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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 358/04
Verkündet am:
2. Juni 2005
Freitag
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 823 Ea, J; § 839 Fe, J
Stürzt ein Fußgänger in unmittelbarer Nähe einer Gefahrenstelle, so liegt
nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises der Schluß nahe, daß die
Gefahrenstelle Ursache des Sturzes war (im Anschluß an BGH, Urt. vom
13. Februar 1962 - VI ZR 81/61 - VersR 1962, 449).
BGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - III ZR 358/04 - OLG München
LG Oldenburg
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Streck, Dr. Kapsa, Dörr und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23. Juli 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die beklagte Gemeinde wegen Verletzung ihrer Straßenverkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz in Anspruch. Am Morgen
des 14. Januar 2003 stürzte der Kläger bei Dunkelheit auf dem Gehweg der
verkehrsberuhigten B.
straße in G.
. Nach seinem erstinstanzlichen
Vortrag war dort um einen im Boden verlegten Absperrhahn herum die Pflasterung
herausgerissen. Über diese losen Steine sei er gestolpert, in eine Bodenöff-
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nung gerutscht und umgeknickt. Dabei habe er sich erheblich verletzt und sei
jetzt noch arbeitsunfähig. Die Mosaik-Basaltsteine an dieser Stelle seien nicht
vorschriftsmäßig befestigt gewesen, da sie nicht entsprechend der Ausschreibung in Mörtel, sondern lose in Sand verlegt worden seien. Außerdem sei die
Beklagte von Anwohnern darüber informiert worden, daß sich Steine aus dem
Pflaster gelöst hätten.
Die Vorinstanzen haben die auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens 5.500 €, sowie auf Feststellung einer Ersatzpflicht der
Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden des Klägers
gerichtete Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen
Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat sich aufgrund der Unfallschilderung des Klägers in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht davon überzeugt gesehen,
daß das in der Straße befindliche Loch ursächlich für den Sturz des Klägers
gewesen sei. Als der Kläger gefallen sei, habe er nach seiner Darstellung die
Ursache dafür nicht bemerkt. Er habe nur das Gefühl gehabt, daß jemand sein
Bein festhalte. Am Nachmittag habe er die Unfallstelle besichtigt und das Loch
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in der Pflasterung bemerkt. Es sei daher naheliegend, daß er daraufhin die
Schlußfolgerung gezogen habe, mit dem Schuh in das Loch getreten und dadurch zu Fall gekommen zu sein. Das sei indes nur eine Möglichkeit, ohne daß
dadurch andere unfallursächliche Möglichkeiten ausgeschlossen wären. Wenn
die Straßenlaterne zwei Meter von der Unfallstelle entfernt nicht gebrannt habe, wie es nach dem Klagevorbringen in Betracht komme, müsse der Kläger in
eine dunkle Zone getreten sein. Dies hätte ihm auffallen müssen. Zudem habe
er in der Klageschrift den Unfallhergang noch anders geschildert. Danach wolle
er auf lose auf dem Fußweg liegende Basaltsteine getreten, über diese in die
Bodenöffnung gerutscht und dann umgeknickt sein. Diese Beschreibung des
Unfallhergangs sei aber mit seiner Schilderung in der mündlichen Verhandlung
vor dem Berufungssenat nicht in Übereinstimmung zu bringen.
II.
Das hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1.
Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob der Beklagten eine Ver-
letzung ihrer in Niedersachsen hoheitlich ausgestalteten (§ 10 Abs. 1 NStrG)
Straßenverkehrssicherungspflicht zur Last fällt, insbesondere, ob ihr der gefährliche Zustand des Fußwegs vor dem Unfall bekannt war, nicht befaßt. Für
die Revisionsinstanz ist dies demnach zugunsten des Klägers zu unterstellen.
2.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Kläger in unmit-
telbarer Nähe der Gefahrenstelle, wie sie sich aus dem Loch in der Pflasterung
des Gehwegs und den lose darum herumliegenden Pflastersteinen ergab, ge-
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stürzt. Ein solcher Geschehensablauf legt aber, was das Berufungsgericht verkennt, nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises den Schluß nahe, daß
die verkehrswidrige Gefahrenquelle Ursache des Sturzes war (BGH, Urteil vom
13. Februar 1962 - VI ZR 81/61 - VersR 1962, 449, 450; Senatsbeschluß vom
17. September 1987 - III ZR 138/86 - Umdruck S. 3; s. auch BGH, Urteil vom
26. Mai 1954 - VI ZR 186/53 - VersR 1954, 401, 402). Das verkürzt zugleich
die Darlegungslast des Klägers. Er muß somit weder vortragen noch beim
Bestreiten der Beklagten zur Überzeugung des Gerichts beweisen, wie im einzelnen es zu dem Unfall gekommen ist. Den für ihn streitenden Beweis des
ersten Anscheins für eine Unfallursächlichkeit der Gefahrenstelle zu erschüttern, ist vielmehr Sache der Beklagten. Sie hat daher zumindest die ernsthafte
Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs, d.h. eines nicht auf die Gefahrenstelle zurückgehenden Unfallhergangs, darzutun und gegebenenfalls
nachzuweisen.
Mit Rücksicht darauf überspannt das Berufungsgericht hier die Anforderungen an einen schlüssigen Klagevortrag. Es genügt, daß der Kläger, wie er
es im Kern stets behauptet hat, wegen des gefährlichen Lochs im Fußweg oder
der herumliegenden, ähnlich gefährlichen Pflastersteine zu Fall gekommen
sein will. Andere realistisch in Frage kommende Möglichkeiten, die den sich
anbietenden Schluß auf die Unfallursächlichkeit entkräften könnten, zeigt das
Berufungsgericht nicht auf; auch die Beklagte hat hierzu nichts vorgetragen.
III.
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Auf dieser Grundlage kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben.
Eine eigene Sachentscheidung des Senats - auch nur zum Anspruchsgrund scheidet mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen aus. Das angefochtene Urteil ist deswegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die fehlenden Feststellungen nachholen
kann. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß es überzogen wäre, dem
Kläger mit dem Landgericht im Rahmen der Prüfung eines etwaigen Mitverschuldens vorzuhalten, er hätte sich nur mit einer Taschenlampe auf die Straße begeben dürfen, falls die Straßenlaterne nahe der Unfallstelle nicht gebrannt haben sollte.
Schlick
Streck
Dörr
Kapsa
Hermann