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BUNDESGERICHTSHOF
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IM NAMEN DES VOLKES
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URTEIL
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IV ZR 233/99
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Verkündet am:
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22. März 2000
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Schick
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Justizangestellte
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als Urkundsbeamtin
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der Geschäftsstelle
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in dem Rechtsstreit
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Nachschlagewerk: ja
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BGHZ:
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nein
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AVB f. Unfallversicherung (AUB 88) § 12 III
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Fälligkeit des Versicherungsanspruchs im Sinne des § 12 III AUB 88 tritt
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auch mit der endgültigen Ablehnung von Versicherungsleistungen durch den
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Versicherer ein.
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BGH, Urteil vom 22. März 2000 - IV ZR 233/99 - OLG Oldenburg
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LG Aurich
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, die Richter Dr. Schlichting, Terno, Seiffert
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und die Richterin Ambrosius auf die mündliche Verhandlung vom
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22. März 2000
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für Recht erkannt:
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats
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des
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Oberlandesgerichts
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Oldenburg
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vom
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29. September 1999 aufgehoben.
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Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
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Tatbestand:
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Der Kläger begehrt von der Beklagten weitere Leistungen aus einer Unfallversicherung. Seine Ehefrau hatte bei der Beklagten eine
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Gruppen-Unfallversicherung genommen, die sie selbst und den Kläger
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als versicherte Personen ausweist. Diesem Vertrag liegen neben anderen
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Bedingungen
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(AUB 88) zugrunde.
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die
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Allgemeinen
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Unfallversicherungsbedingungen
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Bei einem Unfall am 23. August 1994 erlitt der Kläger unter anderem ein Schädelhirntrauma, eine Schulterblatt- und eine Rippenserienfraktur.
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Die
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Beklagte
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erbrachte
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Entschädigungsleistungen
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von
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54.000 DM und legte hierbei eine Invalidität des Klägers bezüglich der
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Kopffunktion von 10% und eine dauernde Funktionsbeeinträchtigung des
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linken Armes von 1/20 zugrunde. Weitere - vom Kläger begehrte - Entschädigungsleistungen lehnte sie mit Schreiben vom 23. Januar 1998
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ab.
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Der Kläger hat die Beklagte auf die Feststellung in Anspruch genommen, daß diese verpflichtet sei, ihm weitergehende Versicherungsleistungen nach einem Invaliditätsgrad von 50% zu erbringen. Ausweislich einer Abtretungserklärung vom 1. Februar 1998 habe seine Ehefrau
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ihre Ansprüche gegen die Beklagte wegen des Unfalls vom 23. August
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1994 an ihn abgetreten.
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Die Beklagte erachtet die Abtretung für unwirksam; der Kläger sei
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demgemäß nicht aktivlegitimiert. Ihm stehe überdies kein Anspruch auf
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weitere Entschädigungsleistungen zu.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt er seinen Klageantrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
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Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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1. Das Berufungsgericht erachtet die Klage schon deshalb für unbegründet, weil es an der Aktivlegitimation des Klägers für die Geltendmachung des hier streitigen Anspruchs fehle. Nach § 12 I AUB 88 stehe
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die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag nicht dem Versicherten, sondern dem Versicherungsnehmer zu, wenn die Versicherung gegen Unfälle abgeschlossen sei, die einem anderen zustoßen
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(Fremdversicherung). Eine solche Fremdversicherung liege hier hinsichtlich des Klägers vor, der Versicherter in der von seiner Ehefrau genommenen Gruppenversicherung sei. Die Aktivlegitimation des Klägers
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ergebe sich auch nicht aus der von ihm vorgelegten Abtretungserklärung
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vom 1. Februar 1998. Die Abtretung sei unwirksam. Gemäß § 12 III AUB
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88 könnten Versicherungsansprüche vor Fälligkeit ohne Zustimmung des
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Versicherers nicht abgetreten werden. Eine solche Zustimmung sei unstreitig nicht erfolgt; der Versicherungsanspruch sei im Zeitpunkt der
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Abtretung aber auch nicht fällig gewesen. Der insoweit maßgebliche Begriff der Fälligkeit werde durch § 11 AUB 88 definiert. Fälligkeit setze
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danach ein Anerkenntnis der Beklagten, eine Einigung der Vertragspartner oder eine Feststellung durch ein ordentliches Gericht voraus. An
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diesen Voraussetzungen fehle es. Ob nach § 11 VVG auch die Leistungsablehnung zur Fälligkeit führe, könne dahinstehen, weil § 11 VVG
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durch § 11 II AUB 88 abbedungen sei.
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Dem folgt der Senat nicht.
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2. a) Allerdings geht das Berufungsgericht unter Berücksichtigung
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von § 12 I AUB 88 zunächst zutreffend davon aus, daß der Kläger als
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Versicherter
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in
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der
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von
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seiner
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Ehefrau
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genommenen
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Gruppen-
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Unfallversicherung zur Geltendmachung des Anspruchs auf (weitere)
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Versicherungsleistungen nur dann aktivlegitimiert ist, wenn er den Anspruch durch wirksame Abtretung erlangt hat. Das setzt gemäß § 12 III
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AUB 88 - weil es an der Zustimmung der Beklagten fehlt - voraus, daß
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der Anspruch auf die Versicherungsleistungen im Zeitpunkt der Abtretung, am 1. Februar 1998, fällig war. Davon aber ist - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auszugehen. Die Beklagte hat mit
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Schreiben vom 23. Januar 1998 weitere Versicherungsleistungen abgelehnt. Mit Zugang dieses Ablehnungsschreibens (27. Januar 1998) ist
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die Fälligkeit des Versicherungsanspruchs im Sinne des § 12 III AUB 88
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eingetreten.
