||
|
||
der
|
||
|
||
Rechtsbeschwerde.
|
||
|
||
II.
|
||
|
||
3
|
||
|
||
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
|
||
|
||
4
|
||
|
||
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war der Haftantrag
|
||
zulässig. Insbesondere bedurfte es keiner Ausführungen zu dem Einvernehmen
|
||
der Staatsanwaltschaft (§ 72 Abs. 4 AufenthG).
|
||
|
||
5
|
||
|
||
a) Das gegen den Betroffenen gerichtete Strafverfahren war bereits vor
|
||
der Anordnung der Abschiebungshaft mit der rechtskräftigen Verurteilung zu
|
||
einer Freiheitsstrafe beendet worden. Da § 72 Abs. 4 AufenthG auf die
|
||
Erhebung der öffentlichen Klage und die Einleitung des Ermittlungsverfahrens
|
||
Bezug nimmt, ist das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nur bis zu dem
|
||
rechtskräftigen
|
||
|
||
Abschluss
|
||
|
||
des
|
||
|
||
Strafverfahrens
|
||
|
||
erforderlich.
|
||
|
||
Dies
|
||
|
||
soll
|
||
|
||
gewährleisten, dass Strafverfahren abgeschlossen werden können, bei denen
|
||
das öffentliche Strafverfolgungsinteresse das Interesse an der sofortigen Aboder Zurückschiebung überwiegt (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2011
|
||
- V ZB 202/10, FGPrax 2011, 146 Rn. 22).
|
||
|
||
-4-
|
||
|
||
6
|
||
|
||
b) Nach diesem Zeitpunkt bedarf es des Einvernehmens nicht mehr.
|
||
Allerdings kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 456a StPO - nunmehr
|
||
allerdings als Vollstreckungsbehörde (§ 451 StPO) - von der Vollstreckung einer
|
||
Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung
|
||
und Sicherung unter anderem dann absehen, wenn der Verurteilte aus dem
|
||
Bundesgebiet ausgewiesen wird. Dies ist jedoch von dem in § 72 Abs. 4
|
||
AufenthG
|
||
|
||
geregelten
|
||
|
||
Einvernehmen
|
||
|
||
zu
|
||
|
||
unterscheiden.
|
||
|
||
Während
|
||
|
||
einer
|
||
|
||
laufenden Vollstreckung setzt die Abschiebung notwendigerweise voraus, dass
|
||
die Vollstreckungsbehörde beteiligt wird und von der weiteren Vollstreckung
|
||
absieht. Ungeachtet dessen kann Abschiebungshaft parallel zu der Strafhaft
|
||
angeordnet werden, wenn deren formelle und materielle Voraussetzungen
|
||
vorliegen (Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 77/14 Rn. 7 f., juris,
|
||
vorgesehen zum Abdruck in BGHZ). Dass die Vollstreckungsbehörde erklärt,
|
||
von der weiteren Vollstreckung nicht abzusehen, kann der Anordnung von
|
||
Abschiebungshaft nur unter dem Gesichtspunkt der Undurchführbarkeit der
|
||
Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate entgegenstehen (vgl. § 62
|
||
Abs. 3 Satz 4 AufenthG).
|
||
|
||
7
|
||
|
||
c) Wird - wie hier - die Strafhaft im Zeitpunkt der Anordnung der
|
||
Abschiebungshaft nicht (mehr) vollstreckt, weil der Strafrest zur Bewährung
|
||
ausgesetzt worden ist, oder wird von vornherein eine Bewährungsstrafe
|
||
verhängt, muss die Vollstreckungsbehörde ohnehin nicht beteiligt werden, und
|
||
zwar auch dann nicht, wenn Gründe für einen Widerruf der Strafaussetzung zur
|
||
Bewährung vorliegen. Die gegenteilige Auffassung der Rechtsbeschwerde
|
||
findet keine Grundlage im Gesetz.
|
||
|
||
-5-
|
||
|
||
8
|
||
|
||
2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
|
||
|
||
Stresemann
|
||
|
||
Roth
|
||
|
||
Weinland
|
||
|
||
Brückner
|
||
|
||
Kazele
|
||
|
||
Vorinstanzen:
|
||
AG Nürtingen, Entscheidung vom 06.03.2014 - 511 XIV 229/14 LG Stuttgart, Entscheidung vom 20.10.2014 - 19 T 114/14 -
|
||
|
||
|