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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 217/05
Verkündet am:
27. September 2006
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 535, 307 Abs. 1 Bb
Eine
Klausel
in
den
Allgemeinen
Geschäftsbedingungen
eines
Kraftfahr-
zeug-Leasinggebers, wonach dieser im Falle der Kündigung des Leasingvertrages
wegen Verlusts des Leasingfahrzeugs Anspruch auf dessen Zeitwert oder den Restvertragswert in Höhe seines nicht amortisierten Gesamtaufwandes hat, wobei der
höhere Wert maßgebend ist, benachteiligt den zur Versicherung des Fahrzeugs verpflichteten Leasingnehmer nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB.
BGH, Urteil vom 27. September 2006 - VIII ZR 217/05 - LG Hamburg
AG Hamburg-Altona
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter
Wiechers und Dr. Wolst sowie die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg, Zivilkammer 20, vom 26. August 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Gemäß Antrag der Klägerin vom 28. Mai 2002 und Annahme der Beklagten vom 4. Juli 2002 schlossen die Parteien einen Leasingvertrag über ein
Kraftfahrzeug "M.
". Dem Vertrag lagen die Allgemeinen
Leasingbedingungen der Beklagten (im folgenden ALB) zugrunde. Diese lauten
auszugsweise:
"§ 7 Gefahrtragung
1. Die Gefahr des zufälligen Untergangs sowie des Verlustes,
Diebstahls, der Unterschlagung, der Beschädigung, der Vernichtung, des vorzeitigen Verschleißes des Fahrzeuges trägt
der Leasingnehmer. Solche Ereignisse entbinden den Leasingnehmer weder von der Verpflichtung, die vereinbarten Leasingraten zu leisten, noch von den sonstigen Verpflichtungen dieses
Leasingvertrages.
-3-
2. Bei Verlust, Untergang und Beschädigung des Fahrzeuges
kann der Leasingvertrag von jeder Vertragspartei binnen 6 Wochen nach dem Schadenseintritt zum Ende des Kalendermonats gekündigt werden, bei Beschädigung jedoch nur, wenn die
Reparaturaufwendungen mindestens 2/3 des Zeitwertes des
Fahrzeuges betragen.
3. Der Leasingnehmer wird C. [Beklagte] unverzüglich schriftlich
verständigen, sofern eines der unter Absatz 1 genannten Ereignisse eingetreten ist. Machen die Vertragsparteien von ihrem
Kündigungsrecht keinen Gebrauch, so ist der Leasingnehmer
verpflichtet, das Fahrzeug auf seine Kosten reparieren und es
in einen guten Zustand zurückversetzen zu lassen. Machen die
Parteien von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch, so hat C.
Anspruch auf den Zeitwert des Fahrzeuges oder den Restvertragswert entsprechend § 10.5, welcher auch immer der höhere
sei. Der Verwertungserlös und die Versicherungsentschädigung
werden bis zur Höhe des Zeit- bzw. Restvertragswertes angerechnet. Für eine eventuelle Unterdeckung haftet der Leasingnehmer.
§ 8 Versicherung
1. Der Leasingnehmer verpflichtet sich für die Dauer dieses Vertrages eine Fahrzeughaftpflichtversicherung mit einer unbegrenzten Deckungssumme … sowie eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von höchstens € 500,00 abzuschließen. …
2. … Innerhalb von drei Tagen ist der C. der Sicherungsschein,
den die Kraftfahrzeugversicherungsgesellschaft ausgestellt hat,
zu übermitteln.
3. Der Leasingnehmer tritt hiermit alle Rechte aus den von ihm
über das Fahrzeug der C. abgeschlossenen Versicherungen
(mit Ausnahme des Schadensfreiheitsrabattes) unwiderruflich
an C. ab. C. nimmt die Abtretung an. Soweit die Versicherungsbedingungen der Versicherungsgesellschaft nichts anderes bindend vorschreiben, werden Versicherungsentschädigungen nach Wahl der C. wie folgt verwendet:
a) für die Ersetzung, Wiederherstellung oder Reparatur des
Fahrzeuges und/oder
-4-
b) als Gutschrift für die Zahlungsverpflichtungen des Leasingnehmers aufgrund dieses Leasingvertrages.
§ 10 Kündigung
5. Der Restvertragswert ist die Summe der vom Leasingnehmer
bis zum ordentlichen (bei Vertragsabschluss geplanten) Ende
der Leasingzeit noch zu erbringenden Leasingraten und sonstigen Zahlungen zzgl. des kalkulierten Restwertes zzgl. der Vorfälligkeitsentschädigung, die der C. von der refinanzierenden
Bank in Rechnung gestellt wird. Für vorzeitige Zahlung hat die
C. eine Zinsgutschrift zu erteilen, die sich auf Basis des Refinanzierungszinses für diesen Leasingvertrag errechnet."
2
Die Klägerin versicherte das Fahrzeug vereinbarungsgemäß und ließ der
Beklagten einen Sicherungsschein ausstellen. Am 15. November 2003 wurde
das Fahrzeug entwendet. Durch Schreiben vom 18. November 2003 teilte die
Beklagte der Klägerin mit, der "Ablösewert" des Leasingvertrages betrage
24.846,27 € ohne Mehrwertsteuer; eine endgültige Abrechnung erfolge nach
der Regulierung durch den Kaskoversicherer. Der von diesem eingeschaltete
Kraftfahrzeugsachverständige ermittelte einen Wiederbeschaffungswert von
28.750 € netto. Danach erstattete der Versicherer der Beklagten unter Abzug
der vereinbarten Selbstbeteiligung 28.250 €.