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b) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats grundsätzlich so auszulegen, wie ein
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durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche
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Spezialkenntnisse diese verstehen muß (BGHZ 123, 83, 85). Dieser
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Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit
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dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet; trifft
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das zu, so ist im Zweifel anzunehmen, daß auch die Bedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (Senatsurteil vom 5. Juli 1995 - IV
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ZR 133/94 - VersR 1995, 951 unter 2 b). Der in § 12 III AUB 88 verwen-
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dete Ausdruck "Fälligkeit" ist ein solcher Begriff der Rechtssprache mit
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fest umrissenen Konturen. Er beschreibt den Zeitpunkt, zu dem der
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Gläubiger die Leistung verlangen kann, der Schuldner säumig zu werden
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beginnt. Die in § 12 III AUB 88 allein und ohne weitere Hinweise mit dem
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Begriff Fälligkeit beschriebene zeitliche Grenze ist demgemäß unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Verständnisses zu bestimmen.
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c) Die Fälligkeit des Anspruchs auf Versicherungsleistungen
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- soweit diese in Geldleistungen bestehen - regelt zunächst § 11 VVG,
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der zugunsten des Versicherers von § 271 BGB abweicht. Da nur § 11
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Abs. 2 VVG durch § 15a VVG als für nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers abänderbar erklärt wird, bleiben im übrigen die Vorschrift des
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§ 11 VVG modifizierende oder abändernde vertragliche Fälligkeitsregelungen möglich. Eine solche Regelung enthält - wie sich schon aus der
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Überschrift der Klausel ergibt - § 11 AUB 88. Sie regelt die Frage der
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Fälligkeit der Versichererleistung indessen nur unvollständig. Denn die
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Klausel beschränkt sich auf die Bestimmung der Fälligkeit in solchen
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Fällen, in denen der Versicherer im positiven Sinne über den vom Versicherungsnehmer erhobenen Anspruch entschieden hat, sei es durch Anspruchsanerkenntnis oder durch Einigung mit dem Versicherungsnehmer
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über Grund und Höhe des Anspruchs (§ 11 II AUB 88), sei es, daß die
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Leistungspflicht bereits dem Grunde nach feststeht (§ 11 III AUB 88).
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Dagegen regelt § 11 AUB 88 nicht, wann Fälligkeit eintritt, nachdem der
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Versicherer die Ablehnung des vom Versicherungsnehmer erhobenen
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Anspruchs erklärt hat. Die Klausel enthält also insoweit eine § 11 VVG
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abändernde vertragliche Vereinbarung nicht. Im Falle der Leistungsab-
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lehnung ist der Eintritt der Fälligkeit der Versichererleistung daher der
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gesetzlichen Vorschrift des § 11 VVG zu entnehmen.
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Nach § 11 Abs. 1 VVG sind die Leistungen des Versicherers fällig,
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wenn dieser seine Feststellungen zum Versicherungsfall beendet hat.
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Davon ist auszugehen, wenn der Versicherer endgültig die Ablehnung
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von (weiteren) Versicherungsleistungen erklärt hat. Denn mit der Leistungsablehnung stellt der Versicherer klar, daß keine weiteren Feststellungen zur Entschließung über den erhobenen Anspruch erforderlich
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sind; dann aber besteht kein Grund, die Fälligkeit weiter hinauszuschieben. Mit dem Zugang der Erklärung des Versicherers über die endgültige
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Leistungsablehnung tritt deshalb Fälligkeit des Anspruchs auf die Versichererleistung ein (BGH, Urteile vom 10. Februar 1971 - IV ZR 159/69 VersR 1971, 433 m.w.N.; vom 27. September 1989 - IVa ZR 156/88 VersR 1990, 153, 154; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 11
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AUB 88 Rdn. 3; Römer in Römer/Langheid, VVG § 11 VVG Rdn. 12;
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Grimm, Unfallversicherung 2. Aufl. § 11 Rdn. 17; Wussow/Pürckhauer,
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AUB 6. Aufl. § 11 Rdn. 15).
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d) § 12 III AUB 88 stellt hinsichtlich der Wirksamkeit einer Übertragung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung - soweit keine Zustimmung des Versicherers vorliegt - allein auf die Fälligkeit des Versicherungsanspruchs ab. Mit dem damit eingeführten Rechtsbegriff Fälligkeit ist eine Beschränkung auf die in § 11 AUB geregelten Fälligkeitstatbestände nicht erklärt, sie ist der Klausel auch im übrigen nicht zu entnehmen. Allein der Umstand, daß die Bedingungen der Beklagten eine
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- wenngleich unvollständige - Fälligkeitsregelung enthalten, gibt keinen
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ausreichenden Anhalt für eine solche Beschränkung. Eine Verweisung
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auf § 11 AUB 88 enthält § 12 III AUB 88 gerade nicht.
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3. Zu Unrecht beruft sich die Revisionserwiderung schließlich darauf, daß die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG vom Kläger nicht gewahrt
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worden sei. Der Umstand, daß der eingereichten Klage - entgegen der
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Sollvorschrift des § 133 ZPO - keine Abschriften der Anlagen für den
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Prozeßgegner beigefügt waren, hinderte die sofortige Zustellung der
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Klage nicht. Wenn das Gericht dennoch die Zustellung erst nach Einreichung der Anlagen vorgenommen hat, stellt das die Zustellung der Klage
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"demnächst" (§ 270 Abs. 3 ZPO) nicht in Frage.
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Dr. Schmitz
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Dr. Schlichting
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Seiffert
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Terno
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Ambrosius
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