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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 426/12
vom
20. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt (GL)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012, soweit es
den Angeklagten B.
betrifft, im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten
eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das - vom
Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Die Strafrahmenbestimmung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die
-4-
Anwendung des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes gemäß § 46b
StGB ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
"Gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB kann das Gericht anstelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe
von nicht unter zehn Jahren verhängen, wenn der Angeklagte durch
freiwilliges Offenbaren seines Wissens vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 46b Abs. 3 StGB) wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine
Straftat im Sinne von § 100a Abs. 2 StPO aufgedeckt werden konnte.
Dabei muss sich der Beitrag des Angeklagten zur Aufklärung der Tat,
sofern er an ihr beteiligt war, über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken (§ 46b Abs. 1 Satz 3 StGB). Sind diese Voraussetzungen
nach den Feststellungen des Tatrichters gegeben, ist diesem ein mit
der Revision nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum eröffnet, innerhalb dessen er aufgrund einer umfassenden Würdigung
sämtlicher relevanten Umstände zu entscheiden hat, ob eine Strafmilderung nach Abs. 1 Satz 1 geboten ist (Fischer StGB 59. Aufl. § 46b
Rn. 25).
Das Gesetz führt hierzu in § 46b Abs. 2 StGB - nicht abschließend Kriterien auf, anhand derer die gerichtliche Entscheidung zu treffen ist
(vgl. BT-Drucks. 16/6268, S. 13 und Fischer aaO Rn. 26 ff.). Während
§ 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB mit der Art und dem Umfang der offenbarten
Tatsachen, deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der
Tat, dem Zeitpunkt der Offenbarung, dem Ausmaß der Unterstützung
der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und der Schwere der
Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, vornehmlich 'aufklärungsspezifische Kriterien' umfasst, enthält § 46b Abs. 2 Nr. 2 StGB 'unrechts- und schuldspezifische Kriterien', zu denen die unter Nr. 1 genannten Gesichtspunkte ins Verhältnis zu setzen sind (Fischer aaO
Rn. 27 f. und Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 46b Rn. 16).
An der danach vorzunehmenden Gesamtabwägung, der im Hinblick auf
den Schuldgrundsatz besondere Bedeutung zukommt (so BVerfG NJW
1993, 190 f. zu §§ 1 und 2 der vormaligen 'Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten', Art. 4 des Gesetz[es] zur 'Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen
-5-
Straftaten' vom 9. Juni 1989, BGBl. I S. 1059), fehlt es im vorliegenden
Fall. Das Schwurgericht hat im Rahmen seiner Ermessensausübung
lediglich festgestellt, die Aussage des Angeklagten B.
, ohne die
der Mitangeklagte T. nicht zu überführen gewesen wäre, habe zur
Aufklärung einer 'schweren Straftat' geführt und sei mit dem nicht notwendigen Geständnis verbunden gewesen, selbst an der Tat beteiligt
gewesen zu sein. Dass der Angeklagte B.
eine 'außerordentlich
schwerwiegende Straftat' begangen habe, stehe einer Strafmilderung
gemäß § 46b StGB nicht entgegen; denn andernfalls könne eine Anwendung der Norm bei Mord, für den der Gesetzgeber in § 46b Abs. 1
Satz 1 letzter Halbsatz StGB eine 'spezielle Strafzumessungsregel' geschaffen habe, nie in Betracht kommen (UA S. 60 f.).
Diese Ausführungen genügen für eine rechtsfehlerfreie Ausübung des
in § 46b StGB eingeräumten Ermessens nicht. Sie lassen besorgen,
dass das Tatgericht bei seiner Entscheidung allein 'aufklärungsspezifische Kriterien' in den Blick genommen hat, ohne diese konkret zu der
Schwere des Unrechts der abgeurteilten Tat und zu dem Grad des
Verschuldens des Angeklagten in Relation zu setzen. Eine besonders
sorgfältige, auf den Einzelfall bezogene Abwägung aller infrage kommenden Gesichtspunkte erscheint vorliegend aber schon deshalb unentbehrlich, weil eine Strafmilderung angesichts der Gesamtumstände
- vor allem der äußerst brutalen, von erheblicher krimineller Energie
zeugenden und insgesamt drei Mordmerkmale erfüllenden Handlungen
des Angeklagten auf der einen Seite sowie seines mehrfach wechselnden Aussageverhaltens auf der anderen Seite (zu letzterem siehe
BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1984 - 2 StR 467/84, StV 1985, 14,
Beschluss vom 30. August 2011 - 2 StR 141/11, BGHR StGB § 46b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Aufdeckung 2 und BT-Drucks. 16/6268, S. 14) nicht nahe lag.
4
Dem stimmt der Senat zu.
-6-
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Vermeidung des aufgezeigten Rechtsfehlers von der fakultativen Strafmilderung abgesehen und gegen den Angeklagten die lebenslange Freiheitsstrafe verhängt
hätte.
Becker
Pfister
Mayer
Hubert
Spaniol