3
Die Klägerin ist der Auffassung, der Teil der Versicherungsleistung, der
den von der Beklagten genannten Ablösewert übersteige, stehe ihr zu. Deswegen hat sie die Beklagte auf Zahlung von 3.403,73 € nebst Verzugszinsen in
Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen (dazu Anm.
Moseschus, EWiR 2005, 203). Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihr Zahlungsbegehren weiter.
-5-
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision ist nicht begründet.
I.
5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
6
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse zwar der Leasinggeber dem Leasingnehmer die Leistung aus einer von diesem abgeschlossenen Versicherung zugute kommen lassen. Das besage aber nichts über einen Mehrerlös, sondern betreffe nur die Anrechnung der Versicherungsleistung,
also den Fall, dass die Zahlung der Versicherung den nach dem Leasingvertrag
geschuldeten Restbetrag gerade nicht übersteige. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs diene die vom Leasingnehmer abzuschließende Kaskoversicherung im Übrigen der Absicherung der von ihm vertraglich übernommenen Sachgefahr. Daher könne nicht der Ansicht der Klägerin gefolgt werden,
dass die Übersendung des Sicherungsscheines zur Sicherung der Zahlung der
Leasingraten diene und dass deshalb im Falle der Erfüllung dieser restlichen
Leasingraten die Versicherungssumme beziehungsweise ein Mehrerlös der
Leasinggeberin dem Leasingnehmer zustehe. Dass der Mehrerlös der Leasinggeberin als Eigentümerin des Fahrzeugs zustehe, entspreche auch der Billigkeit. Ebenso wie dem Leasinggeber der Vorteil eines bei Rückgabe gut erhaltenen Fahrzeugs zuteil werde, müsse dies auch für den hohen Wiederbeschaffungswert eines entwendeten Leasingfahrzeugs gelten.
II.
7
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die
Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin
geltend gemachten Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
-6-
(§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) zu Recht verneint. Bei der hier durch die Ausstellung des Sicherungsscheines für die Beklagte begründeten Versicherung für
fremde Rechnung nach §§ 74 ff. VVG (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 2003
- VIII ZR 55/03, WM 2004, 1179 = NJW 2004, 1041 unter II 3 a aa m.w.Nachw.)
mag zwar mangels tatrichterlicher Feststellung besonderer Umstände davon
auszugehen sein, dass die Beklagte den von dem Versicherer gezahlten Geldbetrag durch Leistung der Klägerin erlangt hat, da der Versicherer diesen seinerseits - ungeachtet der direkten Zahlung an die Beklagte - an die Klägerin als
Versicherungsnehmerin geleistet hat (vgl. BGHZ 122, 46, 50 f.; ferner Senatsurteil vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 173/03, WM 2005, 759 = NJW 2005, 1369
unter II 1). Die Leistung der Klägerin ist jedoch insgesamt, auch hinsichtlich des
hier streitigen Teils, nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
8
1. Keiner Entscheidung bedarf insoweit allerdings die zwischen den Parteien streitige Frage, ob gerade der Teil der Versicherungsleistung, der den von
der Beklagten im Schreiben vom 18. November 2003 genannten Ablösewert
des Leasingvertrages übersteigt, der Klägerin oder der Beklagten zusteht. Diese Frage stellt sich nicht.
9
Mit dem Ablösewert ist nach dem übereinstimmenden und zutreffenden
Verständnis der Parteien der nicht amortisierte Gesamtaufwand der Beklagten
im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages wegen des
durch den Diebstahl eingetretenen Verlusts des Leasingfahrzeugs gemeint. Auf
diesen Ablösewert kommt es indessen nach den Allgemeinen Leasingbedingungen der Beklagten im vorliegenden Fall nicht an. Gemäß § 7.3 Satz 3 ALB
hat die Beklagte im Falle der Kündigung des Leasingvertrages Anspruch auf
den Zeitwert des Fahrzeuges oder den Restvertragswert entsprechend § 10.5,
wobei der höhere Wert maßgebend ist ("welcher auch immer der höhere sei").
Sofern hier nicht bereits von einer - zumindest stillschweigend einvernehmlich
-7-
erklärten - außerordentlichen Kündigung des Leasingvertrages nach § 7.2 ALB
auszugehen ist, liegt jedenfalls eine einvernehmliche Vertragsaufhebung vor,
die nach dem Regelungsplan der Allgemeinen Leasingbedingungen der Beklagten wie eine außerordentliche Kündigung zu behandeln ist. Der höhere Wert im
Sinne des danach zur Anwendung kommenden § 7.3 Satz 3 ALB ist hier nicht
der Restvertragswert, der sich nach der in § 10.5 ALB vorgesehenen Berechnungsweise als der nicht amortisierte Gesamtaufwand der Beklagten im Kündigungszeitpunkt darstellt und damit dem im Schreiben der Beklagten vom
18. November 2003 genannten Ablösewert von 24.846,27 € entspricht. Der höhere und damit maßgebende Wert ist hier vielmehr der Zeitwert des Fahrzeugs,
der im Rahmen der durch § 7 ALB geregelten Gefahrtragung wegen des damit
angesprochenen Sacherhaltungsinteresses dem Wiederbeschaffungswert des
Fahrzeugs entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1984 - IVa ZR 145/82,
NJW 1984, 2165 unter II zu § 13 Abs. 1 AKB in der seinerzeit geltenden Fassung; ferner Senatsurteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 255/05, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 2 a aa m.w.Nachw.) und daher gemäß der unangegriffenen Wertermittlung durch den vom Versicherer eingeschalteten Kraftfahrzeugsachverständigen 28.750 € beträgt.
10
Hat die Beklagte mithin nach § 7.3 Satz 3 ALB Anspruch auf den Zeitwert
des Fahrzeugs in Höhe des Wiederbeschaffungswertes von 28.750 €, hat sie
die Leistung der Klägerin in Gestalt der – niedrigeren – Versicherungsleistung
von 28.250 € insgesamt mit Rechtsgrund erlangt.
11
2. Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 7.3 Satz 3 ALB im Hinblick auf
§ 307 BGB sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Klausel steht im
Zusammenhang mit der formularmäßigen Abwälzung der Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer in § 7.1 ALB. Diese benachteiligt den Leasingnehmer nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB und ist daher
-8-
wirksam, sofern - wie hier in § 7.2 ALB - für den Fall des völligen Verlusts oder
einer nicht unerheblichen Beschädigung des Leasingfahrzeugs ein kurzfristiges
Kündigungs- oder gleichwertiges Lösungsrecht des Leasingnehmers vorgesehen ist (Senatsurteil vom 8. Oktober 2003, aaO, unter II 1 m.w.Nachw.). Wird
der Leasingvertrag in einem solchen Fall gekündigt, hat der Leasinggeber einen
Anspruch auf Ausgleich seines zum Kündigungszeitpunkt noch nicht amortisierten Gesamtaufwands (Senatsurteil vom 8. Oktober 2003, aaO, m.w.Nachw.). Im
Hinblick darauf, dass der Leasinggeber Eigentümer der Leasingsache ist und
als solcher ein berechtigtes Interesse an deren Erhaltung hat, begegnet es aber
auch keinen Bedenken, wenn ihm – wie hier in § 7.3 Satz 3 ALB – stattdessen
ein Anspruch auf Erstattung eines höheren Zeitwerts des Leasingfahrzeugs als
Ersatz für den Verlust seines Eigentums zugebilligt wird. Der Leasingnehmer
wird hierdurch auch deswegen nicht unangemessen benachteiligt, weil die Versicherung, zu deren Abschluss er zwecks Absicherung der von ihm übernommenen Sachgefahr (Senatsurteil vom 8. Oktober 2003, aaO, unter II 3 a aa)
regelmäßig – wie im vorliegenden Fall nach § 8.1 ALB – verpflichtet ist, normalerweise den Zeitwert des in Verlust geratenen Fahrzeugs in Höhe des Wiederbeschaffungswertes ersetzt.
12
3. Die Revision kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte
sei auf ihren leasingvertraglichen Amortisationsanspruch beschränkt, weil sie
diesen bereits konkludent geltend gemacht habe. Dazu hat bereits das Amtsgericht, auf dessen Feststellungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat,
ausgeführt, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 18. November 2003 der
Klägerin den Ablösewert lediglich "mitgeteilt" habe und dass die Abrechnung
danach im Übrigen erst nach Erhalt der Versicherungsleistung habe stattfinden
sollen. Diese Annahme beruht auf einer tatrichterlichen Auslegung einer Individualerklärung, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbar ist (vgl. BGHZ 135, 269, 273; 154,
-9-
132, 133, jew. m.w.Nachw.). Erhebliche Auslegungsfehler werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Nur wenige Tage
nach dem Diebstahl hatte die Beklagte erkennbar keinen Anlass, ihren Anspruch bindend auf das restliche Amortisationsinteresse zu beschränken, zumal
die Regulierung des Schadens durch den Versicherer noch ausstand und ihre
Forderung gegen die Klägerin zunächst – bis zu einem etwaigen Scheitern eines Befriedigungsversuchs aus der abgetretenen Forderung (vgl. BGHZ 116,
278, 282) – gestundet war.
Ball
Wiechers
Hermanns
Dr. Wolst
Dr. Milger
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 11.08.2004 - 319B C 79/04 LG Hamburg, Entscheidung vom 26.08.2005 - 320 S 108/04 -